Großer Kurswechsel: Was steckt hinter Chinas Abkehr von E-Autos?

Die Herstellung von Elektroautos gehört in China nicht mehr zu den „strategischen, aufstrebenden Technologien“. Preisverfall sorgt im Inland für Probleme. Der Versuch Chinas, Überschüsse im Ausland abzusetzen, führte zu einer massiven Erhöhung der Zölle seitens den USA und der EU.
Titelbild
Elektroautos von BYD und anderen chinesischen Automarken stehen im Hafen von Taicang in Suzhou in der ostchinesischen Provinz Jiangsu bereit für den Export.Foto: STR/AFP via Getty Images
Von , 31. Oktober 2025

In Kürze

  • Das Elektroauto spielt in China künftig keine Rolle mehr.
  • Über Jahre wurden Milliarden Dollar in den Sektor gepumpt.
  • Die Regierung konzentriert sich nun auf andere Branchen.

 

Elektrofahrzeuge haben in China keine strategische Priorität mehr. Dies könnte das Ende einer aggressiven, staatlich geförderten Offensive bedeuten. Sie hat das asiatische Land zum weltweit größten Markt für Elektrofahrzeuge gemacht.

Mehr als zehn Milliarden in den Elektrosektor investiert

Im Entwurf des 15. Fünfjahresplans der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), den die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am vergangenen Dienstag veröffentlichte, sind die Elektrofahrzeuge von der Liste der „strategischen aufstrebenden Industrien“ gestrichen. Das Dokument wurde während der kürzlich zu Ende gegangenen jährlichen Klausurtagung des Zentralkomitees der KPCh in Peking erstellt. Es legt die wirtschaftliche Agenda des kommunistischen Regimes für die zweite Hälfte des Jahrzehnts dar.

In den vorhergehenden drei Fünfjahresplänen galten „neue Energiefahrzeuge“ als strategische Industrie, die für die technologische Wettbewerbsfähigkeit Chinas als entscheidend galt. Sie umfasst elektrische, Plug-in-Hybrid- und Brennstoffzellenautos. Die Einstufung veranlasste die zentralen und lokalen Behörden, Subventionen und Steueranreize in Höhe von mehreren zehn Milliarden Dollar zu investieren. Dadurch gelangten chinesische Hersteller wie BYD und Geely an die Spitze der globalen Lieferkette für Elektrofahrzeuge.

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Der neue Plan markiert nun jedoch eine Wende. Während er Quantentechnologie, Bioproduktion, Wasserstoffenergie und Kernfusion als neue Wachstumsmotoren hervorhebt, gehören Elektrofahrzeuge nicht mehr dazu. Automobile finden – wie auch der Wohnungsbau – nur am Rande Erwähnung. Der Plan sieht die Aufhebung der Beschränkungen beim Autokauf vor, um den Binnenkonsum anzukurbeln.

Eine endgültige Fassung des 15. Fünfjahresplans soll im März 2026 dem Nationalen Volkskongress zur Genehmigung vorgelegt werden.

China produzierte 2024 zwölf Millionen Elektrofahrzeuge

Im vergangenen Jahr produzierte China nach Angaben der Internationalen Energieagentur zwölf Millionen Elektrofahrzeuge. Das entspricht etwa 70 Prozent der weltweiten Gesamtproduktion. Elf Millionen Fahrzeuge fanden Käufer im Inland, der Rest ging in den Export.

Chinas Elektrofahrzeugsektor war einst ein Vorzeigeprojekt industrieller Ambitionen. Nun ist der Bereich in einen brutalen Preiskampf im Inland verwickelt und verursacht gleichzeitig Handelsspannungen im Ausland. Der Preiskampf hat sich in diesem Jahr deutlich verschärft. Seit Oktober kostet das Modell Seagull von BYD – auch unter dem Namen Dolphin Surf vertrieben – in China umgerechnet knapp über 8.500 Euro. Der Preis des Hauptkonkurrenten, das Modell Wuling Binguo, ist bereits für etwa 6.900 Euro zu haben.

Der brutale Preiskampf hat die Margen der Unternehmen unter Druck gesetzt. Im August meldete BYD, der weltweit größte Hersteller von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben, einen Rückgang des Nettogewinns im zweiten Quartal um 30 Prozent zum Vorjahr. Das Unternehmen begründete dies mit „übermäßigen Marketingmaßnahmen“ und hohen Preisnachlässen, die die „kurzfristige Rentabilität“ belasteten.

Obwohl die Preissenkungen den Verbrauchern zugutekamen, haben sie auch zu einer von Beobachtern als ungesund bezeichneten Spirale geführt. Autokäufer zögern zunehmend mit dem Kauf, weil sie weitere Preisrückgänge befürchten. Hingegen sind die unter finanziellem Druck stehenden Autohersteller gezwungen, Kompromisse bei Qualität, Sicherheit oder Kundenservice einzugehen.

Unterdessen haben die Bemühungen, überschüssige Produktionskapazitäten ins Ausland zu verlagern, internationale Gegenreaktionen ausgelöst. Im Mai 2024 verhängten die USA unter Hinweis auf unfaire Handelspraktiken einen Zoll von 100 Prozent auf in China hergestellte Elektrofahrzeuge. Die Europäische Union folgte im Oktober 2024 und erhöhte die Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge auf bis zu 45,3 Prozent.

Regime fordert Hersteller zur Selbstdisziplin auf

Die Behörden haben die Turbulenzen zur Kenntnis genommen. Im Juni lud das chinesische Ministerium für Industrie und Informationstechnologie Führungskräfte großer Automobilhersteller – darunter BYD, Geely, Zeekr und Xpeng – nach Peking ein. Bei dem Treffen warnten Ministeriumsvertreter vor einem Konkurrenzkampf, der allen Beteiligten wenig bis keinen Nutzen bringt („Rat Race“).

Die Forderung nach Zurückhaltung bekräftigten Funktionäre in mehreren weiteren Treffen. Sie forderten die Automobilhersteller auf, sich in „Selbstdisziplin“ zu üben und sich zu verpflichten, ihre Lieferanten innerhalb von 60 Tagen zu bezahlen.

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Die Warnung ging über die Automobilhersteller hinaus. Im Juli kritisierte der chinesische Staatschef Xi Jinping die lokalen Regierungen ungewöhnlich scharf dafür, dass sie sich beeilt hätten, in dieselben Branchen zu investieren.

„Wenn es um die Einführung neuer Projekte geht, sind es immer dieselben wenigen Dinge: Künstliche Intelligenz, Rechenleistung, Fahrzeuge mit neuen Energien“, sagte Xi laut der People’s Daily, der Hauszeitung der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) bei einem Treffen in Peking. „Sollen alle Provinzen des Landes ihre Industrien in diese Richtungen entwickeln?“

In einer am Dienstag von Xinhua veröffentlichten Rede über den neuen Fünfjahresplan forderte Xi die lokalen Regierungen erneut auf, sich auf Branchen zu konzentrieren, die zu ihren regionalen Stärken passen, während sie das entwickeln, was er als „neue qualitativ hochwertige Produktivkräfte“ bezeichnet. „Wir wollen alle Beteiligten dazu anleiten, bei ihrer Arbeit einen soliden, rationalen und realistischen Ansatz zu verfolgen und nicht kopflos neue Initiativen zu starten“, sagte Xi.



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