Amerikas Gründerväter: Charakterbildung und Tugend als zentraler Zweck der Bildung

Für Amerikas Gründerväter war Bildung so viel mehr als nur Lesen und Schreiben. Sie befürworteten eine Kombination aus Wissen, Moral und Religion.
Titelbild
„Die Unabhängigkeitserklärung“ von John Trumbull (1819). Das heute in der Rotunde des US-Kapitols hängende Gemälde porträtiert symbolisch die Präsentation des Entwurfs der Unabhängigkeitserklärung am 28. Juni 1776 im Zweiten Kontinentalkongress in Philadelphia, Pennsylvania, durch das „fünfköpfige Komitee“ (John Adams, Thomas Jefferson, Benjamin Franklin, Roger Sherman und Robert R. Livingston).Foto: Public domain/via Wikimedia Commons
Von 11. November 2025

Während der Kolonialzeit war Bildung, insbesondere die Alphabetisierung, für die europäischen Neuankömmlinge in Amerika eine regelrechte Obsession.

Es gab keine staatliche Schulaufsicht – tatsächlich existierten überhaupt keine staatlichen Schulen. Wohlhabende Familien engagierten zwar Hauslehrer für ihre Kinder oder meldeten sie an den wenigen damals existierenden Colleges und Akademien an, doch die meisten Kinder erlernten die Grundlagen des Lesens, Schreibens und Rechnens zu Hause.

Sie begannen mit dem ABC-Lernen mithilfe eines Hornbuchs. Dieses Lehrmittel bestand aus einem Holzbrett, auf das ein – damals sehr wertvolles – Blatt Papier geklebt war. Darauf standen etwa das Alphabet, Zahlen und ein Gebet. Das Papier wurde zum Schutz hauchdünn mit Rinderhorn überzogen, das durch Dämpfen formbar gemacht wurde. Man lehrte den Kindern auch Buchstaben, indem etwa die Mutter diese mit den Fingern oder einem Stock in die Asche des Kaminofens schrieb.

Später kamen dann die ersten Fibeln dazu. Ein Inventar aus dem Jahr 1700 belegt, dass eine Bostoner Buchhandlung zu dieser Zeit 11 Dutzend Rechtschreibhefte und 61 Dutzend Fibeln im Angebot hatte.

Wie sich herausstellte, zahlten sich diese marktwirtschaftlichen Angebote reichlich aus. Um 1800 lag die Alphabetisierungsrate beispielsweise in Massachusetts bereits bei über 90 Prozent. Darüber hinaus brachte diese bunte Mischung kolonialer Systeme Persönlichkeiten wie John und Abigail Adams, Thomas Jefferson und George Washington hervor. Sie waren der Überzeugung – wie die große Mehrheit ihrer Zeitgenossen –, dass Bildung und Lesefähigkeit absolute Notwendigkeiten für die Bürger der von ihnen gegründeten Republik darstellen.

Das ist hinlänglich bekannt. Vernachlässigt wird vielleicht, wie stark die Gründerväter Wert legten auf die Unterweisung der Jugend hinsichtlich gelebter Tugend. Für sie war die Entwicklung des Charakters der zentrale Zweck der Bildung.

„Das Fundament einer blühenden Republik“

In „Unsere heilige Ehre: Ratschläge der Gründerväter in Geschichten, Briefen, Gedichten und Reden“ von 1997 lenkt der frühere US-Bildungsminister William J. Bennett in seinem Kapitel „Erziehung von Kopf und Herz“ unsere Aufmerksamkeit auf diesen Schwerpunkt der moralischen Entwicklung.

Die Briefe der Gründerväter der amerikanischen Republik mögen ob der Strenge und Syntax ihrer Prosa aus dem 18. Jahrhundert zunächst schwer zu lesen sein. Doch wir stellen fest, dass ihre Sorgen – im Grunde die Frage, wie man gute Kinder erzieht – denen vieler Eltern und Mentoren heute ähneln.

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So schrieb Jefferson beispielsweise 1785 an seinen 15-jährigen Neffen Peter Carr: „Gib lieber Geld, Ruhm, die Wissenschaft und sogar die Erde selbst mit allem, was sie enthält, auf, als eine unmoralische Tat zu begehen.“ Er gab ihm anschließend konkrete Ratschläge, wie etwa: „Es ist von größter Wichtigkeit, sich einen festen Entschluss zu fassen, niemals die Unwahrheit zu sagen.“

In einem Brief von 1790 an seinen Neffen George Steptoe Washington, einen ungestümen Schüler kurz vor dem College, schrieb George Washington (Präsident von 1789–1797):

„Es mag angebracht sein, zu bemerken, dass ein guter moralischer Charakter die erste und wichtigste Voraussetzung für einen Menschen ist und dass die in deinem Alter angenommenen Gewohnheiten im Allgemeinen unauslöschlich sind. Dein Verhalten hier [in dieser Zeit] kann deinen Charakter für das ganze Leben prägen.“

Das Schreiben mit Stahlfedern löste in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts den Federkiel ab, und revolutionierte damit das Schreiben. Foto: iStock/FotoDuets

In ihrem Online-Artikel „Die Gründerväter über Bildung und Erziehung“ untersucht Eleanor Stratton Dokumente wie Jeffersons „Gesetzentwurf für die allgemeine Verbreitung von Wissen“, John Adams’ Arbeit an der Verfassung von Massachusetts von 1780 und die „Nordwest-Ordinanz von 1787“. Sie kommt zu dem Schluss, dass all diese Dokumente die Bedeutung einer gebildeten Bürgerschaft betonen.

Doch Adams (Präsident 1797–1801), Jefferson (Präsident 1801–1809) und die Verfasser der Verordnung erkannten – wie Stratton über Jefferson schreibt –, „dass Wissen mit Moral und Religion verknüpft sein muss, um bei der Förderung der Selbstverwaltung wirklich wirksam zu sein. Sein Ansatz zielte auf die Charakterbildung und die Vermittlung von Tugend ab, nicht bloß auf den Erwerb von Fakten.“

Die Gründerväter, so Stratton abschließend, erkannten, dass die Erziehung in Wissen wie auch in Tugenden den „Grundstein einer blühenden Republik“ legt.

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Für die Tugenden: Die Briefe einer First Lady

Abigail Adams (First Lady 1797–1801) verdient besondere Erwähnung. Als mutige und willensstarke Frau legte sie – gemeinsam mit ihrem Mann – großen Wert auf die Charakterentwicklung ihrer Kinder. Abigail war zudem eine unermüdliche Briefeschreiberin und verfasste zu Lebzeiten über 4.300 Briefe. Sie hinterließ der Nachwelt viele Ratschläge, die sie ihren Kindern, insbesondere John Quincy (Präsident (1825–1829)), mitgab. Bennett veröffentlicht in „Our Sacred Honor“ mehrere Auszüge aus ihren Briefen.

Als Quincy gerade 13 Jahre alt war und mit seinem Vater in Europa weilte, schrieb Abigail Adams ihrem Sohn, welchen Wert er aus dieser Erfahrung allein durch die Beobachtung anderer gewinnen könne. Gleichzeitig erinnerte sie ihn: „Vor allem fördere einen tugendhaften Charakter und vergiss nicht: ‚Ein ehrlicher Mensch ist das edelste Werk Gottes.‘“

Zwei Jahre zuvor hatte sie dem Jungen geschrieben: „Großes Wissen und überragende Fähigkeiten, solltest du sie jemals besitzen, werden von geringem Wert und geringer Wertschätzung sein, wenn ihnen nicht Tugend, Ehre, Wahrheit und Integrität hinzugefügt werden.“

Reflexionen eines Teenagers. Foto: iStock/ArminStautBerlin

Viele Eltern werden schmunzeln, wenn sie lesen, was sie in demselben Brief sonst noch an ihn schreibt: „Die Unachtsamkeit und Sorglosigkeit der Jugend erfordert ständige Belehrung und fortwährende Anweisung.“ Abigail überrascht dann sogar mit der Bemerkung: „Es wäre mir viel lieber gewesen, du hättest dein Grab in dem Ozean gefunden, den du überquert hast, oder wärest durch irgendeinen vorzeitigen Tod in deinen Kindertagen dahingerafft worden, als dich als unmoralischen Wüstling oder als gottloses Kind zu sehen.“

Wie viele Mütter heutzutage scheute auch Abigail nicht davor zurück, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Mit vier Kindern unter fünf Jahren schrieb sie ihrer guten Freundin, der Schriftstellerin Mercy Warren, „um einer jungen und noch recht unerfahrenen Mutter in diesem anspruchsvollen Geschäft beizustehen, damit die zarten Sprösslinge, die meiner Fürsorge anvertraut sind, so gepflegt werden, dass sie ihren Eltern Ehre machen und sich für die heranwachsende Generation als Segen erweisen“.

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Warren antwortete, dass ihre eigenen Methoden und Verhaltensregeln für die Erziehung ihrer Kinder keineswegs perfekt seien, sie jedoch davon überzeugt sei, dass ihnen schon in jungen Jahren beigebracht werden müsse, die Wahrheit zu verehren, „um eine heilige Achtung vor der Wahrhaftigkeit im Herzen der Jugend zu verankern – der sicherste Schutz der Tugend und die mächtigste Barriere gegen die Ausschweifungen des Lasters während jeder zukünftigen Lebensphase“.

Um 1800: Graviertes Porträt von Abigail Smith Adams (1744–1818), Epistolographin und Ehefrau von John Adams, dem zweiten Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika (1797–1801). Die Briefe der First Lady wurden erst posthum veröffentlicht. Foto: Nach einem Originalgemälde von Gilbert Stuart, Hulton Archive/Getty Images

Einige Einsichten mit auf den Weg…

Im heutigen Amerika hören wir viel über die schlechten akademischen Leistungen in vielen öffentlichen Schulen des Landes und über gesunkene Standards an den Universitäten. Die Testergebnisse in Lesen und Mathematik sinken und Kritiker fordern eine Vielzahl von Reformen.

Was wir jedoch nicht hören, ist ein Wort über die Vermittlung von Tugend, zumindest nicht in staatlichen Schulen. Abgesehen von privaten Akademien und im Homeschooling (frei organisierte Bildung zu Hause und im persönlichen Umfeld ohne die Institution Schule) ist die Erziehung zur Charakterentwicklung, die für die Söhne und Töchter der Amerikanischen Revolution so wichtig war, vor Jahrzehnten bereits verschwunden. Dies könnte viele der aktuellen Probleme in der US-amerikanischen Gesellschaft (und weltweit) erklären.

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Möglicherweise ist diese Teilnahmslosigkeit ein versteckter Segen, weil sie wieder die Eltern in die Verantwortung nimmt und nicht den Staat, über Ethik und Moral ihrer Kinder zu befinden.

Eine weitere gute Nachricht: Es gibt eine Fülle an Büchern und Quellen zum Thema Tugend, die Eltern und Lehrern zur Verfügung stehen.

Suchen Sie online nach „Materialien zur Vermittlung von Tugend an Kinder“ und Sie finden Sammlungen wie William J. Bennetts „The Book of the Virtue“, verschiedenste Leitfäden zur Charakterbildung zu Hause und im Klassenzimmer sowie Dutzende von Internetseiten, die praktische Anleitungen für Aktivitäten zusammen mit empfohlener Lektüre bieten.

Eltern und Großeltern, Mentoren und Lehrer werden ein Heer an Unterstützung entdecken, das darauf wartet, Sie auf dem Weg der Charakterformung Ihrer Kinder zu inspirieren.

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„Denn kein Volk wird seine Freiheiten kampflos aufgeben“, schrieb Sam Adams, einer der Gründerväter, 1775 an Joseph Warren, „und kein Volk lässt sich leicht unterwerfen, wenn Wissen verbreitet und Tugend bewahrt wird“.

Während Eltern und Lehrer die Schule im Herbst planen und vorbereiten, sollten sie die Worte und Ansichten dieser Persönlichkeiten der Geschichte im Hinterkopf behalten und erwägen, das Studium und die Ausübung von Tugenden in ihren Lehrplan aufzunehmen.

Die Gründerväter betonten die Wichtigkeit einer gebildeten Bürgerschaft, gestärkt durch Wissen und Tugend. Foto: Illustration von Biba Kayewich

Der Beitrag erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „A Matter of Character: America’s Founders, Education, and Virtue“. (Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung sm)



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