Mutmaßlichem Attentäter droht lebenslange Haft und Sicherungsverwahrung
In Kürze:
- In Magdeburg begann der Prozess gegen Taleb al-Abdulmohsen, den mutmaßlichen Weihnachtsmarkt-Attentäter.
- Die Anklage lautet auf sechsfachen Mord und 338-fachen versuchten Mord.
- Der 51-Jährige lenkte im Dezember 2024 ein Auto gezielt in eine Menschenmenge.
- Die Staatsanwaltschaft sieht persönliche Kränkung als Tatmotiv – nicht politischen Fanatismus.
Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen hat in Magdeburg am Montag, 10. November, der Prozess gegen den mutmaßlichen Weihnachtsmarkt-Attentäter Taleb al-Abdulmohsen begonnen. Um allen bislang rund 180 Nebenklägern und deren Anwälten die Möglichkeit der Teilnahme zu bieten, muss die Hauptverhandlung in einem Interimsgerichtsgebäude stattfinden.
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Dieses wurde speziell zu diesem Zweck errichtet. Bei dem Verfahren handelt es sich um eines der größten der Nachkriegsgeschichte. Die Anklage wirft dem 51-Jährigen sechs Fälle des vollendeten und 338 Fälle des versuchten Mordes vor. Wie der Pressesprecher des Landgerichts Magdeburg, Christian Löffler, vor Prozessbeginn schilderte, drohen diesem lebenslange Haft, die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und eine anschließende Sicherungsverwahrung.
Anklage sieht bei Anschlag in Magdeburg gleich drei Mordmerkmale verwirklicht
Die Staatsanwaltschaft wirft al-Abdulmohsen vor, am frühen Abend des 20. Dezember 2024 einen 2 Tonnen schweren und 340 PS starken Wagen „zielgerichtet gegen eine Vielzahl von Passanten gelenkt“ zu haben. Erst habe er Passanten an einer Fußgängerampel erfasst, anschließend lenkte er das Fahrzeug etwa 350 Meter weit über den von zahlreichen Menschen besuchten Weihnachtsmarkt am Alten Markt.
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Während seiner Todesfahrt habe al-Abdulmohsen den Wagen auf bis zu 48 Stundenkilometer beschleunigt. Um die Zahl der Opfer zu maximieren, sei der Angeklagte Schlangenlinien gefahren. Oberstaatsanwalt Matthias Böttcher und sein Kollege Marco Reinl zeichneten den Weg im Zuge der Verlesung der Anklage nach. Sie nannten zudem die Namen der Todesopfer – fünf Frauen im Alter von 45 bis 75 Jahren und einen neunjährigen Jungen – und der mehr als 300 Verletzten.
Die Anklage sieht bei der Tat gleich mehrere Mordmerkmale verwirklicht. Zum einen sei bei dem Anschlag von Heimtücke auszugehen, dazu kämen niedrige Beweggründe. Zudem habe der Angeklagte ein gemeingefährliches Mittel benutzt. Die Tat habe er mehrere Wochen im Voraus detailliert geplant und vorbereitet.
Saudi-Arabien hatte vor al-Abdulmohsen gewarnt
Das Tatmotiv war vielfach Gegenstand von Spekulationen. Der in Saudi-Arabien geborene al-Abdulmohsen, der seit 2006 in Deutschland lebt, hatte zuletzt über seinen X-Account islamfeindliche Inhalte gepostet. Im Jahr 2019 gab ihm sogar die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) dafür ein Forum. Der deutschen Regierung warf er vor, Europa „islamisieren“ zu wollen und aus der Golfmonarchie geflüchtete Frauen zu benachteiligen.
Das Königreich Saudi-Arabien hatte ebenfalls vor al-Abdulmohsen gewarnt und sich sogar wegen mehrerer Delikte in seinem Herkunftsland um eine Auslieferung bemüht. An seinem Arbeitsplatz als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in der Salus-Gruppe in Bernburg soll der 51-Jährige ebenfalls auffällig geworden sein.
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Mindestens zweimal soll es auch schon Gefährderansprachen nach Drohungen gegeben haben. Eine davon war für 2014 dokumentiert – damals lebte al-Abdulmohsen noch in Mecklenburg-Vorpommern. Im Zusammenhang mit einer Streitigkeit über die Anerkennung von Prüfungsleistungen soll er bereits damals eine „Tat, die internationale Beachtung bekommen wird“, angedroht haben. Dabei habe er auf den Anschlag des Boston-Marathons 2013 Bezug genommen.
Aggressivität und Drohungen bekannt – aber keine klassische Einordnung
Im Jahr 2023 habe es nach einer Drohung in einem Schreiben an die Kölner Staatsanwaltschaft den Versuch einer persönlichen Gefährderansprache gegeben. Der Adressat war jedoch nicht anzutreffen. Es soll anschließend eine schriftliche Mitteilung mit der Aufforderung gegeben haben, ein Verhalten dieser Art künftig zu unterlassen. Ob er diese zur Kenntnis genommen hat, blieb ungewiss.
Eine intensivere Beobachtung als Gefährder scheiterte, Angaben von Behörden zufolge, auch daran, dass sich die aggressiven Aussagen und wiederholten Drohungen al-Abdulmohsens keiner klassischen Form des Extremismus zuordnen ließen. Zudem geriet er auch innerhalb der „islamkritischen“ Szene bisweilen mit Gleichgesinnten aneinander. So mieden einige andere „Ex-Muslime“ den Kontakt mit al-Abdulmohsen, weil sie dessen querulatorisches Auftreten und Verschwörungserzählungen irritierten.
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Auch mit Blick auf die Todesfahrt von Magdeburg geht die Staatsanwaltschaft nicht von einem ideologischen, sondern von einem persönlichen Beweggrund aus. Der 51-Jährige habe „aus vermeintlicher Kränkung und Frustration“ über den Ausgang eines Gerichtsverfahrens und die Erfolglosigkeit eigener Strafanzeigen gehandelt. Er hat demnach sechs Menschen getötet und mehr als 300 teils lebensgefährlich verletzt, um möglichst breite Aufmerksamkeit auf sich und sein persönliches Ungerechtigkeitsempfinden zu lenken.
Al-Abdulmohsen räumt Täterschaft zum Anschlag in Magdeburg ein
Al-Abdulmohsen selbst nutzte den ersten Prozesstag für weitere kryptische Botschaften. So hielt er Fotografen den Bildschirm eines Laptops entgegen, auf dem der Hashtag „#MagdeburgGate“ und „Sept. 2026“ zu lesen waren. Er ging auch in seinen bisherigen Einlassungen nicht darauf ein, was damit gemeint sein soll. Im September 2026 sollen in Sachsen-Anhalt Landtagswahlen stattfinden.
Der während der Verhandlung hinter schusssicheren Scheiben in einer Box untergebrachte Angeklagte kündigte an, er werde sich in der Sache äußern. Die Einlassung werde „stundenlang, vielleicht auch tagelang“ dauern. Gleich am ersten Tag äußerte er sich über rund anderthalb Stunden, wobei er gleich zu Beginn einräumte: „Ich bin derjenige, der das Auto gefahren hat.“
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Bislang ist die Aussage des Angeklagten von langen Monologen gekennzeichnet. Dabei wiederholt er Vorwürfe über angebliche Vertuschungen der Polizei, inszeniert sich als Kämpfer für Frauenrechte in Saudi-Arabien und spricht über politische Themen. Einmal wendet er sich an die Eltern des getöteten Kindes und bittet diese um Verzeihung. Am Dienstag will er mit seinen Ausführungen fortfahren. Bis zum 12. März 2026 sind vorerst 40 Verhandlungstage angesetzt.
Ersthelferin: Bluttat hat „Leben um 180 Grad gewendet“
Am Rande des ersten Prozesstages sprach die Ersthelferin Xenia S. über ihre Eindrücke vom Tag des Anschlags. Ihr Leben habe sich an jenem Abend um 180 Grad gewendet. Sie traue sich nicht mehr, in Menschenmengen zu gehen. In Kinos, bei Festivals „stehe ich immer an der Ecke, an der Wand und so“. Sie sei „die ganze Zeit nur noch im Überlebensmodus im Kopf, ob noch was passiert“.
Sie habe am Abend der Tat schwere Verletzungen bei vielen Menschen gesehen, vor allem an Beinen und Wirbelsäule. Am Montag habe sie den Angeklagten sehen wollen, „um zu wissen, wer mein Leben ein bisschen zerstört hat“.
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