Klimaklage aus Peru gegen RWE abgewiesen – Gericht sieht Konzerne aber grundsätzlich in Verantwortung
Das Oberlandesgericht in Hamm hat im Verfahren um mögliche Klimaschäden in Peru die grundsätzliche Verantwortung großer Energiekonzerne festgestellt – die konkrete Klage eines peruanischen Bauerns gegen das Unternehmen RWE aber abgelehnt.
Eine Entschädigung durch RWE für den Peruaner wegen der Bedrohung seines Hauses im Zuge der Klimaerwärmung lehnte das Gericht am Mittwoch ab. Klimaschutzaktivisten halten die Entscheidung dennoch für einen „Meilenstein“, weil sie anderen Klimaklagen den Weg bereiten könnte.
Kleinbauer fordert Kostenbeteiligung für Schutzmaßnahmen gegen mögliche Überflutung
Der Kleinbauer Saúl Luciano Lliuya hatte von RWE gefordert, sich an Kosten für Schutzmaßnahmen gegen eine mögliche Überflutung seines Hauses zu beteiligen.
In seiner Heimatstadt Huaraz wird befürchtet, dass der Andensee Palcacocha wegen einer Gletscherschmelze überlaufen und eine Flutwelle auslösen könnte. RWE sei als einer der größten Treibhausgasemittenten dafür mitverantwortlich, argumentierte Lliuya.
Das OLG folgte dieser Argumentation in den meisten Punkten und wies Einwände von RWE dagegen zurück. Falls aufgrund von CO2-Emissionen eine Beeinträchtigung drohe, könne der Verursacher „verpflichtet sein, Maßnahmen zur Verhinderung zu ergreifen“, sagte der Vorsitzende Richter Rolf Meyer.
Verweigere er dies, könne „bereits vor dem Entstehen tatsächlicher Kosten festgestellt werden, dass er für diese entsprechend seinem Emissionsanteil aufkommen müsse“.
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Die Folgen der Verbrennung fossiler Brennstoffe für das Klima der Erde seien nach Ansicht des Richters bereits seit Jahrzehnten hinlänglich bekannt. Ein Zusammenhang zwischen der Bedrohung von Lliuyas Haus wegen einer Gletscherschmelze und dem Betrieb von Kohlekraftwerken in Deutschland sei daher nicht von der Hand zu weisen, sagte Meyer.
Zugleich sei „die große Entfernung zwischen den Kraftwerken der Beklagten und dem Wohnort des Klägers in Peru kein ausreichender Grund, die Klage als unbegründet einzustufen“. Und auch aus dem Interesse der deutschen Bevölkerung an der Produktion von Strom durch Kohleverbrennung könne nicht abgeleitet werden, dass ein „Bürger in Peru, der (von dieser Energie) nichts hat, eine Beeinträchtigung seines Eigentums hinzunehmen hat“, so Meyer weiter.
Kein Wettbewerbsnachteil
Den Einwand von RWE, dass dem Konzern durch Klimaklagen in Deutschland ein Wettbewerbsnachteil entstehe, wies der Richter zurück. „Es gibt auch ähnliche Verfahren im EU-Ausland“, sagte er. Zudem falle auf, dass solche Verfahren überall dort geführt werden, „wo unabhängige Rechtsprechung noch funktioniert“. Es zeige sich hier vor allem, dass Deutschland eine funktionierende und unabhängige Justiz habe – und das sei vielmehr ein Standortvorteil für Unternehmen.
Insgesamt sei Lliuyas Zivilklage schlüssig und zulässig und müsse im Detail geprüft werden, was auch geschehen sei, sagte Meyer weiter. Der Peruaner hatte schon 2015 vor dem Landgericht Essen Klage eingereicht, die es aber ablehnte. In Berufung ordnete das Oberlandesgericht Hamm 2017 eine Beweisaufnahme an. 2022 besuchte schließlich eine Delegation den Heimatort des Peruaners.
Keine konkrete Gefahr für Lliuyas Grundstück ersichtlich
Die Anhörung der vom Gericht bestellten Experten habe ergeben, dass keine konkrete Gefahr für Lliuyas Grundstück bestehe, führte Richter Meyer aus. Deshalb wies er die Berufung ab. Revision wurde nicht zugelassen.
Der Peruaner zeigte sich dennoch „sehr zufrieden“ mit der Entscheidung des Gerichts. „Es ist schade, dass RWE nicht zur Verantwortung gezogen wird“, sagte er. „Aber immerhin konnten wir einen Präzedenzfall schaffen.“ Er werde andere Klimabetroffene bei künftigen Rechtsstreitigkeiten unterstützen. „Es gibt Gebiete, in denen das Risiko viel größer ist“, sagte er. „Wenn es andere Kläger in einem gefährlicheren Gebiet gibt, werde ich sie unterstützen.“
Auch Lliuyas Anwältin Roda Verheyen und die Organisation Germanwatch, die den Peruaner unterstützt hatte, werteten die Entscheidung des Oberlandesgerichts als Erfolg. Das Gericht habe zwar das Flutrisiko für ihren Mandanten als nicht ausreichend hoch bewertet. Doch „das Urteil von heute ist ein Meilenstein und wird Klimaklagen gegen fossile Unternehmen und damit der Abkehr von fossilen Brennstoffen weltweit Rückenwind geben“, betonte die Anwältin.
RWE betonte hingegen, die Aktivisten seien mit ihrem Versuch „gescheitert, über die Klage von Herrn Saúl Luciano Lliuya einen Präzedenzfall zu schaffen, um nach deutschem Recht einzelne Unternehmen für Auswirkungen des Klimawandels weltweit verantwortlich zu machen“. Eine zivilrechtliche „Klimahaftung“ hätte unabsehbare Folgen für den deutschen Industriestandort, warnte ein Unternehmenssprecher. (afp/red)
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