Zu hell, zu schnell, zu unwahrscheinlich? Die Anomalien von 3I/ATLAS
In Kürze:
- Astronomen entdeckten am 1. Juli 2025 den interstellaren Kometen 3I/ATLAS, der unser Sonnensystem passiert.
- Dieses Objekt bietet den Forschern gleich mehrere ungewöhnliche Beobachtungen, die sie bisher von anderen Kometen nicht gewohnt sind.
- Manche Wissenschaftler überlegen, ob der Komet über einen Antrieb – und außerirdisches Leben – verfügen könnte.
Ein interstellares Objekt versetzt Astronomen momentan besonders in Staunen: der Komet 3I/ATLAS. Er stammt von außerhalb unseres Sonnensystems und rast mit über 200.000 Kilometern pro Stunde durch selbiges.
Seine Bahn verläuft zwischen der Umlaufbahn der Erde und der Umlaufbahn des Mars. Dort befindet sich das Objekt aktuell.
Der interstellare Komet hat Schätzungen zufolge einen Durchmesser von weniger als 10 Kilometern. Der Abstand von der Erde ist mehr als ausreichend, da sich unser Heimatplanet während des Vorbeiflugs des Kometen gerade auf der anderen Seite der Sonne befindet. Die größte Annäherung zur Erde erreicht 3I/ATLAS Mitte Dezember mit etwa dem 1,8-Fachen des Erde-Sonne-Abstands.

Animation des Verlaufs von 3I/ATLAS durch unser Sonnensystem. Foto: Renerpho nach CSS, D. Rankin; CC BY-SA 4.0
Die „3“ in 3I/ATLAS bezieht sich darauf, dass dieser Komet das dritte als interstellar klassifizierte Objekt ist, das bis dato im Sonnensystem beobachtet wurde. Die anderen beiden interstellaren Objekte heißen 1I/Oumuamua und 2I/Borisov. Entdeckt wurde 3I/ATLAS am 1. Juli 2025 durch das automatisierte Frühwarnsystem Asteroid Terrestrial-impact Last Alert System (ATLAS). Sein Alter wird auf rund 7 Milliarden Jahre geschätzt.
Neun Anomalien in fünf Monaten
Ähnlich wie Oumuamua stellt 3I/ATLAS die Forscher gleich vor mehrere Rätsel. Denn bei ihren Beobachtungen haben sie einige Verhaltensmuster festgestellt, die verglichen mit bisher beobachteten Kometen eher untypisch sind.
1. Anormale Beschleunigung
Der Komet hatte seinen Periheldurchgang, sprich den Zeitpunkt seiner größten Annäherung zur Sonne, am 29. Oktober. Zu dieser Zeit registrierten Astronomen eine auffällig starke Beschleunigung. Diese Geschwindigkeitszunahme lässt sich nicht allein durch die Anziehungskraft der Sonne erklären und wird daher als non-gravitativ bezeichnet. Diese Anomalie beobachtete Davide Farnoccia, Navigationsingenieur am Jet Propulsion Laboratory der NASA in Pasadena im US-Bundesstaat Kalifornien.
Avi Loeb, Gründungsdirektor der Harvard University, erklärt die ungewöhnliche Beschleunigung durch den sogenannten Raketeneffekt von ausgestoßenem Gas. Dabei müsse das Objekt innerhalb von sechs Monaten die Hälfte seiner Masse verlieren. Ein solcher Masseverlust sollte im November und Dezember eine große Gaswolke rund um das Objekt erscheinen lassen, schätzte Loeb.
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2. Unerwartete Helligkeit
Die massive Verdampfung von 3I/ATLAS könnte seine nächste Anomalie erklären. Anhand mehrerer Fotoaufnahmen haben die Astronomen zwischen September und Oktober 2025 einen rapiden Anstieg der Helligkeit des Kometen beobachtet.

Aufnahmen von 3I/ATLAS am 2. Oktober 2025, kurz vor seinem Vorbeiflug am Mars. Foto: Филипп Романов, CC BY-SA 4.0
3. Wechselnde Farben
Im Weiteren können die Wissenschaftler bisher nicht die blaue Verfärbung des interstellaren Objektes erklären. Das sei nach Aussage von Loeb für einen natürlichen Kometen überraschend. Normalerweise lasse das Sonnenlicht den verstreuten Staub rot erscheinen. Das wäre bei dem vorhandenen Umstand, dass 3I/ATLAS rund ein Zwanzigstel der 5.800 Kelvin der Fotosphäre der Sonne aufweist, normal. Dessen Temperatur liege demnach bei rund 20 Grad Celsius.
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Manche Medien berichteten, dass die Blaufärbung bereits die dritte Farbveränderung des Objektes sei. Der Wissenschaftler Qicheng Zhang, der eine Studie zur Helligkeit des Kometen erstellt hat, widersprach dieser Annahme. Laut dem Portal „space.com“ sagte er: „Wir haben keine Beweise dafür, dass die Gaskoma ihre Farben ändert.“ In der Studie heißt es, dass 3I/ATLAS „deutlich blauer als die Sonne“ ist, im Gegensatz zu „früheren Beobachtungen, die zeigten, dass der Staub des Kometen rot ist“. Das wandelten einige Medien in die Information um, dass der Komet mehrfach „seine Farbe geändert“ habe.
Neueste Beobachtungen der Forscher um Zhang am Lowell-Observatorium in Arizona, USA, lassen 3I/ATLAS wiederum in grünem Licht erscheinen, was für Kometen jedoch nicht ungewöhnlich und auf molekularen Kohlenstoff zurückzuführen ist.
4. Verdrehter Schweif
Normalerweise besitzen Kometen einen Ionisationsschweif aus Staub und Gas, der von der Sonne wegzeigt. Das ist so zu erklären, dass die Sonnenstrahlung Eis schmelzen lässt und chemische Bindungen aufbricht, während die von der Sonne emittierenden Sonnenwinde die Partikel vom Kometen wegschieben.
Bei 3I/ATLAS haben Wissenschaftler allerdings einen Gegenschweif entdeckt, der der Sonne zugewandt ist. Laut einem Bericht der Forscher Eric Keto und Loeb haben Wissenschaftler dies in dieser Form noch nie zuvor beobachtet.
Neueste Aufnahmen vom 7. Oktober zeigen jedoch nur eine große Koma oder einen Lichthalo, allerdings weder einen Staubschweif noch einen Ionisationsschweif. Den Staubschweif zieht der Komet in Flugrichtung hinter sich her. Zhang erklärt das Fehlen des Ionisationsschweifes damit, dass dieser von der Sonne wegzeigt und somit, von der Erde aus gesehen, gerade vom Kometen verdeckt ist. Wenn man genau hinschaut, sei er aufgrund seiner leichten Krümmung auf Aufnahmen dennoch zu erkennen.
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5. Unwahrscheinliche Nähe
Eine weitere Anomalie ist der Zeitpunkt, an dem 3I/ATLAS auf seiner Flugbahn durch unser Sonnensystem rauscht. Dieser erlaubt es ihm, in kurzer, aber noch sicherer Entfernung an Mars, Venus und Jupiter vorbeizufliegen, so, als wolle er den gravitativen Schwung dieser Planeten für seinen Weiterflug gezielt mitnehmen. Dabei näherte sich 3I/ATLAS Anfang Oktober dem Mars bis auf unter 30 Millionen Kilometer oder weniger als ein Fünftel des Erde-Sonne-Abstandes.
Anfang November erreichte der Komet dann seine kürzeste Entfernung zur Venus. Zum Zeitpunkt des Kometenvorbeiflugs befand sie sich zufällig gerade auf einem dem Kometen relativ nahen Punkt ihrer Umlaufbahn. Im März 2026 wird der interstellare Besucher den Berechnungen zufolge relativ nah am Jupiter vorbeiziehen.
Eine Studie dazu kam zu dem Ergebnis, dass die Wahrscheinlichkeit, dass 3I/ATLAS zu einem derartigen Zeitpunkt durch unser Sonnensystem fliegt, nur 0,005 Prozent beträgt. Erheblich größer, aber immer noch relativ gering, ist die Wahrscheinlichkeit von 0,2 Prozent, dass die Flugbahn des Kometen nahezu parallel zur Ekliptik – der scheinbaren Bahn – der Planeten unseres Sonnensystems ist.
6. Unnatürliche Zusammensetzung
Bei der Materialanalyse stellte sich heraus, dass der Komet Nickel (Ni) und Cyanid (CN) enthält beziehungsweise ausgast. Zudem soll die Ni-Emission stärker zentriert sein als die CN-Emission. Das weist auf Metallcarbonyle oder Ni+PAHs hin. PAHs steht für Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe. Das Eigenartige, wenn er Metallcarbonyle enthält, ist: Diese kommen normalerweise nicht in der Natur vor und müssen künstlich hergestellt werden, zumindest auf der Erde.
7. Rekord bei CO₂-dominierter Koma
Überrascht waren die Astronomen auch von der Zusammensetzung der Koma von 3I/ATLAS. Die mit dem James-Webb-Weltraumteleskop gesammelten Daten bestätigten einen CO₂-Gehalt von rund 84 Prozent. Das ist höher als bei allen bisher erforschten Kometen, bei denen meist Wasser dominiert. Das weist zudem auf eine CO₂-reiche Zusammensetzung des interstellaren Kometen hin.

Die Zusammensetzung der Koma von 3I/ATLAS zeigt, dass der Kern sehr reich an Kohlenstoffdioxid (CO₂) ist. Der Rest der Koma besteht zu absteigenden Anteilen aus Kohlenstoffmonoxid (CO), Wasser (H₂O) und Carbonylsulfid (OCS). Foto: CenterOfTheMilkyWay, CC BY-SA 4.0
Die Forscher vermuten deswegen, dass 3I/ATLAS Eis enthält, das einer höheren Strahlung ausgesetzt gewesen ist als Kometen in unserem Sonnensystem. Möglich sei auch, dass sich das CO₂ in der Nähe der CO₂-Eisgrenze in seiner ursprünglichen protoplanetaren Scheibe – jener Scheibe aus Gas und Staub um einen sich neu bildenden Stern – gebildet habe.
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8. Neuer Typ von Komet?
Eine weitere Studie zu 3I/ATLAS hat sich mit seiner Polarisation beschäftigt. Demnach sei der Komet durch einen schmalen negativen Polarisationszweig gekennzeichnet. Die hier vorliegende Variante in diesem Bereich ist unter Asteroiden und Kometen, einschließlich 2I/Borisov, einzigartig. Das könnte bedeuten, dass es sich hierbei um einen für unsere Wissenschaft neuen Kometentyp handelt.
9. Verbindung zum „Wow!-Signal“?
Die letzte Anomalie ist die Herkunftsrichtung von 3I/ATLAS. Bis auf eine minimale Abweichung stammt der interstellare Besucher genau aus der Richtung, aus der im Jahr 1977 das sogenannte „Wow!-Signal“ empfangen wurde. Dabei handelt es sich um ein starkes schmalbandiges Radiosignal, das das „Big Ear“-Radioteleskop der Ohio State University entdeckt hatte. Der Ursprung befand sich laut Loeb in einer Distanz von 90 Milliarden Kilometern. Das entspricht dem 600-Fachen des Erde-Sonne-Abstands.
„Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei zufällige Richtungen am Himmel in diesem Maße übereinstimmen, beträgt etwa 0,6 Prozent“, errechnete Loeb. „Wenn das ‚Wow!-Signal‘ von 3I/ATLAS stammt, wie leistungsstark war dann der Sender?“
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Auch die US-Regierung ist bereits auf den anormalen Kometen aufmerksam geworden. So schrieb die republikanische Kongressabgeordnete Anna Paulina Luna kürzlich auf 𝕏: „Sobald die Regierung wieder arbeitsfähig ist, wird sie Bilder und Daten veröffentlichen. Leider ist dies aus bürokratischen Gründen bis dahin nicht möglich. Dr. Avi Loeb hatte mit seiner frühen Analyse des ungewöhnlichen Schweifs recht. Auch die NASA hat dies festgestellt.“
Spekulation über Alienraumschiff
Aufgrund dieser vielen Anomalien sprechen manche Forscher, unter anderem Loeb, bereits davon, dass es sich bei 3I/ATLAS um ein Objekt mit außerirdischer Technologie handeln könnte. Ebenso sei nicht auszuschließen, dass mögliche Lebensformen darin uns gegenüber feindlich sein könnten. So erwähnte Loeb später, dass „die nicht gravitative Beschleunigung [des Kometen] die technologische Signatur eines internen Motors sein“ könnte.
Die Wissenschaftler haben es gleichzeitig für möglich gehalten, dass das Objekt im Sonnenperihel heimlich ein Manöver durchführt, um das interstellare Raumschiff abzubremsen. Dabei hätte es Kurs auf die Erde nehmen und laut den Wissenschaftlern Ende November/Anfang Dezember 2025 bei der Erde ankommen können.
Bis jetzt hat sich diese Möglichkeit aber nicht bestätigt. Ebenso gibt es keine soliden Beweise, die die Alientheorie stützen. Viele Experten sind hingegen überzeugt, dass sich das Objekt genauso verhält wie ein Komet.
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Letztlich könnten uns die vielen Anomalien von 3I/ATLAS auch aufzeigen, wie wenig wir wissen. Solange es keine eindeutigen Beweise gibt, sollte ein Wissenschaftler alle Möglichkeiten offenhalten, so Loeb. „Es ist eine schlechte berufliche Praxis für theoretische Astrophysiker, zu dem Schluss zu kommen, dass die Daten falsch sein müssen, nur weil sie keine theoretische Erklärung dafür haben.“
NASA und ESA gehen jedoch davon aus, dass es sich um einen mehr oder weniger normalen Kometen handelt, der seine vorausberechnete Bahn hält. Der Erde am nächsten wird 3I/ATLAS am 19. Dezember 2025 sein. Die Entfernung zu uns beträgt dann rund 270 Millionen Kilometer.
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