Gletschersturz auf Blatten: Nach Fels- und Eismassen droht in der Schweiz Flutwelle

Im Schweizer Lötschental droht nach dem Gletscherabbruch nun eine Flutwelle. Das Flüsschen Lonza ist durch die meterhohen Fels- und Eismassen, die am 28. Mai von Berg stürzten, wie durch einen meterhohen Damm gestaut. Die wenigen Häuser, die im Dorf Blatten nicht verschüttet wurden, sind bereits überflutet.
Der Großteil eines Gletschers oberhalb des Dorfes war abgebrochen und hatte gestern zusammen mit gewaltigen Geröllmassen die evakuierte Siedlung erreicht. Menschen sind nach Einschätzung der Experten nicht zu Schaden gekommen.
Der Geologe Flavio Anselmetti von der Universität Bern beschreibt die Kettenreaktion, die im schlimmsten Fall nun droht. Die Fels- und Eismassen hätten sich zu einem sehr hohen Damm aufgetürmt, und dahinter staue sich die Lonza. Die Dörfer dahinter befürchten eine Fluwelle.
🔴 Toujours à #Blatten [CH] en #Suisse , de très grandes quantités d’eau s’accumulent derrière les millions de mètres cubes de „roche“ ⚠️ Les villages en contrebas craignent un raz-de-marée imminent… (via ©Pomona) pic.twitter.com/HlEKVuf62k
— Météo Franc-Comtoise (@MeteoFrComtoise) May 28, 2025
„Das Schlimmste wäre, dass sich Wasser aufstaut bis zur Krone des Bergsturzdammes“, sagte Anselmetti dem Schweizer Radiosender SRF. Der Fluss könne sich dann in das Gestein-Eis-Gemisch einschneiden.
Weitere Einwohner in Sicherheit gebracht
Auf Drohnenbildern ist das fast ganz unter einer meterhohen Schuttschicht begrabene Dorf Blatten kaum mehr zu sehen.
„Was drohen könnte, wäre, dass der Damm durch dieses Einschneiden instabil wird, dass Teile dieses Dammes mitgerissen werden, dass er kollabiert und dann könnten sehr starke Flutwellen oder Murgänge von diesem Seeausbruch für die Gemeinden, die im unteren Tal liegen, drohen.“
Die Behörden haben vorsichtshalber bereits Einwohner der Gemeinden Wiler und Kippel, die in Flussnähe leben, in Sicherheit gebracht. Es handelt sich um 16 Personen. Das Gestein- und Eisgemisch liegt meterhoch auf einer Länge von zwei Kilometern und einer Breite von 200 Metern.
Ein Stausee wurde vorsorglich geleert, um im Fall einer Überflutung Platz für das Wasser zu schaffen. Die Schweizer Armee halte sich bereit und stelle Hilfsmaterialien zur Verfügung. Mit Drohnen und Hubschrauberüberflügen wird die Lage stündlich beurteilt.

Eine große Lawine erreicht den Talboden in Wiler, nachdem der Birchgletscher oberhalb von Blatten, Schweiz, abgebrochen ist. Foto: Jean-Christophe Bott/KEYSTONE/dpa
Einwohner unter Schock
Die rund 300 Einwohner des Dorfes Blatten haben alles verloren. 90 Prozent des Dorfes, rund 130 Häuser sowie die Kirche, sind unter der Schuttschicht begraben. Sie sei zwischen 50 und 200 Metern dick, sagte Naturgefahrenchef Raphaël Mayoraz bei einer Medienkonferenz. Der Kegel ist zwei Kilometer lang und rund 200 Meter breit.
Insgesamt donnerten nach Schätzungen drei Millionen Kubikmeter Fels, Geröll und Eis des Birchgletschers ins Tal. Blatten ist das letzte Dorf im 27 Kilometer langen Lötschental. Es liegt auf rund 1500 Metern.

Als die Welt noch in Ordnung war: Blatten vor dem gigantischen Gletscherabbruch. Foto: Jean-Christophe Bott/KEYSTONE/dpa
Die gute Schweizer Überwachung der Gebirge hatte schon Mitte Mai zu Warnungen geführt, dass oberhalb des Dorfes ein Bergsturz droht. Als die Spalten im Fels schnell wuchsen, kam am 19. Mai doch recht plötzlich der Aufruf, das Dorf innerhalb einer Stunde zu verlassen. Viele haben in Kürze das Nötigste zusammengepackt und sind abgefahren.
Über Tage bröckelte der Fels, Brocken donnerten ins Tal – aber nichts davon erreichte Blatten. Bei der Evakuierung machten viele deutlich, dass sie die Vorsichtsmaßnahmen zwar schätzten, aber dennoch damit rechneten, dass das Dorf glimpflich davonkommt – wie bei ähnlichen Lagen in anderen Bergregionen.
Das schlimmste Szenario ist eingetroffen
Im Lötschental ist jedoch das schlimmste erdenkliche Szenario Wirklichkeit geworden. Der Abgeordnete Beat Rieder aus dem Nachbarweiler Wiler sprach im Fernsehen von einer Jahrhundertkatastrophe.
„Es ist ein Ereignis, das das Tal seit Beginn der Geschichtsschreibung nie erlebt hat“, sagte er im Schweizer Fernsehen. „Die Leute haben alles verloren, was man sein ganzes Leben aufgebaut hat“, sagte er.
Man blickt auf den Bildschirm und kann nichts machen, das ist ein schwerer Schock.“
Seit die Eis- und Gerölllawine am Mittwochnachmittag mit gigantischem Getöse und einer Staubwolke wie nach einer Explosion ins Tal donnerte und Blatten unter sich vergrub, werden die Bewohner abgeschirmt und betreut.

Nach dem Gletscherabsturz droht im Lötschental eine Flutwelle. Foto: Jean-Christophe Bott/KEYSTONE/dpa
Gemeinderatsmitglieder zeigen sich vor der Presse fassungslos. Ein 64-jähriger Einheimischer war trotz Räumung am Mittwoch im Gefahrengebiet unterwegs und wird noch vermisst.
Bischof will Trost spenden
Der Bischof von Sitten, Jean-Marie Lovey, bemühte Worte des Propheten Jesaja, um den Menschen Trost zu spenden: „Die Berge mögen weichen und die Hügel wanken, aber meine Liebe zu dir wird nicht weichen und mein Friedensbund mit dir wird nicht wanken (Jes 54,10)“, zitierte er.
Das Lötschental ist auch ein Urlauberparadies, im Sommer mit Wander- und Kletterrouten sowie Bergseen und viel unberührter Natur und mit Blick teils auf 40 Viertausendergipfel, im Winter mit kilometerlangen Skipisten. Es war bis zur Eröffnung des Lötschbergtunnels 1913 und dem Bau einer Straße in den 1950er Jahren nur schwer erreichbar. (dpa/red)
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