Frankfurt im Blick: Polizei überwacht mit KI-Software das Bahnhofsviertel

In Kürze:
- Pilotprojekt für KI: 50 Kameras im Frankfurter Bahnhofsviertel mit Künstlicher Intelligenz im Test
- Eigenentwicklung und Palantir: Polizei nutzt eigene Software für das Projekt, Hessen setzt seit 2017 Palantir ein
- Widerstand: Klage von Bürgerrechtsgruppen, Vorwurf der Grundrechtseinschränkungen
Frankfurt am Main ist die erste und bislang einzige deutsche Stadt, die KI-Überwachungstechnologien im öffentlichen Raum erprobt. Möglich wurde die KI-gestützte Überwachung durch eine Novelle des hessischen Polizeirechts im Februar, mit der erstmals ein Bundesland eine gesetzliche Grundlage für den Einsatz von KI-gestützter Überwachung geschaffen hatte.
50 Kameras am Frankfurter Bahnhof
Seit 10. Juli wird eine Software mit Künstlicher Intelligenz für die Auswertung von Überwachungsvideos probeweise im Frankfurter Bahnhofsviertel eingesetzt. Innenminister Roman Poseck (CDU) sagte laut „hessenschau“ bei der Vorstellung des Projektes in Frankfurt am Main, dass die Polizei jetzt Fotos hochladen und die KI suchen lassen kann. Wenn die KI eine Ähnlichkeit zwischen dem Bild und einer Person auf einer der Kameras erkennt, meldet sie einen Treffer. Die Polizisten beurteilen den Fall und können gegebenenfalls eine Streife losschicken.
Der Minister betonte, dass die KI derzeit nur eingesetzt werde bei der Suche nach Vermissten oder terroristischen Gefährdern. Für jede Suche muss ein richterlicher Beschluss vorliegen, so Poseck, und es gebe zudem einen räumlich eingeschränkten Rahmen: 50 Kameras, die ausschließlich im Bahnhofsviertel der Mainmetropole eingesetzt werden.

Reisende im Frankfurter Hauptbahnhof. (Archiv) Foto: Andreas Arnold/dpa
Eigenentwicklung statt Palantir
Die eingesetzte Software soll, so berichtete „dpa“, bereits im März von internen Entwicklerteams der hessischen Polizei entwickelt worden sein, insbesondere vom INNOVATION HUB 110 des Hessischen Polizeipräsidiums für Technik, deren Vizepräsident Bodo Koch mitteilte, dass bislang 700.000 Euro in die Software investiert worden sind.
Innenminister Poseck betonte, dass für die KI-gestützte Überwachung weder Software des umstrittenen US-Unternehmens Palantir Technologies genutzt werde noch würden die Bilder mit der Analyseplattform hessenDATA verknüpft. Obwohl in Hessen bereits Palantir-basierte Systeme zum Einsatz kommen, nutzt das Frankfurter Pilotprojekt im Bahnhofsviertel also ausdrücklich nicht Palantir-Software, sondern eine eigenständige Entwicklung.
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Der amerikanische Superspion
Das KI-Analysetool Gotham von Palantir wurde auf die Verhältnisse in Hessen angepasst und trägt dort die Bezeichnung hessenDATA. Diese Software verknüpft unterschiedliche polizeiliche Datenbanken, um Zusammenhänge zwischen Personen, Orten und Ereignissen, Finanzaktionen und Kommunikationsdaten sichtbar zu machen.
Dabei hilft eine KI-gestützte Mustererkennung, Auffälligkeiten und verborgene Zusammenhänge zu identifizieren, und leitet Prognosen ab – das ermöglicht sogenanntes „Predictive Policing“, also die Vorhersage von Verbrechen, um sie verhindern zu können, fast so wie im Science-Fiction-Film „Minority-Report“.
Im Mai 2025 berichtete „hessenschau“, dass Hessen offenbar noch keine gleichwertige europäische Alternative zur US-Software gefunden habe.

Polizei am Frankfurter Hauptbahnhof (Archiv). Foto: Andreas Arnold/dpa
Widerstand gegen Überwachung
Hessen hatte bereits 2017 begonnen, die Palantir-Software einzusetzen. Seitdem ist das Thema zum Politikum geworden: Bürgerrechtsorganisationen wie die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) zweifelten an der Verfassungsmäßigkeit der Software und klagten.
Im Februar 2023 erklärte das Bundesverfassungsgericht die damalige gesetzliche Grundlage für HessenDATA teilweise für verfassungswidrig, weil sie automatisierte Analysen ohne klare Eingriffsschwelle erlaubte und damit das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzte. Zwar erlaubte Karlsruhe den Fortbetrieb, forderte aber schärfere Regeln. Hessen änderte das Gesetz, doch die GFF hält auch die Neufassung für unzureichend und reichte erneut Verfassungsbeschwerde ein.
Auch in Frankfurt am Main selbst sind die Kameras mit KI-Unterstützung auf juristischen und gesellschaftlichen Widerstand gestoßen, auch im Frankfurter Bahnhofsviertel selbst, das seit Jahren als Brennpunkt von Drogenhandel und Gewalt gilt. Die Beratungsstelle Doña Carmen e. V., die sich im Bahnhofsviertel für Prostituierte einsetzt, hat beim hessischen Datenschutzbeauftragten Beschwerde eingelegt: Die biometrische Echtzeitidentifizierung zerstöre das Vertrauensverhältnis zu ihren Klientinnen und greife unverhältnismäßig in deren Rechte ein.
Auch das Hausprojekt NiKa hat Klage beim Verwaltungsgericht Frankfurt eingereicht, weil seine Eingänge permanent gefilmt werden und die Bewohner sich einem „Versuchslabor“ der Überwachung ausgesetzt sehen.
Bald flächendeckender Einsatz – nicht nur in Hessen?
Ungeachtet solcher Widerstände geht Innenminister Poseck davon aus, dass Videoüberwachung mit Künstlicher Intelligenz in seinem Bundesland in wenigen Jahren flächendeckend zum Einsatz kommt, wie er es dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ im April mitteilte. Er empfiehlt das auch dem Rest Deutschlands.
Erst vor einer Woche, am 21. August, hatte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) in der Debatte um eine polizeiliche Nutzung der umstrittenen Analysesoftware von Palantir in Deutschland geäußert, keine Bedenken zu haben. Er könne „die Aufregung um diese Software nicht nachvollziehen“, sagte Dobrindt dem Magazin „Stern“. Er hätte kein Störgefühl gegenüber einer Software, nur weil sie vom Anbieter Palantir komme, betonte der Minister, der aktuell den bundesweiten Einsatz von Palantir prüfen lässt.
Sowohl das neue Bundespolizeigesetz als auch das Bundeskriminalamtsgesetz befänden sich bereits in der Ressortabstimmung und sollten in Kürze dem Kabinett vorgelegt werden, sagte Dobrindt. Die SPD-Fraktion hingegen hat einem bundesweiten Einsatz von Analysesoftware von Palantir bei der deutschen Polizei eine Absage erteilt.
Software von Palantir wird bereits von drei Bundesländern eingesetzt: Hessen, Nordrhein-Westfalen und Bayern. In Baden-Württemberg ist dies geplant. Epoch Times berichtete.
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Tech-Milliardär Peter Thiel hat den heutigen US-Vizepräsidenten JD Vance im Senatswahlkampf unterstützt und 2016 für die Wahl von Donald Trump geworben. Foto: Carolyn Kaster/AP/dpa
Blackbox Palantir
Palantir, das vom Tech-Milliardär Peter Thiel mitbegründet wurde, hat sich international einen Namen gemacht, unter anderem durch Aufträge für US-Geheimdienste, das Pentagon und die israelische Armee. In Konfliktgebieten wie Gaza oder auch in der Ukraine wird die Palantir-Software eingesetzt, um Angriffsziele zu identifizieren. In Afghanistan und im Irak wurde die Software bei der Echtzeitanalyse von Gefechts- und Geheimdaten verwendet. Palantir gilt in den USA als eine Art „Geheimwaffe“ gegen organisierte Kriminalität, schreibt „Inside Digital“.
Der Einsatz von Palantir-Software steht hierzulande nicht nur wegen möglicher Grundrechtsverstöße in der Kritik, sondern auch wegen der Frage, ob ein privates US-Unternehmen mit Verbindungen zu US-Geheimdiensten die Kontrolle über sicherheitsrelevante Bereiche in Deutschland behalten sollte. So wird gegen den Einsatz von Palantir argumentiert, dass das Spionagewerkzeug nicht nur das Potenzial zur illegalen Massenüberwachung habe, sondern auch die Gefahr berge, dass Deutschland den Interessen der aktuellen US-Regierung ausgesetzt werde und sie als „Trump-Datenkrake“ genutzt werden könne.
Der Chaos Computer Club warnt davor, „dass sensible Daten an US-Geheimdienste abfließen – denn wie die Software genau funktioniert, ist völlig intransparent“. Außerdem könnten mittels der Verknüpfungen durch die Software „Millionen Menschen […] ins Visier der Ermittlungsbehörden geraten. Ein drastischer Eingriff in die Privatsphäre.“
Bundesinnenminister Dobrindt betonte hingegen, es gehe darum, „dass wir Verbrechen aufklären und weitere verhindern können“. Gutachten des Fraunhofer-Instituts hätten zudem den Vorwurf widerlegt, dass es durch eine Nutzung der Software zu Datenabflüssen in die USA kommen könne.

Der weltweite Hauptsitz von Palantir Technologies in Denver, Colorado, am 30. September 2020. Foto: Jason Connolly / AFP via Getty Images
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(Mit Material der Nachrichtenagenturen)
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