Antiker Mythos: Bringt die Ur-Sünde unsere moderne Gesellschaft zu Fall?

In Kürze:
- In einem griechischen Mythos stirbt der Krieger Capaneus durch den Blitz des Zeus, nachdem er den Göttervater verhöhnt hatte.
- Wegen seiner Arroganz wählte ihn Dante hunderte Jahre später in seinem Werk „Inferno“ als einen der Verdammten und stellvertretend für die Sünde der Gotteslästerung aus.
- Ein Blick in die moderne Gesellschaft zeigt, dass übermäßiger Stolz – die griechische Ur-Sünde – noch heute zahlreich auf der Welt vorhanden ist.
- Mit seinem Handeln entscheidet jeder Mensch selbst, welchen Weg er wählt: den der Einsicht oder den des Untergangs.
Was hat die Geschichte des großen antiken Kriegers Capaneus mit der heutigen Technologie zu tun? Oder mit dem Mythos von Frankenstein und der damit verbundenen griechischen Geschichte von Prometheus?
Sie alle warnen uns vor den Gefahren des technologischen Zeitalters, in dem wir leben. Zum einen scheint das Ausmaß der Monster, die wir Menschen „erschaffen“ können, grenzenlos, zum anderen könnte diese Technologie außer Kontrolle geraten.
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Auch der weit weniger bekannte griechische Mythos von Capaneus, einer der „Sieben gegen Theben“, beschreibt unsere heutige Situation eindringlich.
Wer ist Capaneus?
Er war einer der sieben großen Krieger, die Theben plünderten, um Polynices gegen seinen Bruder Eteocles zu unterstützen. Die Krieger wollten Polynices wieder zum König machen, wie der römische Dichter Statius in seinem Epos „Thebaid“ berichtet. Alle Helden bis auf einen wurden bei dem Versuch, Theben einzunehmen, getötet, und der Versuch selbst schlug fehl.
Capaneus war bekannt für seine gigantische Größe und Kraft, aber auch für seine erstaunliche Arroganz. Dieser Charakterzug war so auffällig, dass Dante Alighieri (1265–1321), lange nach dem Untergang der Römer und Griechen, Capaneus als einen der Verdammten in seinem Werk „Inferno“ aufführte.
Der griechische Krieger steht hier stellvertretend für eine bestimmte Sünde – die Gotteslästerung, auch Blasphemie genannt. Das ist zunächst überraschend, denn man könnte meinen, dass Dante genauso gut ein Beispiel aus dem damals aufsteigenden Christentum hätte finden können, um diese Übertretung zu veranschaulichen. Aber nein: Capaneus ist das Vorbild.
Doch was genau hat Capaneus getan?

Das Gemälde zeigt Capaneus, den Anführer der Sieben gegen Theben. Foto: Gemeinfrei
Herausforderer des Himmels
Im Epos „Thebaid“ wird der Charakterzug von Capaneus sehr deutlich, als dieser die Mauern von Theben stürmt und die Stadt plündern will. So ruft der Krieger: „Gibt es unter euch keine Götter, die sich für das panische Theben einsetzen?“
„Wo sind die faulen Söhne dieses verfluchten Landes […]? Ich schäme mich, jemanden mit weniger bedeutendem Namen herauszufordern. Komm lieber du – wer könnte ein würdigerer Gegner sein? […] Komm du und kämpfe mit all deinen Flammen gegen mich, Zeus! Oder bist du mutiger darin, ängstliche Jungfrauen mit deinem Donner zu erschrecken […]?“
Capaneus’ letzte Worte offenbaren deutlich, dass er Zeus verspottet: „Ich fordere dich heraus, Zeus, denn nicht einmal du kannst mich jetzt noch aufhalten!“ Doch die Antwort von Zeus auf diese Herausforderung ist direkt und unmittelbar. Der Mythos endet mit den Worten:
„Noch während er sprach, traf ihn der Blitz, geschleudert mit der ganzen Macht von Zeus. Zuerst verschwand sein Helm in den Wolken, dann tropfte der geschwärzte Schildknauf, und nun leuchten alle Glieder des Helden. Beide Heere weichen zurück, voller Schrecken darüber, wo er fallen und welche Truppen er mit seinem brennenden Körper treffen könnte. Er spürt, wie die Flammen in ihm zischen und sein Helm und sein Haar in Flammen stehen, und als er versucht, die drückende Rüstung mit der Hand wegzuschieben, berührt er den versengten Stahl unter seiner Brust […].“

Diese griechische Vase zeigt den Eroberungsversuch von Theben durch Capaneus. Foto: Wolfgang Sauber, Wikimedia Commons | CC BY-SA 3.0
Diese Passage lässt die Wut des Gottes spüren – „Helm und Haare in Flammen“ und der „versengte Stahl“ – und auch die Wirkung des Geschehenen auf alle Umstehenden – beide Armeen weichen „vor Schreck“ zurück.
Was haben Capaneus und sein Tod mit uns heute zu tun? Ist der Krieger nicht lediglich ein egoistischer, fehlgeleiteter Mensch, der seine gerechte Strafe erhalten hat? Nein, und genau deshalb hat Dante ihn als Vorbild in sein „Inferno“ aufgenommen.
Übermäßiger Stolz: Die Sünde aller Sünden
Neben der Blasphemie, die Dante als Sünde anführt, gibt es in dem Mythos jedoch eine weitere, noch heute gut bekannte Grundsünde: die Hybris. Sie war für die alten Griechen die ultimative Sünde und ist im Christlichen mit der Ur-Sünde vergleichbar, die Satan aus dem Himmel stürzte.

Zeichnung von Satans Sturz aus dem Himmel von Gustave Doré, 1866. Foto: Gemeinfrei
In der griechischen Tragödie wird die Hybris als übermäßiger Stolz – oft gegenüber den Göttern oder als Trotz gegenüber den Göttern – definiert. In der griechischen Mythologie und Geschichte gibt es viele Beispiele für diesen Stolz gegenüber den Göttern. Um nur drei Berühmte zu nennen:
- Marsyas prahlte, er könne den Gott der Musik, Apollo, übertreffen.
- Arachne prahlte, sie könne besser weben als die Göttin Athene.
- Der persische König Xerxes bestrafte das Meer und damit Poseidon durch Auspeitschen, weil seine Seebrücke zerstört wurde.
Letztlich führt Hybris zur Nemesis, was im Alltag als gerechte Strafe beschrieben werden kann. Dieses Schicksal ist nicht überraschend, da sich der Einzelne der Natur und damit der Realität widersetzt oder sich ihr entgegenstellt. Er hat sich dem Kosmos und seinen inneren Gesetzen – also dem, was ihn zusammenhält – widersetzt, und dafür gibt es Konsequenzen. Wie die russisch-amerikanische Schriftstellerin Ayn Rand sagte:
„Wir können die Realität ignorieren, aber wir können die Konsequenzen des Ignorierens der Realität nicht ignorieren.“
Heute leben wir in einer Welt voller Hybris. Wir prahlen, dass wir mithilfe von Technologie die Natur und die Realität verändern können, etwa indem wir den Tod verhindern. Aber die Hybris geht noch weiter.
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Viele Capaneus’ weltweit
Ebendieser übermäßige Stolz, wie ihn Capaneus an den Tag legte, ist heute weltweit vertreten. Täglich begegnen wir der Hybris von Sportmannschaften, Stars und insbesondere Weltführern und Politikern.
Dies zeigt sich vor allem durch Drohungen – etwa den Einsatz zerstörerischer Technologie wie Atomwaffen. Etwaige Folgen für Mensch, Tier und Erde geraten dabei oft in Vergessenheit oder werden ignoriert. Die mögliche Folge: Alles Leben wird zerstört – selbst das des Drohenden. Und da treffen wir wieder auf Capaneus den Stolzen: Er stellt sich gegen den Kosmos, gegen das Gesetz, gegen die Ordnung, gegen die Schöpfung, um seiner Selbstherrlichkeit zu frönen.
Interessanterweise stirbt Capaneus’ Sünde nicht mit ihm. In Canto 14 erfahren wir, dass der „Mächtige vom Brennen unbeeindruckt zu sein scheint“. Er gibt vor, vom Urteil des Zeus unberührt zu sein: „Was ich einst war, als ich lebte, bin ich auch jetzt noch, tot.“

Zeichnung von Capaneus in Dantes „Inferno“. Foto: Gemeinfrei
Vergleichen wir den Mythos Capaneus mit der Geschichte Frankensteins, treffen wir auf Ironie. So wird in Frankenstein die Technologie genutzt, um Leben mittels Elektrizität zu erschaffen. Im Gegensatz dazu wird das Leben von Capaneus von einem Blitz, also von Elektrizität – der Berührung des Gottes – beendet.
Und die Moral von der Geschicht’? Wenn wir diese enormen Kräfte nutzen und glauben, dass wir die Ergebnisse kontrollieren können – und damit dem Kosmos und den Göttern trotzen –, können wir uns nur selbst ins Unglück stürzen.
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „Myths for Our Times, Part 2: Capaneus and the Age of Hubris“. (redaktionelle Bearbeitung kms)
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