Ein ehemaliges Mitglied der chinesischen Sicherheitskräfte befindet sich zurzeit in der Schweiz in einem schwebenden Einwanderungsverfahren und ist in Gefahr, nach China deportiert zu werden. Er besitzt äußerst brisante Informationen über die Praxis des Staates bei der Organbeschaffung von Gefangenen. Während die Schweizer Behörden versuchen, die schwer verständlichen und starren Gesetze der europäischen Union anzuwenden, erklären Rechtsanwälte, dass der Zeuge wertvolle Informationen besitzt und ihm Asyl und eine Anhörung bei den Vereinten Nationen gewährt werden solle. Der uigurische Nijiati Abudureyimu war von 1993 – 1998 im Gefängnis von Liuwandao in der chinesischen nordwestlichen Provinz Xinjiang stationiert. Er musste die Gefangenen aus ihren Zellen zur Exekution führen. Aber oft handelte es sich dabei nicht um normale Exekutionen. Die Polizei gab Kopfschüsse auf die Gefangenen ab, die sie nicht töteten, so dass dem Körper Organe in bestem Zustand entnommen werden konnten. Die Geschichte von Nijiati Abudereyimu über seine Zeit in chinesischen Arbeitslagern ist noch nicht vollständig veröffentlicht worden. Im Laufe der letzten Woche jedoch erhielt er die Erlaubnis für Interviews mit europäischen Medien. Man bemühte sich, seinen Verbleib in der Schweiz zu sichern und ihm zu erlauben, vor den Vereinten Nationen zu bezeugen, was er in China erlebt hatte. „Nach einer gewissen Zeit sagte ich zu meinem Vorgesetzten, dass ich zur Polizei zurück wollte, aber er lehnte es ab, weil ich zu viel gesehen hatte. Ich musste fünf Jahre lang bis 1998 bleiben“, erklärte er in einem Interview mit „Le Matin“. „Ich habe viele Folterszenen mit angesehen …. Elekroschocker in den Genitalien von Frauen, tief in die Vagina eingeführt ... die Elektroschocks, die Schreie.“ Die Angelegenheit wird erschwert, weil die Schweizer Behörden darauf bestehen, das Dubliner Abkommen der Europäischen Union anzuwenden. Dieses besagt, dass das Eintrittsland der EU die gesetzliche Verantwortung für die Bewertung des Antrags des Asylbewerbers trägt. Im Fall des Nijiati Abudureyimu ist es Italien. Weil sich aber dort hunderttausende chinesischer Immigranten befinden und der Verdacht besteht, dass chinesische Agenten dort auf ihn warten, weigert er sich, nach Italien zurückzukehren. Seine Aufenthaltsgenehmigung durch die Schweizer Regierung war am 27. Juli abgelaufen. Da er sich weigert, freiwillig zurückzukehren, ist eine aussichtslose Situation entstanden. Rechtsanwälte sagen, dass die strenge Anwendung des Dubliner Abkommens in seinem Fall befremdend ist, weil viele Anträge chinesischer Flüchtlinge von der Schweizer Regierung angenommen wurden. Flucht aus China Die Odyssee des Nijiati Abudureyimu begann in China. Nachdem er seinen Job als Exekutionshelfer in Xinjiang aufgegeben hatte, begann für ihn eine Zeit von Wodkarausch und Albträumen. Ende 2006 teilte er, während er betrunken war, einem Arzt den richtigen Betrag für eine Niere mit. „Ich habe zu viel gesagt. Nur wenig später erklärte mir ein Freund der Polizei, dass ich erledigt sei und das Land sofort verlassen müsse“, berichtete er der Schweizer Tageszeitung „Le Matin“. Im Jahre 2007 verbrachte er mit seinem Bruder drei Monate in Dubai. Ständige Befragungen durch einen chinesischen Polizeioffizier legten die Vermutung nahe, dass seine Tarnung aufgedeckt worden war und darum beschloss er, nach Norwegen zu gehen. Als er in einer Nacht im September 2008 durch Rom kam, erhielt er auf seinem Weg nach Oslo ein Besuchsvisum. In Norwegen wurde sein Antrag auf einen Flüchtlingsstatus abgelehnt und ein Chinese bedrohte ihn in einem norwegischen Camp für Asylbewerber. Ungefähr zur gleichen Zeit erhielt er die Nachricht, dass sein Vater in Xinjiang unter mysteriösen Umständen gestorben sei. Nachdem er von Norwegen nach Italien zurückgeschickt worden war, stellte er einen erneuten Asylantrag. Während der Bearbeitung seines Antrags verbrachte er einige Monate in italienischen Lagern für Asylsuchende. In Sizilien fotografierte ihn ein Chinese mit seinem Handy und er merkte, dass er wieder in Gefahr war. Er beschloss, noch einen Versuch zu wagen. Das Migrationsamt in der Schweiz ist sich der besonderen Umstände in Abudureyimus Fall bewusst, kümmert sich jedoch nicht gerade um sein Wohlergehen. Alard du Bois-Reymond, Leiter des Amtes, verteidigte die offizielle Haltung in den Schweizer Medien. „Die Erfahrung hat gezeigt, dass Italien nicht reagiert, wenn die Schweiz darum bittet, einen Flüchtling wieder aufzunehmen. Wenn er in der Schweiz kein Asylrecht erhält, wird er wohl nach China zurückgeschickt werden.“ Das bereitet den Ermittlern und Menschenrechtsanwälten große Sorgen. Sie sind verwirrt über die Unwilligkeit des Schweizer Staates, im Falle des Nijiati Abuduremiyu etwas zu unternehmen.