Der Glaube, der sie durch die „Hölle“ trug (Teil 1)

Dies ist die tragische Geschichte einer ganz gewöhnlichen Falun-Gong-Familie in China, eine Geschichte, wie sie millionenfach ähnlich erzählt werden könnte. Die Protagonistin schildert die alltägliche Verfolgung durch das kommunistische Regime anhand dreier Generationen ihrer Familie.
Titelbild
Gong Xiaoyan (l.) und ihre Mutter Sun Dongxia am 31. August 2025. Sie entkamen der Verfolgung in China und bauten sich in Otisville bei New York ein neues Leben auf.Foto: Petr Svab/The Epoch Times
Von 21. September 2025

Das Telefon klingelte. Es war ein kalter Morgen in Binzhou, direkt an der Bohai-Bucht in Nordostchina, der 27. Januar 2006, zwei Tage vor dem Mondneujahr. Eigentlich war es die Zeit, in der Familien zusammenkamen. Aber Qi Guanmei konnte nicht damit rechnen, dass ihre Tochter sie besuchen würde, für lange Zeit nicht.

Sie hob den Hörer ab und vernahm eine vertraute Stimme: „Mama.“ Dann hörte sie nur noch Weinen am anderen Ende der Leitung. Auch der alten Dame strömten die Tränen über das Gesicht, als sie das Schluchzen im Hörer vernahm. Sie konnten beide nicht mehr sprechen, nur noch weinen.

Es war das erste Mal seit Monaten, dass die alte Frau Qi die Stimme ihrer Tochter hörte, und es sollte auch das letzte Mal sein.

Sie konnte den Schmerz nicht länger ertragen und brach im Flur zusammen: ein Schlaganfall, der zweite bereits. Kurz darauf war sie tot.

Währenddessen saß ihre Tochter Sun Dongxia unschuldig im Gefängnis. Sie war keine Kriminelle. Doch es gab keine Gerechtigkeit, nur Leiden.

Vier Monate zuvor war sie von einem Gericht zu fünf Jahren Haft verurteilt worden, da Literatur über Falun Gong – jene Glaubensgemeinschaft, die von der Kommunistischen Partei Chinas seit 1999 brutal verfolgt wird – bei ihr gefunden worden war.

Fast 20 Jahre später erzählt Gong Xiaoyan der Epoch Times ihre Familiengeschichte – eine jahrzehntelange Tragödie der Verfolgung. Sie ist die Enkelin von Qi Guanmei und Tochter von Sun Dongxia. Seit einigen Jahren lebt sie mit ihrer Mutter in Freiheit in den USA, im Bundesstaat New York. Doch bis dahin war es ein langer Weg.

Wir wollten doch nur ein gutes Leben

Gong Xiaoyan wuchs in privilegierten Verhältnissen innerhalb des KPCh-Systems heran. Sie legt Wert darauf, zu betonen, dass sie sich damals der Art und Weise des Regimes, unter dem sie lebten, überhaupt nicht bewusst waren. „Wir dachten, die Regierung sei gut“, sagt sie. „Wir liebten unser Land und wir liebten die Partei. Denn so wurden wir von klein auf erzogen.“

Ihre Mutter arbeitete in der Propagandaabteilung eines staatlichen Unternehmens, ein Job mit guter Bezahlung und sehr wenig Arbeit, erklärt Gong.

Ihr Vater war Oberst in der Volksbefreiungsarmee. Von einem Militäroffizier seines Ranges wäre erwartet worden, dass er beträchtlichen Reichtum anhäuft, indem er seinen Einfluss gegen Geld und Gefälligkeiten eintauscht. Das war nicht nur üblich, so Gong, es war die Norm. Ihr Vater tat dies jedoch nie, seit er und Sun Mitte der 1990er-Jahre mit dem Praktizieren von Falun Gong begonnen hatten.

Die spirituelle Praxis wurde 1992 von Li Hongzhi erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt und verbreitete sich rasch in ganz China. Sie vereint ruhige, meditative Übungen mit einer Lehre, die auf den universellen Werten Wahrhaftigkeit, Güte und Nachsicht beruht. Menschen, die Falun Gong – oder auch Falun Dafa genannt – praktizieren, berichteten häufig von einer Verbesserung ihrer geistigen und körperlichen Gesundheit und ihrer Moral.

„Wir waren nicht reich“, sagt Gong, „aber wir hatten genug Geld, um ein gutes Leben zu führen.“

1990er-Jahre, China: Kinder üben die Falun-Gong-Meditation. Foto: Minghui/Falun-Dafa-Informationszentrum

Gong erinnert sich noch an einen denkwürdigen Besuch ihrer Großmutter. Es war 1995, als sie die Familie in ihrem Haus in Qingdao besuchte, rund 320 Kilometer von Binzhou entfernt. Sie hatte ein Falun-Gong-Buch mitgebracht.

Gong Xiaoyan erklärt: Obwohl sie Mitglieder der KPCh und damit offiziell Atheisten gewesen seien, hätten sie die Spiritualität von Falun Gong äußerst faszinierend gefunden. Ihre beiden Eltern lasen das Buch an einem Tag durch. „Sie waren total aufgeregt.“

Eines Abends habe ihre Mutter ihren Vater dann gefragt: „Hast du dieses Buch gelesen?“

„Er sagte: ‚Ja.‘ Sie fragte: ‚Glaubst du, was in dem Buch steht? Glaubst du, dass es wahr ist?‘ Und mein Vater antwortete: ‚Ja, es ist wahr‘“, erinnert sich Gong.

Im Park in der Nähe ihres Hauses entstanden nach und nach fünf Falun-Gong-Übungsgruppen und viele weitere in anderen Parks. Gong Xiaoyan war damals zehn Jahre alt und ging fast jeden Morgen mit ihrer Mutter dorthin. Während Sun Dongxia die Übungen machte, spielte sie. Doch eines Tages fragte sie ihre Mutter, ob auch Kinder praktizieren dürften. Seitdem praktiziert sie Falun Gong.

Eiskalt: Der Wind dreht sich

Bis April 1999, sie war mittlerweile eine Jugendliche geworden, bemerkte sie nichts Ungewöhnliches. Doch dann wurden plötzlich in der Stadt Tianjin einige Falun-Gong-Praktizierende verhaftet. Sie hatten Bedenken hinsichtlich eines negativen Medienartikels über Falun Gong geäußert.

Viele Chinesen, die die Kulturrevolution erlebt hatten, wussten, dass öffentliche Verurteilungen in den Medien ein Vorbote für politische Veränderungen waren. Sie signalisierten, dass sich das Regime gegen Falun Gong stellte. Die Verhaftungen führten jedoch zu weiteren Beschwerden. Die Behörden von Tianjin schickten die Menschen zum Petitionsbüro nach Peking. Dies war der einzige Ort, an dem chinesische Bürger – zumindest in der Theorie – Beschwerden gegen das Regime vorbringen konnten.

So reisten am 25. April 1999 rund 10.000 Falun-Gong-Praktizierende nach Peking, um zum Petitionsbüro zu gehen. Die Polizei hielt sie jedoch auf und dirigierte sie stattdessen in die Straßen um Zhongnanhai, das Regierungsviertel und Machtzentrum der KPCh.

Die Menschenmassen warteten dort ruhig und geduldig, bis der damalige Premierminister Zhu Rongji herauskam und mehrere Vertreter zu einem Gespräch einlud. Als sie wieder herauskamen, erklärten sie, die Angelegenheit sei geklärt, und alle gingen wieder nach Hause.

Gong Xiaoyans Familie hatte damals von dem Ereignis, das später als „Stiller Protest von Falun Gong“ in die Geschichte eingehen sollte, überhaupt nichts mitbekommen. Sie hörten nur, dass einige Leute verhaftet worden waren und dass sich die Situation änderte.

Dann kam der 20. Juli 1999. Ihr Vater setzte sich wie jeden Abend ins Wohnzimmer, um sich die 19-Uhr-Nachrichten anzuschauen. Normalerweise dauerte die Sendung auf „CCTV“, dem wichtigsten Propagandasender der KPCh, 30 Minuten. An diesem Abend jedoch wurde ein einstündiges Sonderprogramm gebracht. Alles drehte sich um Falun Gong.

Das Eröffnungsbild der Propagandanachrichtensendung „Xinwen Lianbo“ des chinesischen Zentralfernsehens „CCTV“. Am 20. Juli 1999 strahlte der Sender eine einstündige Sondersendung aus, in der Falun-Gong-Praktizierende als gefährlich und labil dargestellt wurden. Foto: CCTV/Screenshot über The Epoch Times

Gong erinnert sich noch genau an diesen Moment in ihrer Jugendzeit: „Es gab keine anderen Themen, keine anderen Inhalte. Ich stand die ganze Stunde vor dem Fernseher und schaute zu. Mir fiel die Kinnlade herunter. Ich habe mich nicht einmal bewegt.“

In der Sendung wurden Falun-Gong-Praktizierende als gefährliche Wahnsinnige dargestellt, die darauf aus seien, sich selbst und andere umzubringen. „Ich war damals 14 Jahre alt. Ich war sehr schockiert“, schildert sie die Situation:

„Ich wusste nicht, dass eine Regierung ihr Volk so belügen kann. Nichts, was sie in den Nachrichten sagten, war wahr. Es war völlig erfunden.“

Die Familie blieb jedoch ihrem Glauben treu. Sie beschloss, bei der Regierung von Qingdao eine Petition einzureichen.

„Viele Praktizierende sind dorthin gegangen. Sie wollten ihnen zeigen, dass Falun Gong gut ist. Es ist nicht so, wie es im Fernsehen dargestellt wird“, sagte Gong zurückblickend.

Jedoch: „Niemand wollte uns sehen oder mit uns reden.“

Einige Monate später begleitete Gong Xiaoyan ihre Mutter Sun Dongxia nach Peking zum Petitionsbüro. Weil sie die Adresse nicht kannten, gingen sie zum Tiananmen-Platz. Erst später erfuhren sie, dass es auf dem Platz von Polizisten in Zivil nur so wimmelte. Sie fragten dort jemanden nach dem Weg. Der Mann gab vor, ihnen zu helfen, und führte sie zu einem unscheinbaren Transporter. Er behauptete, dieser würde sie zum Petitionsbüro bringen. Sie stiegen ein.

Im Fahrzeug saßen bereits einige Leute, und es kamen nach ihnen noch weitere hinzu. Dann fuhr der Lieferwagen los. Er brachte sie an einen ihnen unbekannten Ort, in eine Art Büro. Dort mussten sie warten.

Nach einigen Stunden trafen Beamte aus Qingdao ein, um sie abzuholen. Am Bahnhof bestiegen alle den Zug nach Qingdao, der sich bald schon in Bewegung setzte. Das Mädchen kannte sie nicht. Sie stellten sich ihnen auch nicht vor. Sie sahen sie auch kaum an. „Sie haben uns behandelt, als wären wir psychotisch“, sagte sie.

1. Oktober 2000, Peking: Die Zivilpolizei nimmt auf dem Platz des Himmlischen Friedens einen Falun-Gong-Praktizierenden fest. Foto: Chien-Min Chung/AP Photo

Gehirnwäsche

Wie Gong Xiaoyan erklärt, sei ihre Familie von diesem Tag an konstant unter Druck gewesen. Ihre Mutter sei zur Empfangsdame degradiert worden. Regelmäßig habe sie bei ihrem Chef antanzen müssen, um sich ideologisch belehren zu lassen. Ziel sei es gewesen, sie davon zu überzeugen, das Praktizieren von Falun Gong aufzugeben.

„In erster Linie“, sagt sie, „mussten sie sicherstellen, dass du nicht nach Peking gehst. Das war das Wichtigste, denn wenn meine Mutter nach Peking gegangen wäre, hätten sie alle Geld verloren. Es betrifft also nicht nur meine Mutter oder den Vorgesetzten, sondern die ganze Firma. Sie alle würden ihre Prämien verlieren.“

Gong Xiaoyan erklärt weiter, dass allein die Tatsache, dass eine Falun-Gong-Praktizierende unter den Angestellten war, die Karriere des Vorgesetzten aufs Spiel setzte. Er würde bei Beförderungen übergangen und könnte deswegen sogar seine Stelle verlieren.

„Der Vorgesetzte und viele ihrer Kollegen waren sehr, sehr nette Menschen und sie taten viel, um ihr zu helfen. Sie versuchten, sie [meine Mutter] zu beschützen“, erinnert sich Gong. Es sei das „Büro 610“ gewesen, das sie unter Druck gesetzt habe, „sodass sie mit einem reden mussten und einem die ‚Schulung‘ geben mussten – alles, um sicherzustellen, dass man zu Hause bleibt“.

Die „Umerziehungsklassen“ des „Büro 610“

Das „Büro 610“ wurde zu Beginn der Verfolgung als eine außerhalb der Legislative stehende Gestapo-ähnliche Polizeieinheit ins Leben gerufen. Seine Aufgabe war und ist es, Falun Gong zu vernichten. Diese außerhalb der chinesischen Gesetze agierende Behörde errichtete auf jeder Ebene der Regierung Zweigstellen und durchdrang die gesamte Gesellschaft.

Inhaftierte Falun-Gong-Praktizierende werden routinemäßig Folter ausgesetzt, wie Menschenrechtsorganisationen und mehrere UN-Berichte dokumentieren. Mehrere unabhängige Untersuchungen ergaben, dass eine große, wenn auch schwer zu bestimmende Zahl von Falun-Gong-Praktizierenden getötet wurde, um Chinas Organtransplantationsindustrie anzukurbeln. Diese wuchs um das Jahr 2000 plötzlich massiv an.

Das „Büro 610“, eine Gestapo-ähnliche außergesetzliche Polizeitruppe, wurde zur Verfolgung von Falun Gong eingerichtet. Es betreibt Umerziehungszentren, in denen Falun-Gong-Praktizierende gezwungen werden, sich ständig die Propaganda der Kommunistischen Partei Chinas gegen Falun Gong anzusehen.
Auch Gong Xiaoyans Mutter wurde wiederholt in solche „Umerziehungsklassen“ geschickt, die Tage oder auch Monate dauerten. Foto: Falun Dafa Informationszentrum

Immer wieder wurde ihre Mutter in sogenannte Umerziehungsklassen geschickt, eine Form der außergesetzlichen Inhaftierung, die in den frühen Jahren der Verfolgung üblich war. Es gab keine Anklage, keine Papiere und keinen festgesetzten Entlassungstag. Sun wurde an einen unbekannten Ort verschleppt, der meist als irgendein unbedeutendes Regierungsbüro getarnt war.

Dort war sie intensivem psychologischem Druck ausgesetzt und musste sich mit anderen Praktizierenden ihrer „Klasse“ den ganzen Tag lang Anti-Falun-Gong-Propaganda ansehen. Die Inhaftierung konnte Tage oder sogar Monate dauern, ohne dass Besuche oder auch nur Telefonate erlaubt waren.

Gong erklärt: „Sie können sie dort so lange behalten, wie sie wollen.“

=>Fortsetzung in Teil 2: Erfahren Sie im 2. Teil der Familiengeschichte, wie mehrere Ebenen des Bildungssektors strategisch daran arbeiteten, ein Schulmädchen zu „transformieren“, und wie Xiaoyans Familientragödie schließlich ein trauriges Finale fand.

Der Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „She Went Through Hell, but It Didn’t Break Her“. (Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung sm)



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