Gedenken verboten am 4. Juni – Chinas Polizei verordnet Zwangsreisen und Hausarreste

Noch immer erinnern sich viele Zeitzeugen an die schmerzerfüllten Schreie der Menschen in der Nacht des 4. Juni 1989, an die knatternden Salven der Maschinengewehre – und an den Moment, als die Hoffnung von Ketten überrollt wurde. Während in anderen Teilen der Welt am 4. Juni an das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens gedacht wird, bringt die Polizei in China Menschen vorsorglich ein paar Tage weg oder stellt sie unter Hausarrest.
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Ein Student der Universität Hongkong säubert eine Tafel unter der „Säule der Schande“ – einem Denkmal, das zu Ehren der Toten und zur Beschämung der chinesischen Regierung errichtet wurde, die sich weigerte, sich für das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens zu entschuldigen.Foto: Mike Clarke/AFP via Getty Images
Von 4. Juni 2025

Am 4. November 1989, wenige Tage vor dem Fall der Berliner Mauer am 9. November, demonstrierten fast eine halbe Million DDR-Bürger auf dem Alexanderplatz in Berlin für freie Wahlen, Presse- und Meinungsfreiheit. Das Ereignis wurde selbst im DDR-Fernsehen live übertragen. Es war die größte nichtstaatliche Demonstration in der Geschichte Ostdeutschlands seit dem Volksaufstand von 1953 – der schließlich durch die sowjetische Besatzungsmacht gewaltsam niedergeschlagen wurde.

Drei Tage später trat der komplette Ministerrat der DDR zurück. Wochen zuvor war bereits der zunehmend isolierte und als verhärtet geltende Staats- und Parteichef Erich Honecker auf einer Sitzung des SED-Politbüros zum Rücktritt gezwungen worden. Sein Nachfolger, Egon Krenz, gab sich gemäßigter – auch mit Blick auf die angespannte internationale Lage und das unmissverständliche Signal von Sowjetführer Michail Gorbatschow aus Moskau, im Ernstfall nicht militärisch einzugreifen.

Dennoch waren die berüchtigte Stasi und die Truppen der Nationalen Volksarmee in Alarmbereitschaft versetzt worden. Ein Einsatz gegen die eigene Bevölkerung war keineswegs ausgeschlossen – die sogenannte „chinesische Lösung“. Glücklicherweise lösten sich diesbezügliche Sorgen bald schon auf. Doch es hätte auch anders laufen können – wie Monate zuvor am 4. Juni desselben Jahres in Peking auf dem Platz des Himmlischen Friedens.

4. Juni 1989 – der verbotene Teil im Gedächtnis

Es ist jetzt 36 Jahre her, dass Panzer der sogenannten Volksbefreiungsarmee in dunkler Nacht durch die Straßen von Peking rollten – nicht, um das Volk zu schützen, sondern um es zum Schweigen zu bringen. Studenten, Intellektuelle, Arbeiter – sie alle hatten sich auf dem Platz des Himmlischen Friedens versammelt, vereint in der Sehnsucht nach Reformen, freien Wahlen, Presse- und Meinungsfreiheit. Doch die Antwort der Kommunistischen Partei Chinas war geschmiedet aus Blut, Feuer und Stahl.

Das Tian’anmen-Square Massaker forderte Tausende Tote. 4. Juni 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking, China. Foto: MANUEL CENETA/AFP/Getty Images

Heute gehört der Jahrestag des Tian’anmen-Massakers in China zu den sogenannten sensiblen Tagen. Zu diesen Daten zählen etwa auch der Nationalfeiertag am 1. Oktober oder der Jahrestag des Beginns der Verfolgung von Falun Gong am 20. Juli 1999.

Während das kommunistische Regime in Peking im Umfeld dieser Tage besonders angespannt ist und rigoros gegen jegliche Erinnerungen an die Geschehnisse vom 4. Juni 1989 vorgeht, wird der Opfer in anderen Teilen der Welt gedacht.

Hongkong, 4. Juni 1990 – am ersten Jahrestag des Tian’anmen-Massakers gedenken Menschen im Victoria Park in Hongkong mit einem Meer aus Kerzen der Opfer. Foto: Mike Fiala/afp via Getty Images

Rubio: KPCh kann Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung nicht auslöschen

In einem Social-Media-Beitrag am 3. Juni erklärte US-Außenminister: „Wir erinnern uns an das brutale Vorgehen der Kommunistischen Partei Chinas vor 36 Jahren auf dem Platz des Himmlischen Friedens und gedenken des Mutes der unschuldigen Menschen, die an diesem Tag getötet und inhaftiert wurden“, schrieb Rubio auf X und erinnerte: „Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung sind menschliche Prinzipien, die die KPCh nicht auslöschen kann.“

US-Außenminister Marco Rubio am 15. Februar 2025 bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Foto: Sean Gallup/Getty Images

Rubio veröffentlichte auch eine offizielle Erklärung des US-Außenministeriums zu den damaligen Ereignissen in China: „Hunderttausende gewöhnliche Menschen in der Hauptstadt und in ganz China gingen wochenlang auf die Straße, um ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit wahrzunehmen und sich für Demokratie, Menschenrechte und ein Ende der grassierenden Korruption einzusetzen.“

Rubio gedachte auch „derjenigen, die weiterhin Verfolgung erleiden, weil sie für die Ereignisse vom 4. Juni 1989 Rechenschaft und Gerechtigkeit fordern“.

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Ein Arzt erinnert sich: Medizinisches Chaos – aber keine Hilfe nötig

Dr. Huang Chen-ya, ein heute 85-jähriger Neurologe und ehemaliger Hongkonger Parlamentarier, war 1989 eine führende Persönlichkeit in der medizinischen Gemeinschaft der Stadt. Als die Nachricht vom Massaker am 4. Juni 1989 bekannt wurde, nahm er sofort Kontakt zu den größten Krankenhäusern in Peking auf, um zu erfahren, wie er möglicherweise helfen könne.

Auf einer Kundgebung zum 36. Jahrestag des Massakers am 1. Juni im australischen Ashfield, einem Stadtteil von Sydney, teilte Huang seine Erinnerungen mit der englischsprachigen Epoch Times: „Ich rief jedes größere Nothilfezentrum an, und die Notärzte, die ans Telefon gingen, waren alle äußerst besorgt und sagten, dass ihnen alles ausgegangen sei. Alle großen Notfallkrankenhäuser in Peking – jeder Notarzt, mit dem ich sprach – gab mir die gleiche Antwort.“

Huang bereitete medizinische Notfallhilfe vor, die von Hongkong nach Peking geflogen werden sollte, aber dafür musste die Krankenhausleitung zustimmen. Allerdings: „Als wir die höheren Ebenen erreichten, änderten alle Direktoren sofort ihren Ton und sagten, dass die Angelegenheit nicht so ernst sei, wie sie scheine, dass Peking das alleine regeln könne und keine Hilfe von außen benötige.“

Blumen vor der Statue der „Göttin der Demokratie“, die an das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens erinnert, in der Ashfield Uniting Church in Sydney, Australien, am 1. Juni 2025. Foto: Cindy Li/Epoch Times

„Zwangsreisen“ und Hausarreste an sensiblen Tagen

Herr Wang ist ein Einwohner Pekings und enger Freund eines prominenten Dissidenten. Aus Sicherheitsgründen wird sein voller Name nicht genannt. Er bestätigte gegenüber der Epoch Times, dass Schlüsselpersonen in der Hauptstadt unter strenger Beobachtung der Staatssicherheit stünden.

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Die bekannte Journalistin und Dissidentin Gao Yu (81), ehemals stellvertretende Chefredakteurin von „Economics Weekly“, sei bereits am 30. Mai von der Staatssicherheit auf eine sogenannte „Reise“ mitgenommen worden, wie bereits mehrfach in den Jahren zuvor, erklärte Wang.

Chinesische Polizisten (Symbolbild). Foto: Betsy Joles/Getty Images

In Dissidentenkreisen ist die Bezeichnung „Zwangsreise“ eine gängige Umschreibung dafür, dass an sensiblen Tagen Menschen von der Polizei abgeholt und isoliert werden. Das Ziel besteht darin, einen möglichen Kontakt mit Medien oder eine Teilnahme an Gedenkveranstaltungen zu verhindern. „Diese Beschränkungen werden voraussichtlich bis nach dem 4. Juni in Kraft bleiben“, so Wang.

Mehrere Anwälte, darunter der prominente Menschenrechtsanwalt Mo Shaoping, bekannt für seine Verteidigung von Dissidenten und sein Eintreten für Rechtsreformen, und der bekannte Bürgerrechtsanwalt Pu Zhiqiang, der sich für die Meinungsfreiheit starkmacht, wurden unter Hausarrest gestellt, so Wang. Ebenso der Autor Lao Gui, ein freimütiger Kommentator und Essayist, der für seine kritischen Schriften zur chinesischen Politik und Gesellschaft bekannt ist – und der prominente Demokratieaktivist und Sacharow-Preisträger Hu Jia.

„Diese Personen benötigen selbst für den Gang zum Supermarkt eine Polizeieskorte. Polizisten folgen ihnen überallhin. Jahrzehnte sind seit dem 4. Juni 1989 vergangen, doch die Behörden gehen immer noch unerbittlich gegen Andersdenkende vor“, sagte Wang.

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Auch das chinesische Internet wird von wachsamen Augen beobachtet. Internetnutzer berichten, dass Konten gesperrt wurden, weil sie Gedenkbilder geteilt hatten, etwa brennende Kerzen als Symbol der Trauer für die Opfer des 4. Juni 1989.

Der in Peking ansässige Politikanalyst Sun Li erklärte gegenüber der Epoch Times: „Jedes Jahr um diese Zeit verschärfen die Behörden ihre Kontrolle. Darin spiegelt sich eine tiefsitzende Angst um ihre politische Legitimität und soziale Stabilität wider.“

„Ein Teufel, der sich als normale Institution tarnt“

Li Yuanhua, im Juni 1989 als Dozent an der Capital Normal University in Peking beschäftigt, berichtete gegenüber der Epoch Times, damals Angst gehabt zu haben, das Haus zu verlassen. In jener Nacht konnte er nicht schlafen. Schüsse hallten durch die Nacht. „Ich nahm einen kleinen Hocker, setzte mich vor die Türschwelle und weinte still“, erinnerte er sich.

Heute ist Li australischer Staatsbürger und versteht zutiefst die zerstörerische Natur des kommunistischen Regimes. Als 2020 Australiens damaliger Premierminister Scott Morrison eine unabhängige Untersuchung zum Ursprung von COVID-19 forderte, verhängte die KPCh Handelsbeschränkungen und Zölle auf australische Exporte als Vergeltungsmaßnahme.

Li sagte dazu: „Die Kommunistische Partei führt in Wirklichkeit keinen normalen Dialog mit Ihnen. Sie weiß nur, wie sie Sie zur Unterwerfung zwingen und einschüchtern kann – und sie will, dass Sie sich vor ihr verneigen. Es gibt im Grunde genommen kein Konzept der Gleichheit“, sagte Li.

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Abschlusszeremonie des 20. Nationalkongresses der regierenden Kommunistischen Partei Chinas.

Abschlusszeremonie des 20. Nationalkongresses der regierenden Kommunistischen Partei Chinas. Foto: Ng Han Guan/AP/dpa

Der ehemalige Pekinger Professor verwies auch auf die Aufkündigung des autonomen Status Hongkongs durch die KPCh und erklärte, dass die chinesisch-britische Erklärung von 1984, die die Rechte und Freiheiten der Stadt im Rahmen des Konzepts „ein Land, zwei Systeme“ festlegte, lediglich noch als „historisches Dokument“ anzusehen sei, das „keine praktische Bedeutung mehr hat“.

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Er sagte auch, dass, wenn man das chinesische Regime „aus wirtschaftlicher Perspektive betrachtet, als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und unser größter Handelspartner, wird man es nie wirklich verstehen“, sagte Li. Stattdessen schlug er vor, es „aus humanistischer Perspektive“ zu betrachten und es nicht als „normale Regierung oder normale politische Partei“ anzusehen.

„Das ist es nicht – es ist ein Teufel, der sich als normale Institution tarnt.“



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