Geflüchteter Statistiker verrät, wie Chinas BIP gefälscht wird

Ein chinesischer Statistiker mit Hang zu Gerechtigkeit und Wahrheit scheitert an der kommunistischen Verwaltung – und flüchtet in den Westen. Er hatte entdeckt, wie lokale Behörden Statistiken fälschen und die Landwirte ausnehmen.
Titelbild
Chinesische bewaffnete Polizisten bewachen die Eröffnungssitzung des Nationalen Volkskongresses am 5. März 2017 in der Großen Halle des Volkes in Peking. Während der Sitzung wird Chinas jährliches BIP-Wachstumsziel festgelegt. Für 2025 liegt das Ziel bei etwa 5 Prozent.Foto: Lintao Zhang/Getty Images
Von 11. Juli 2025

In Kürze:

Öffentlicher Angestellter in China, ein scheinbar sicherer Job – doch es gab einen Haken

Einblicke ins System können gefährlich werden.

Gefälschte Statistiken und weitere Geheimnisse

Gedankenkontrolle – oder doch lieber die Flucht in die Freiheit?


 

Als ein Angestellter einer Provinzverwaltung in China beim Fälschen von Statistiken zur Manipulation des chinesischen BIP nicht mehr mitmachen wollte, wurde er von der Polizei besucht und bedroht. Nachdem ihm Gedankenkontrolle verordnet wurde, entschloss er sich zu fliehen.

In den USA sprach er über das Geheimnis der chinesischen Statistik. Doch er hatte noch mehr zu berichten, etwa wie die lokalen Behörden die Landwirte ausnehmen.

Ein begehrter Job – mit Einblick ins System

„Für mich bedeutete die Arbeit für die Regierung Arbeitsplatzsicherheit“, erklärte Luo in einem Videointerview mit der chinesischen Ausgabe des US-Senders NTD, einem Schwestermedium der Epoch Times. Luo hatte große Erwartungen an seinen Job bei der lokalen Verwaltung. Doch die Ernüchterung kam schnell. „Ich hatte gehört, dass die Regierung in Guangdong relativ transparent ist und mehr für die Bevölkerung tut. Das dachte ich auch, bevor ich den Job antrat.“

In China werden Jobs in staatlichen Einrichtungen oft als „eiserne Reisschüssel“ bezeichnet, da es für Menschen aus einfachen ländlichen Familien nicht einfach ist, dort eine Anstellung zu finden. Neben einer fachlichen Prüfung und einem Vorstellungsgespräch müssen die Bewerber noch eine Reihe von Bedingungen erfüllen. Sie dürfen nicht vorbestraft sein und auch keine Anzeichen von Opposition gegen die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) oder die sozialistische Ideologie aufweisen.

Luo wurde vor 40 Jahren auf dem Land in der Provinz Jiangxi im Südosten Chinas geboren. Mit einem Master in Veterinärmedizin bewarb sich für einen Job bei der Verwaltung in der Nachbarprovinz Guangdong. Er wurde genommen und arbeitete für die Lokalregierung zwischen Juli 2020 und Sommer 2024.

Luo Zhifei, ehemaliger Mitarbeiter einer Lokalregierung in China, spricht nach seiner Flucht in die Vereinigten Staaten mit dem US-Sender NTD im April 2025. In China hatte er als Statistiker BIP-Fälschungen aufgedeckt. Er sprach auch über das Schikanieren der Landwirte durch Strafgelder. Foto: Epoch Times

Zunächst arbeitete er in Zengcheng, einem Vorstadtbezirk der Provinzhauptstadt Guangzhou, auch genannt Kanton Sein erster Job: Sachbearbeiter in der Abteilung für Agrarrecht beim Bezirksamt für Landwirtschaft und ländliche Angelegenheiten (BARA).

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Beim BARA bemerkte Luo, wie seine Vorgesetzten und Kollegen die lokalen Landwirte mit falschen Anschuldigungen schikanierten und sie unter fadenscheinigen Anschuldigungen durch Geldstrafen ausnahmen. Sie bestraften sie, wo immer sie konnten, um die Kassen der lokalen Regierung zu füllen.

Ehrgeizige Beamte und drangsalierte Bauern

Eine von Luos Aufgaben in der Abteilung war, die Unterlagen für Fälle der Strafverfolgung zusammenzustellen. Dadurch erhielt er häufig Beweisfotos von Kollegen vor Ort, die laut Luo im Grunde zeigten, „wie sie die Bauern schikanierten“.

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Laut Luo verfügten die Beamten in vielen Fällen nicht über genügend Beweise, um Strafzahlungen zu rechtfertigen. Trotzdem verhängten sie oft hohe Geldstrafen und zwangen die Bauern zur Zahlung – häufig durch Drohungen. Eines Tages wurde es Luo zu viel: „Als ich die Hilflosigkeit und Wut in den Augen der Bauern sah, konnte ich es nicht ertragen“, erklärte er gegenüber NTD.

Er erinnerte sich an einen Fall von 2021, in dem einem Bauern eine Geldstrafe von 8.000 RMB (952 Euro) aufgebrummt worden war – wegen Missbrauchs von Pestiziden. Zum Vergleich: Laut der deutschen Botschaft in Peking liegt das Durchschnittseinkommen auf dem Land in China derzeit bei rund 12.000 RMB pro Jahr pro Person.

Bringt noch mehr herbei …

Laut Luo gab es im Bezirk Zengcheng im Jahr 2020 die meisten Agrarkontrollen in der gesamten Provinz Guangdong. Im Jahr 2021 beliefen sich die Geldstrafen und beschlagnahmten Vermögenswerte auf 2,6 Millionen RMB (circa 310.000 Euro). Im März 2022 gab es laut Luo eine Besprechung, in der die Beamten aufgefordert wurden, höhere Geldstrafen zu verhängen, um die Einnahmen für die Behörde zu erhöhen.

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„Der Abteilungsleiter sagte, dass die Regierung von Zengcheng in finanziellen Schwierigkeiten steckte, und er forderte uns auf, die Zahl der Vollstreckungsmaßnahmen und die Beträge der Geldstrafen zu erhöhen.“ Er habe auch gesagt, dass man wieder die Nummer 1 werden solle. So habe der Leiter für 2022 ein noch höheres „Soll“ für Strafgelder festgelegt: 4 Millionen Yuan (circa 480.000 Euro).

Luo widersprach während dieser Besprechung: „Wir können Landwirte nicht mit Geldstrafen belegen, nur weil die Bezirksregierung kein Geld durch den Verkauf von Land einnehmen kann.“ Strafzahlungen müssten durch Beweise untermauert werden, erinnert er sich gesagt zu haben.

„Mein Weltbild begann zu bröckeln“, sagte er. „Ich litt unter Schlaflosigkeit und Depressionen. Seit Mai 2022 gehe ich regelmäßig zum Arzt“, erklärte Luo.

Ein Jahr später wurde er zur Nutztiergesundheitsaufsicht in die Kleinstadt Paitan versetzt.

Eine Bäuerin geht am 22. Juni 2016 über ihre Felder auf der Insel Shazai in der Nähe von Guangzhou in der chinesischen Provinz Guangdong. Im Bezirk Zengcheng, zu dem die Insel gehört, dürfen Landwirte für den Anbau von Litschis nur zugelassene Pestizide verwenden, sonst drohen ihnen Geldstrafen. Luo Zhifei sagte, dass Zengcheng im Jahr 2020 die meisten Fälle von Verstößen gegen landwirtschaftliche Vorschriften in Guangdong verzeichnete, mit Geldstrafen und beschlagnahmten Vermögenswerten in Höhe von insgesamt 2,6 Millionen Yuan (etwa 310.000 Euro). Foto: Kevin Frayer/Getty Images

Wie falsche Statistiken ein Wunsch-BIP erzeugen

Hier sollte er Statistiken zur Nutztierproduktion sammeln und melden.

„Sobald ich versetzt wurde, wusste ich, dass das ein schlechter Job war“, sagte er. „Denn ich war für die Datenübermittlung verantwortlich. Wenn mit den Daten etwas nicht stimmte, war ich dafür verantwortlich.“

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Doch wie Luo erklärte, hätten sie gar keine Zeit bekommen, um Daten zu sammeln. Der Chef hatte sie angewiesen, einfach Statistiken zu erfinden. „Er sagte: ‚Wir haben uns immer an die nationalen BIP-Ziele gehalten.‘ Wissen Sie, wir haben zu Jahresbeginn ein nationales Ziel für das jährliche BIP“, erinnerte sich Luo.

„Zum Beispiel lag das Ziel im Jahr 2023 bei etwa 5 Prozent. Wir würden alle Zahlen des Vorjahres um 5,5 Prozent erhöhen und diese Zahlen in den Bericht eintragen.“

Luo sagte, dass die meisten, wenn nicht alle Berichte mit dieser Methode erstellt wurden.

Mit anderen Worten sollten die realen Daten an Wunschzahlen angepasst werden, sodass sie dem geforderten Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Kommunistischen Partei Chinas entsprachen. Im Jahr 2023 meldete das chinesische Regime einen jährlichen Anstieg des BIP um 5,2 Prozent.

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Und die Realität?

Trotz der schönen Zahlen fuhren die Landwirte in Paitan tatsächlich Verluste ein. „Von den Gesprächen zu schließen, die ich mit ihnen geführt hatte, glaubte ich, dass etwa 70 bis 80 Prozent der Landwirte Verluste machten“, sagte Luo.

Im Dezember 2023 stellte Luo dann den Honigpreis in der lokalen Statistik offen infrage.

Luos Einheit berichtete, der Honigpreis liege bei 50 Yuan (circa 6 Euro) pro Kilogramm. Der tatsächliche Preis lag jedoch bei etwa 26 Yuan – und Luo wusste das so genau, weil er in seiner Freizeit eine nicht autorisierte Umfrage unter den Imkern durchgeführt hatte. Er fertigte einen Bericht an.

„Ich wusste, dass im Dezember 2023 eine Jahrestagung zum Thema Statistik stattfinden würde, also druckte ich meinen Bericht über Bienen und Honigpreise aus, verteilte an jeden Teilnehmer eine Kopie des Berichts und teilte ihnen meine Meinung mit.“

Luo erklärte seinen Kollegen, dass Peking schwerwiegende politische Fehler begehen würde, wenn alle Städte in China das gleiche Vorgehen zur Erhebung von Daten anwenden würden, und dann die Landwirte nicht die Unterstützung erhielten, die sie benötigten, da die Statistiken Gewinne auswiesen.

Luo wurde gestoppt: „Ich durfte meine Rede nicht beenden“, sagte er. Doch damit war der Fall noch lange nicht erledigt. Ganz im Gegenteil.

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Auf Kollisionskurs mit der Staatsmacht

„Die Disziplinarkommission der KPCh auf Bezirksebene befragte mich zu meinen Gedanken und warnte mich davor, vertrauliche Informationen preiszugeben.“

Dann kam eine weitere unangenehme Überraschung auf ihn zu: „Womit ich nicht gerechnet hätte, war, dass mich etwa zehn Tage später plötzlich ein Polizist besuchte. Er fragte mich nach meiner Meinung zur Regierung und ob ich Kontakte zu Ausländern hätte. Ich war verblüfft.“ Luo sagte, der Polizist habe ihn auch davor gewarnt, das nationale Sicherheitsgesetz zu brechen.

Nach dem Polizeibesuch versuchte er, seinen Job zu kündigen. Als Gründe nannte Luo Depressionen und Angstzustände. Doch das Bezirksamt für Personalwesen teilte ihm mit, dass er nicht kündigen könne, da er suspendiert worden sei.

Ein weiterer Besuch der Disziplinarkommission folgte, zusammen mit dem Bezirksamt für Personalwesen.

Der Mann mit den „falschen“ Gedanken

Luo machte sich im Internet Luft. Am Abend des 20. Mai 2024 streamte er auf Douyin, der chinesischen Version von TikTok. Er erzählte vom Fälschen von Statistiken und wie Agrarvorschriften durch die Bezirksbehörde BARA durchgesetzt wurden. Etwa 2 Stunden konnte er senden, bis der Livestream unterbrochen und sein Konto gesperrt wurde.

„Die örtliche Polizeistation lud mich am nächsten Tag vor“, schilderte Luo. „Bevor sie meinen Livestream erwähnten, befragten sie mich zu den beiden Treffen im März 2022 und Dezember 2023 und fragten mich, ob das, was ich damals gesagt hatte, wirklich meine Meinung gewesen sei.“

„Dann hinterfragten sie meinen Geisteszustand […] und fragten, ob ich bei klarem Verstand gewesen sei, als ich diese Worte sprach.“

Luo sagte, er habe schließlich unter Druck ein Dokument unterzeichnet und zugegeben, dass er nicht im richtigen Geisteszustand gewesen sei.

„Sie drohten mir: ‚Ihr Geisteszustand ist nicht gut. Wenn Sie das nicht unterschreiben und nicht zugeben, dass die Inhalte der Treffen vertraulich waren, kann ich sofort einen Arzt beauftragen, Ihren Geisteszustand zu beurteilen. Und wenn der Arzt feststellt, dass Sie psychisch krank sind, haben wir die Befugnis und die Verantwortung, Sie sofort in eine psychiatrische Klinik einzuweisen.‘“

Luo sagte, er müsse der Polizei monatlich einen Bericht über seine Gedanken vorlegen und wöchentlich per Videochat mit der Polizei sprechen.

Flucht in die USA

Er beschloss, aus China zu fliehen.

Im Juli 2024 floh er in die Vereinigten Staaten. Dort verurteilte Luo in einer Erklärung gegenüber dem Global Service Center for Quitting the Chinese Communist Party noch im selben Monat die marxistische Erziehung der KPCh und kündigte seine Mitgliedschaft bei den Jungen Pionieren und dem Kommunistischen Jugendverband Chinas.

Gegenüber NTD sprach Luo den Unterschied an, den er in den USA bemerkt hatte: „Der wichtigste Unterschied ist, dass die Menschen [hier] als Menschen behandelt werden. Die Menschen sind Bürger mit Wahlrecht, sie haben Redefreiheit und leben wie Menschen. In den USA … spüre ich die Präsenz des Staates kaum.“

Laut Luo versuchten sowohl die Polizei als auch sein ehemaliger Arbeitgeber nach seiner Ausreise Kontakt mit ihm aufzunehmen. Sie hätten auch versucht, seine Mutter zu nutzen, ihn davon zu überzeugen, nach China zurückzukehren.

Das Bureau of Agriculture and Rural Affairs des Bezirks Zengcheng hat bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung auf eine Nachfrage der Epoch Times nicht geantwortet.

Der Artikel basiert auf dem Artikel „How a Chinese Government Statistician Was Forced to Report Fake Data“ von Lily Zhou, erschienen auf theepochtimes.com.



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