Geheimprozess: Chinesischer General verweigerte 1989 den Einsatz beim Tian’anmen-Massaker

Ein sechsstündiges Video zeigt den Militärprozess aus dem Jahr 1990 gegen Generalmajor Xu Qinxian. Dieser hatte sich 1989 geweigert, auf dem Tian'anmen-Platz Truppen gegen pro-demokratische Demonstranten einzusetzen.
Tian'anmen-Prozess
Ein sechsstündiges Video des geheimen Prozesses gegen Xu Qinxian – den Tiananmen-General, der sich weigerte, Befehle auszuführen – wurde am 24. November 2025 veröffentlicht.Foto: Bildschirmfoto des Videos
Von 1. Dezember 2025

In Kürze:

  • Das Video eines Militärprozesses gegen den chinesischen General Xu Qinxian wurde kürzlich erstmalig veröffentlicht.
  • Ihm wurde vorgeworfen, 1989 beim Tian’anmen-Massaker Befehle verweigert zu haben.
  • Xu musste sich ohne Anwalt verteidigen.
  • Das Video erzeugte schnell große Aufmerksamkeit, vor allem bei Chinesen außerhalb des chinesischen Festlands.

 

Eine bisher unveröffentlichte Videoaufzeichnung des geheimen Militärprozesses gegen einen chinesischen General, der sich während des Massakers auf dem Tian’anmen-Platz 1989 geweigert hatte, Befehle auszuführen, ist in den vergangenen Tagen im Internet aufgetaucht. Es bietet einen einzigartigen Einblick in einen der sensibelsten Fälle dieser Zeit.

Am 24. November veröffentlichte Wu Renhua, ein chinesischer Wissenschaftler und Teilnehmer der Tiananmen-Proteste von 1989, das vollständige Video auf 𝕏. Das sechsstündige Video wurde inzwischen aus dem Internetarchiv entfernt und von Human Rights in China auf YouTube hochgeladen. Es zeigt den Prozess gegen Generalmajor Xu Qinxian am 17. März 1990. Dieser war damals Kommandeur der 38. Armee der Volksbefreiungsarmee (PLA).

Xu wurde entlassen und heimlich verurteilt, nachdem er sich geweigert hatte, Befehle zur Entsendung seiner Truppen nach Peking zur Durchsetzung des Kriegsrechts zu unterzeichnen. Die 38. Armee galt als eine der wichtigsten Eliteeinheiten. Xus Widerstand überraschte hochrangige Führungskräfte, darunter die damaligen De-facto-Führer der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), Deng Xiaoping und Yang Shangkun.

Die KPCh verhängte am 20. Mai 1989 das Kriegsrecht, als sich massenhafte pro-demokratische Demonstrationen in Peking und anderen Städten ausbreiteten. Xu weigerte sich, als Militärbeamte zum ersten Mal zusammenkamen, um den Einsatzbefehl zu überbringen.

Die PLA marschierte schließlich etwa zwei Wochen später in die Hauptstadt ein. Am 3. und 4. Juni eröffnete sie das Feuer auf Zivilisten.

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Ein Prozess hinter verschlossenen Türen

Das neu veröffentlichte Video zeigt den geheimen Militärprozess in Peking. Die Staatsanwaltschaft verurteilte darin die von Studenten angeführte Demokratiebewegung und warf Xu vor, sich „offen gegen das Zentralkomitee der KP Chinas gestellt“ zu haben.

Xu blieb während der Verhandlung ruhig und entschlossen. Das Material offenbart bis heute hochsensible Details der Militärmaßnahmen von 1989. Der vorsitzende Richter erklärte, die Verhandlung sei nicht öffentlich, da sie Staatsgeheimnisse betreffe.

Vor Gericht schilderte Xu, dass er den Einsatzbefehl für Peking hinterfragt habe – insbesondere Umfang und Bewaffnung der Operation. Als ihm gesagt wurde, dass gepanzerte Fahrzeuge und schwere Maschinengewehre eingesetzt würden, äußerte er Zweifel.

Xu betonte, die Proteste seien eine zivile politische Bewegung, die politisch gelöst werden müsse. Gewalt sollten, wenn überhaupt, Polizei und Spezialeinheiten anwenden. Er schlug vor, im Falle einer Mobilmachung die Truppen nur in die Nähe Pekings zu verlegen, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen. Zudem empfahl er ein gemeinsames Beratungstreffen der zentralen Staats- und Parteigremien.

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Verteidigung ohne Anwalt

Der Prozess verlief weitgehend prozedural und Xu’s Verteidigung hatte offenbar keinen Einfluss auf das Ergebnis. Unter der Kommunistischen Partei Chinas gibt es keine unabhängige Justiz.

Fast die Hälfte der Verhandlungszeit nutzten die Richter, um „Zeugenaussagen“ vorzulesen, die sich gegen Xu richteten. Die Zeugen erschienen nicht persönlich und es gab kein Kreuzverhör. Xu hatte keinen Anwalt. Ein vom Staat bestellter Pflichtverteidiger saß in einiger Entfernung und äußerte sich kaum. So musste sich Xu weitgehend selbst verteidigen.

„Ist es ein Fehler oder ein Verbrechen? Ich glaube, dass das Gericht auf der Grundlage der Fakten ein Urteil fällen wird“, sagte Xu in seinem Schlussplädoyer. Das sechs Stunden lange Video endet abrupt nach den Bemerkungen des Pflichtverteidigers und enthält die Urteilsverkündung nicht.

Die unabhängige Journalistin Gao Yu berichtete, dass Xu in Abteilung 203 des Qincheng-Gefängnisses untergebracht war, die er sich mit mehreren hochrangigen Häftlingen teilte. In dieser Einrichtung waren zuvor bereits prominente politische Gefangene untergebracht.

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Reaktion der Öffentlichkeit

Das Video zog schnell große Aufmerksamkeit chinesischsprachiger Nutzer außerhalb des Festlands auf sich, da die Diskussion über das Tian’anmen-Massaker in China nach wie vor stark eingeschränkt ist.

Viele Kommentatoren lobten Xu als prinzipientreuen Offizier, der sich weigerte, Gewalt gegen Zivilisten auszuüben, und hoben hervor, dass seine Warnungen vor den politischen und historischen Folgen des Militäreinsatzes vorausschauend waren.

Andere zeigten Wertschätzung dafür, dass das seltene Filmmaterial veröffentlicht wurde, und fragten sich, wie eine so sensible Aufzeichnung erhalten bleiben konnte.

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Hintergrundinformationen zu Xu

Am 16. November veröffentlichte Wu Renhua Fotos von Xus Prozess und ergänzende Hintergrundinformationen. Laut seinem 𝕏-Beitrag befand sich Xu während der Proteste 1989 in einer Militärklinik in Peking und wurde Zeuge des Ausmaßes und der Motive der von Studenten angeführten Bewegung.

Am 17. Mai 1989 berief die Militärregion Peking eine Sitzung ein, in der ein von Deng Xiaoping und Yang Shangkun unterzeichneter Befehl zur Verhängung des Kriegsrechts verkündet wurde. Der damalige KP-Generalsekretär Zhao Ziyang weigerte sich, den Befehl zu unterzeichnen, und setzte auf Dialog mit den Demonstranten. Xu verweigerte daraufhin, die 38. Armee nach Peking zu führen.

Nach dem Massaker am 4. Juni, bei dem laut Menschenrechtsorganisationen über zehntausend Zivilisten getötet wurden, wurde Zhao seines Amtes enthoben. Er kam unter Hausarrest. Xu verweigerte den Befehl, die 38. Armee nach Peking zu führen. Nach seinem Ungehorsam wurde er sofort entlassen.

Er wurde von der Politischen Hauptabteilung der PLA verhaftet und vor ein Militärgericht gestellt, das ihn zu fünf Jahren Haft verurteilte. Xu verbüßte die Strafe im Qincheng-Gefängnis und wurde später nach Shijiazhuang (Provinz Hebei) verlegt.

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Xu starb am 8. Januar 2021 im Alter von 86 Jahren.

Dieser Artikel erschien im Original auf The Epoch Times unter dem Titel „Rare Video Emerges of Chinese General’s Secret Trial for Defying Tiananmen Orders“. (Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung mf)



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