Hongkong: Eine Stadt zwischen „Angst und Selbstzensur“

Fünf Jahre nach der Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes in Hongkong ähnelt die Stadt mit einer einst lebendigen Zivilgesellschaft der parteitreuen Gleichförmigkeit Chinas. Wer sich kritisch äußert, riskiert Festnahme.
Titelbild
Die Hongkonger Polizei versucht am 12. Juni 2019 mit Tränengas und dem Einsatz von Schlagstöcken die Demonstration gegen das Auslieferungsgesetz zu unterbinden.Foto: Anthony Wallace/AFP/Getty Images
Von 1. Juli 2025

In Kürze:

Menschenrechtsorganisationen analysieren die Lage in Hongkong.

Die KPCh hat die Stadt in einen Ort verwandelt, in dem nur pekingtreue „Patrioten“ willkommen sind.

Abweichende Meinungen werden systematisch unterdrückt.

Der internationale Ruf Hongkongs wurde untergraben, erklärt die EU.


 

Zwei Menschenrechtsorganisationen haben sich besorgt über die Veränderungen in Hongkong in den vergangenen fünf Jahren geäußert, seitdem Peking ein drakonisches Nationales Sicherheitsgesetz für die Stadt erlassen hat.

Dieses wurde als Reaktion auf eine prodemokratischen, gegen die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) gerichtete Bewegung verhängt, die im Jahr 2019 über 1 Million Demonstranten auf die Straße brachte.

Die in New York ansässige Organisation Human Rights Watch und Amnesty International mit Sitz in London verurteilten in ihren neu veröffentlichten Berichten den Einsatz des Gesetzes, um abweichende Meinungen in Hongkong zum Schweigen zu bringen und den Einwohnern ihre universellen Rechte zu verweigern.

„Zivilgesellschaft Hongkongs ausgelöscht“

„In nur fünf Jahren hat die chinesische Regierung die politische Lebendigkeit der Zivilgesellschaft Hongkongs ausgelöscht und sie durch die Gleichförmigkeit einer aufgezwungenen Vaterlandliebe ersetzt“, sagte Maya Wang, die stellvertretende Direktorin für China bei Human Rights Watch, am 29. Juni.

„Diese verschärfte Unterdrückung könnte langfristig verheerende Folgen für Hongkong haben, auch wenn viele Hongkonger subtile Wege gefunden haben, sich der tyrannischen Herrschaft zu widersetzen.“

Sarah Brooks, für China zuständige Direktorin bei Amnesty International, sagte in einer Erklärung am 30. Juni, dass die Regierung von Hongkong „aufhören muss, den Vorwand der ‚nationalen Sicherheit‘ zu benutzen, um legitime Meinungsäußerungen zu bestrafen“.

„Dieses drakonische Gesetz und die damit einhergehenden Vorschriften zur nationalen Sicherheit haben wichtige rechtliche Garantien ausgehöhlt, die einst die Grundlage für den Schutz der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit in Hongkong bildeten“, so Brooks.

Das Ergebnis ist, dass die Hongkonger nicht mehr die Möglichkeit haben, sich ohne Angst vor einer Festnahme zu äußern.“

Verhaftungen aufgrund vage definierter Vergehen

Am 9. Juni 2019 gingen in Hongkong rund 1 Million Menschen auf die Straße, um gegen ein umstrittenes Auslieferungsgesetz zu protestieren. Eine Woche später folgte eine weitere Demonstration mit etwa 2 Millionen Teilnehmern, der größte Protest in der Geschichte der Stadt mit rund 7,5 Millionen Einwohnern.

Um die Straßenproteste zu unterdrücken, umging das chinesische Regime am 30. Juni 2020 Hongkongs Parlament und verabschiedete das Nationale Sicherheitsgesetz, das vage definierte Vergehen wie Abspaltung und Subversion in der Stadt mit bis zu lebenslanger Haft bestraft.

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Im März 2024 verschärfte die Hongkonger Regierung die Kontrolle über die Stadt weiter, indem sie ein umfassendes neues Sicherheitsgesetz, bekannt als Artikel 23, verabschiedete. Das Gesetz richtet sich gegen politische Straftaten wie Hochverrat und Aufruhr, bei denen ebenfalls lebenslange Haft drohen.

Seit Inkrafttreten des Gesetzes verhafteten die Behörden 332 Menschen wegen Straftaten im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit. 189 Personen und fünf Unternehmen wurden angeklagt, so der in Washington, D.C. ansässige Hong Kong Democracy Council.

Die Polizei hält die Aktivistin Lui Yuk-lin (M.) am 4. Juni 2025 im Victoria Park fest. Dort versammelten sich traditionell jedes Jahr Hongkonger, um den Opfern des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Jahr 1989 zu gedenken. Dies ist seit der Verabschiedung des Nationalen Sicherheitsgesetzes im Jahr 2020 verboten. Foto: Peter Parks/AFP via Getty Images

Legitime Äußerungen werden bestraft

Der Bericht von Amnesty analysierte die Fälle von 255 Personen, die zwischen dem 30. Juni 2020 und dem 31. Mai 2025 im Rahmen des Nationalen Sicherheitsgesetzes, Artikel 23 und dem „Aufwiegelung“-Gesetzes aus der britischen Kolonialzeit verhaftet oder angeklagt wurden.

Von 78 abgeschlossenen Verfahren, die unter das Nationale Sicherheitsgesetz fielen, betrafen in mindestens 66 Fällen, also 84,6 Prozent, „legitime Äußerungen, die nach internationalen Standards nicht hätten strafrechtlich verfolgt werden dürfen“.

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In 129 Fällen, in denen Einzelpersonen im Rahmen der nationalen Sicherheit angeklagt wurden, verweigerten die Gerichte in Hongkong eine Freilassung gegen Kaution – das entspricht 89 Prozent der Fälle. Die durchschnittliche Dauer der Untersuchungshaft dabei betrug 328 Tage, also fast elf Monate.

„Zusammengenommen zeigen diese Ergebnisse, dass die Umsetzung der Sicherheitsgesetze in Hongkong gegen internationales Menschenrecht und Standards verstoßen hat, darunter die Meinungsfreiheit und das Recht auf Freiheit“, heißt es in dem Bericht.

1.093 Tage Untersuchungshaft

Besonders hervorgehoben wird der Fall von Jimmy Lai, einem britischen Staatsbürger und Gründer der inzwischen eingestellten Hongkonger Zeitung „Apple Daily“. Er saß 1.093 Tage in Untersuchungshaft, nachdem er im Dezember 2020 festgenommen wurde. Sein Prozess begann im Dezember 2023 und soll im Juli 2025 fortgesetzt werden.

Der Hongkonger Medienunternehmer Jimmy Lai wurde am 3. Dezember 2020 festgenommen und befand sich 1.093 Tage in Untersuchungshaft. Foto: Anthony Kwan/Getty Images

Amnesty erklärte, Lai und sechs ehemalige Mitarbeiter von „Apple Daily“ seien „wegen ihrer journalistischen Arbeit ins Visier geraten“, da die Staatsanwaltschaft ihnen vorwarf, die Zeitung zur Veröffentlichung von „161 aufrührerischen Artikeln“ genutzt zu haben.

„Ungeachtet der Schuldeingeständnisse ist Amnesty International der Ansicht, dass keine der Anklagen gegen diese sieben Personen jemals hätten erhoben werden dürfen, da es sich um eine legitime Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung ohne Aufforderung zur Gewalt handelte.“

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Ein weiterer Fall ist Ma Chun-man, ein ehemaliger Lieferant, der im Jahr 2021 wegen Anstiftung zur Abspaltung zu fünf Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt wurde.

Amnesty argumentierte, dass Ma nicht wegen Anstiftung hätte angeklagt werden sollen, da er in der Regel allein war und Passanten kaum reagierten, wenn er Parolen wie „Befreit Hongkong, Revolution unserer Zeit“ rief. Zudem war Ma weder Mitglied einer Partei noch politisch aktiv, sodass er kaum Einfluss hatte.

Der Bericht stellte fest, dass die nationalen Sicherheitsgesetze systematisch missbraucht werden, um abweichende Meinungen zu unterdrücken. Sie schafften ein „Klima der Angst und Selbstzensur“.

Friedlicher Protest und politische Meinungsäußerung – Eckpfeiler einer freien Gesellschaft – werden nun als Bedrohung behandelt.“

Nur pekingtreue „Patrioten“ zugelassen

Der Bericht von Human Rights Watch stellte auch fest, dass Hongkong zunehmend dem Prinzip „ein Land, ein System“ unterworfen ist, nachdem sogenannte institutionelle Reformen von 2023 der KP Chinas ermöglichen, „die Stadt effektiv zu regieren“.

Hongkong, eine ehemalige britische Kolonie, wurde 1997 an China zurückgegeben – mit dem Versprechen Pekings, der Stadt anhand des Prinzips „ein Land, zwei Systeme“ grundlegende Freiheiten und Autonomie zu garantieren, die es auf dem Festland nicht gibt.

Laut dem Bericht haben die Behörden in Hongkong auch „die Geschichte umgeschrieben“ und versuchen, die prodemokratischen, gegen die KP Chinas gerichtete Protestbewegung als „Aufstand schwarz Gekleideter“ zu bezeichnen, der von „ausländischen Akteuren“ angezettelt worden sei.

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Peking hat politische Kontrolle im Hongkonger Bildungssystem vom Kindergarten bis zur Universität eingeführt. Die „Xi-Jinping-Gedanken“, eine Sammlung von Reden und Schriften des obersten Parteiführers, wurden 2017 in die Satzung der Partei aufgenommen. Seit August 2021 müssen Schüler in ganz China diese Inhalte lernen, so auch in Hongkong.

2022 veröffentlichte die Hongkonger Erziehungsbehörde vier neue Lehrbücher, die leugnen, dass die Stadt jemals eine britische Kolonie war. 2023 schaffte die Partei das Fach „Geisteswissenschaften“ an weiterführenden Schulen ab und ersetzte es durch ein Unterrichtsfach, das „Patriotismus“ fördert und Reisen aufs Festland vorschreibt.

Mitglieder der Partei League of Social Democrats werden von der Hongkonger Polizei umringt, als sie am 6. Februar 2023 vor einem Gericht protestierten. Foto: Peter Parks/AFP via Getty Images

EU: Der Ruf Hongkongs ist untergraben

Die lokale Regierung hat laut dem Bericht die Stadt in einen Ort verwandelt, an dem nur „Patrioten“ willkommen sind. So verbieten neue Änderungen des Arbeitsrechts denjenigen, die wegen Verstößen gegen die nationale Sicherheit verurteilt sind, in Gewerkschaften zu arbeiten. Auch müssen seit 2023 Lehrer für Kindergärten und öffentliche Grund- und Sekundarschulen eine Prüfung zu den nationalen Sicherheitsgesetzen bestehen.

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Maja Wang von Human Right Watch fordert: „Regierungen weltweit sollten die chinesische Regierung unter Druck setzen, ihre repressive Politik in Hongkong zu beenden, indem sie verantwortliche Funktionäre zur Rechenschaft ziehen.“

Peking darf sich nicht länger ermutigt fühlen, seinen Griff auf die Hongkonger ohne Konsequenzen zu verschärfen.“

Am 30. Juni schrieb der Europäische Auswärtige Dienst, der diplomatische Arm der EU: „Die repressive Anwendung des Nationalen Sicherheitsgesetzes hat das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit und das internationalen Ansehen Hongkongs untergraben.“

Die EU-Behörde forderte die Hongkonger Regierung auf, den „Schwerpunkt auf die Aussöhnung in der Gesellschaft Hongkongs zu verlagern“.

Der Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „Rights Groups Reveal Hong Kong’s Repression of Freedom Following National Security Law’s Implementation“. (deutsche Bearbeitung ks)



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