Reise mit Risiko: Warum Klingbeils China-Besuch für Berlin entscheidend ist

Lars Klingbeil ist zu einer mehrtägigen China-Reise nach Peking aufgebrochen. Die Gespräche stehen im Zeichen eines historischen Handelsdefizits, neuer geopolitischer Spannungen und wachsender Abhängigkeiten Deutschlands von chinesischen Lieferketten. Nach dem diplomatischen Eklat um den abgesagten Wadephul-Besuch richtet sich die internationale Aufmerksamkeit erneut auf Berlin und Peking.
Klingbeil traf in Peking den chinesischen Vizepremier He Lifeng.
Klingbeil traf in Peking den chinesischen Vizepremier He Lifeng.Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Von 17. November 2025

In Kürze:

  • Deutschlands Handelsbilanzdefizit mit China erreicht historischen Rekordwert.
  • Trump-Zölle und chinesische Exportbeschränkungen setzen die deutsche Industrie zusätzlich unter Druck.
  • Klingbeil reist nach Peking und Shanghai, um faire Wettbewerbsbedingungen einzufordern.
  • Ukraine-Krieg, Taiwan und geopolitische Risiken bleiben zentrale Streitpunkte.

Am Montag, 17. November, ist der deutsche Vizekanzler Lars Klingbeil zu einer mehrtägigen China-Reise in Peking eingetroffen. Nach den diplomatischen Unwägbarkeiten rund um den geplatzten Besuch von Bundesaußenminister Johann Wadephul im Vormonat ist der Visite hohe Aufmerksamkeit sicher.

Wadephul sah sich im Oktober genötigt, seine geplante Reise nach Peking abzusagen. Er hätte zwar seinen Amtskollegen Wang Yi treffen können, weitere beabsichtigte Gespräche wurden von den chinesischen Partnern jedoch nicht in Aussicht gestellt.

Klingbeil-Besuch im Zeichen eines Höchststands beim Handelsdefizit

Wie die Nachrichtenagentur „Reuters“ berichtet, werden Fragen der Handelsbilanz im Mittelpunkt des Besuchs des SPD-Chefs stehen. Sowohl das Handelsbilanzdefizit als auch die Lieferketten entwickeln sich in eine für Deutschland unvorteilhafte Richtung. Wie die Außenhandelsagentur GTAI kürzlich mitteilte, hat das Handelsbilanzdefizit mit 87,6 Milliarden Euro zuungunsten Deutschlands einen historischen Rekordwert erreicht.

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GTAI hat die Entwicklung des Austauschs von Waren und Dienstleistungen zwischen beiden Ländern von Januar bis September 2025 analysiert und hochgerechnet. Gegenüber dem Vorjahr wäre demnach von einem Plus von 7,1 Prozent bei den Importen aus China auszugehen. Das wäre für sich genommen kein außergewöhnlich hoher Wert.

Was Deutschland jedoch zu denken gibt, ist der Umstand, dass die eigenen Exporte in China immer weniger gefragt sind. Diese würden der Hochrechnung der Daten des Statistischen Bundesamtes zufolge um 10,6 Prozent auf 80,4 Milliarden Euro im Vorjahresvergleich sinken.

US-Zollpolitik leitet Chinas Überkapazitäten nach Europa um

Die Zollpolitik der US-Regierung unter Donald Trump und die chinesischen Beschränkungen beim Export Seltener Erden bereiten Deutschland ebenfalls Kopfzerbrechen. Auch diese werden Thema der bilateralen Gespräche mit Klingbeil sein. Die Trump-Zölle machen es für chinesische Unternehmen noch attraktiver, ihre Überkapazitäten auf dem europäischen Markt loszuwerden.

Der Vizekanzler soll im Vorfeld seine Position mit EU-Beamten abgestimmt haben, die für Deutschlands Handelspolitik innerhalb der Staatengemeinschaft verantwortlich sind. Klingbeil erklärte bereits vor seiner Abreise, dass „Zugang zu wichtigen Seltenen Erden und die Reduktion chinesischer Überkapazitäten“ für Wirtschaft und Jobs in Deutschland von besonderer Bedeutung seien. Dies gelte vor allem für Bereiche wie Stahl oder Elektromobilität, in denen China seine Kostenvorteile in Europa selbst und auf dem Weltmarkt gegenüber Deutschland voll ausspielt.

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Dazu kommt, dass Europa für die Fertigung von E-Autos und Chips auf Seltene Erden angewiesen ist. Klingbeil wurde zum Auftakt seiner Reise bereits vom stellvertretenden Regierungschef des KP-Regimes, He Lifeng, im Staatsgästehaus Diaoyutai in Peking empfangen. Der deutsche Vizekanzler wird in weiterer Folge am deutsch-chinesischen Finanzdialog teilnehmen, zu dem ihn auch eine Delegation von Vertretern der deutschen Finanzindustrie begleiten wird.

Bundestag hat Expertenkommission bestellt – und will Nexperia-Situationen verhindern

Klingbeil will eigenen Angaben zufolge in China für einen „fairen wirtschaftlichen Wettbewerb“ sowie für „regelbasierte Märkte und globale wirtschaftliche Stabilität“ eintreten. Zudem suche man „den Dialog mit China, um trotz wachsender internationaler Spannungen Lösungen für drängende Probleme zu finden“.

Erst am vergangenen Donnerstag hatte der Deutsche Bundestag eine Expertenkommission damit beauftragt, eine neue handelspolitische Strategie gegenüber China auszuhandeln. Eines der Ziele soll dabei sein, Eklats wie jenen um Nexperia in den Niederlanden zu vermeiden. Die mittlerweile abgewählte niederländische Regierung hatte den chinesischen Chiphersteller unter staatliche Kontrolle gestellt.

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Als Grund dafür nannte man in Den Haag Bedenken, sensibles Know-how könnte an die von Chinas KP-Regime kontrollierte Muttergesellschaft Wingtech abfließen. Die Führung in Peking stellte daraufhin die Ausfuhr von Nexperia-Produkten ein. Volker Treier, der Außenhandelsrepräsentant der Deutschen Industrie- und Handelskammer, warnte vor einer Vermischung von Handels- und Geopolitik:

„Das Beispiel von Nexperia sollte uns zum Reden und zur Forderung nach Transparenz anspornen – sonst wird ein geschäftliches Problem als geopolitisches Thema genutzt.“

Wird Klingbeil vorsichtigere Kritik üben als Wadephul und Baerbock?

Eine Ansprache geopolitischer Themen hatte jedoch zum Eklat rund um den geplatzten Wadephul-Besuch beigetragen. Wadephul hatte der Führung in Peking im August ein „zunehmend aggressives“ Vorgehen in der Taiwan-Politik bescheinigt. Darüber hinaus kritisierte er das Verhältnis Chinas zur Russischen Föderation.

China ist im Ukraine-Krieg offiziell neutral. Nach Meinung westlicher Politiker tragen der chinesische Export von Dual-Use-Gütern und die wachsende Energiepartnerschaft mit Russland zur Verlängerung des Krieges bei. Auch Klingbeil erklärte im Vorfeld seines Besuchs, die Führung in Peking spiele eine „entscheidende Rolle“, wenn es darum gehe, diesen zu beenden.

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Es wird erwartet, dass der Vizekanzler den Ukraine-Konflikt anspricht. Offen bleibt, in welcher Form dies geschehen wird. Für Klingbeil wird der Besuch zu einem diplomatischen Drahtseilakt. Allerdings könnte der SPD-Chef versuchen, Kritik am Gastgeber in sensiblerer Form zu artikulieren als zuvor Wadephul oder dessen Amtsvorgängerin Annalena Baerbock. Der Minister will am Mittwoch auch nach Shanghai reisen und dort mit Vertretern in China ansässiger deutscher Unternehmen zusammentreffen. Am Donnerstag geht es weiter nach Singapur.



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