Massiver Stromüberschuss am Pfingstsonntag: Ausland kann nicht komplett helfen

Bereits vor Monaten haben unter anderem Solarunternehmen vor einer bedrohlichen Stromüberproduktion zu Ostern und zu Pfingsten gewarnt. Am heutigen Pfingstsonntag könnten die Erzeugerdaten die deutschen Stromnetzbetreiber ins Schwitzen bringen – trotz teils bewölktem Himmel.
Laut den Daten des Portals „Energy Charts“ des Fraunhofer-Instituts ISE (Stand: 8. Juni, 9:30 Uhr) ist am Sonntagnachmittag, 8. Juni, mit einer massiven Stromüberproduktion zu rechnen.
Hellbrise erzeugt 23 GW zu viel
Schon ab etwa 5 Uhr morgens fingen alle inländischen Kraftwerke an, mehr zu produzieren, als benötigt wurde. Zu dieser Zeit kam der Strom überwiegend von Windkraftanlagen, da derzeit viel Wind die über 30.600 Windturbinen in Deutschland antreibt.
Mit dem Sonnenaufgang sprangen zudem wie gewohnt die Photovoltaikanlagen an. In der Spitze werden diese am frühen Nachmittag den Daten zufolge nochmals bis zu 29 Gigawatt (GW) ins Stromnetz einspeisen. Mehr als 43 GW aller installierten Solarleistung sind momentan nicht durch die Netzbetreiber fernsteuerbar.
Das führt letztlich dazu, dass gegen 13:45 Uhr die Erzeugungskurve weit über die Verbrauchs- oder Lastkurve ansteigt. Alle Kraftwerke erzeugen dann insgesamt 67,3 GW, während die Last nur bei 44,1 GW liegen wird. Zu dieser Zeit wird diese Überproduktion gut 23 GW betragen. Das entspricht der Leistung von 16,5 Kernkraftwerken.

Daten der öffentlichen Stromproduktion von KW 23 in Deutschland. Am Pfingstsonntag wird weit mehr Strom produziert als verbraucht (blauer Kreis rechts). Foto: Bildschirmfoto /energy-charts.info/Fraunhofer ISE
Die übrigen steuerbaren Kraftwerke wie Kohle-, Gas-, Biomasse- und Wasserkraftwerke können und dürfen die Netzbetreiber nicht komplett auf null herunterfahren. Am Sonntagnachmittag werden diese Kraftwerke bereits auf ihr Minimum heruntergefahren.
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Warum ist das bedrohlich?
Das Problem ist die Differenz zwischen Stromerzeugung und Stromverbrauch. Gerade an einem Feiertag wie dem Pfingstsonntag ist der landesweite Verbrauch besonders niedrig. Wenn dann die Stromproduktion hoch ist, kann diese Differenz zu groß werden.
Im Stromnetz sollte es möglichst keinerlei Über- oder Unterproduktion geben. „Die eingespeiste elektrische Leistung muss der entnommenen exakt entsprechen“, erklärte erst kürzlich der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. (VDE).
Ist die Leistung zu hoch oder zu niedrig, gerät die Netzfrequenz aus dem Takt. Die Netzbetreiber müssen diese stets bei 50 Hertz (Hz) halten. Bereits ab 49,8 Hz beziehungsweise 50,2 Hz wird es kritisch. Dann kann es zu Frequenzschwankungen kommen, die das Stromnetz instabil werden lassen. Es droht ein großflächiger Stromausfall.
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Dieser kann unter Umständen mehrere Länder betreffen, wie es zuletzt beim sogenannten „Spainout“ zu sehen war. Ende April haben Frequenz- und Spannungsschwankungen im Netz der iberischen Halbinsel dieses zum Kollabieren gebracht. Betroffen waren Spanien, Portugal, Andorra und Teile Südfrankreichs.
Auslöser war laut dem spanischen Übertragungsnetzbetreiber Red Eléctrica (REE) ein Überschuss an Solarenergie. In Portugal haben vor dem Blackout Wind- und Wasserkraft einen Überschuss im Netz erzeugt, wie die dortigen Stromdaten gezeigt haben.
Welche Maßnahmen gibt es?
Zunächst gibt es Pumpspeicheranlagen. Sie können überschüssigen Strom verbrauchen, indem sie Wasser in höhergelegene Wasserreservoirs pumpen. Der Stromverbrauch kann hier mehrere GW betragen. Zur Zeit der Überproduktion am Pfingstsonntag laufen die Pumpspeicheranlagen mit rund 5,5 GW.
Eine weitere Maßnahme ist der grenzüberschreitende Stromhandel, der in Europa regelmäßig betrieben wird. Am Pfingstsonntag nehmen unsere Nachbarländer allerdings nur bis zu 14,9 GW (um 12:45 Uhr) ab. Um 13:45 Uhr sind es voraussichtlich 13,6 GW.
Letztlich werden an diesem Nachmittag teils mehr als 10 GW zu viel Strom im Netz vorhanden sein.
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Falls dieser Überschuss wirklich bestehen bleibt, könnte es – um die Netze stabil zu halten – im nächsten Schritt zu kontrollierten Abschaltungen von Regionen mit hoher Stromproduktion kommen – sogenannte Brownouts. Das soll einen Blackout verhindern. Setzt dieser ein, würde es mehrere Stunden oder Tage dauern, bis die Stromversorgung wieder vollständig hergestellt ist.
Erneuter Minuspreis
Aufgrund des massiven Stromüberschusses reagiert der Preis an der Strombörse „Day Ahead Auktion“ entsprechend. Er fällt erneut in den negativen Bereich: Am Nachmittag beträgt er bis zu -53,06 Euro pro Megawattstunde (MWh).
Das bedeutet, dass die deutschen Netzbetreiber für jede verbrauchte oder abgenommene MWh noch diesen Betrag bezahlen müssen. Nimmt ein Nachbarland Deutschland zu dieser Zeit Strom ab, gilt für den Abnehmer der Börsenstrompreis seiner Gebotszone.
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