Bußgelder gegen das Betteln: Die neue Härte in deutschen Städten

Immer mehr deutsche Städte erlassen Einschränkungen gegen das Betteln im öffentlichen Raum – von Platzverweisen bis hin zu hohen Bußgeldern. In Hamburg klagt nun die Gesellschaft für Freiheitsrechte gegen das Bettelverbot im Nahverkehr. Sie sieht darin einen Verstoß gegen Grundrechte.
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Oftmals landen Langzeitarbeitslose auf der Straße und betteln.Foto: iStock
Von 1. April 2025

Mehrere deutsche Städte haben im Laufe der vergangenen Jahre das Betteln im öffentlichen Raum eingeschränkt. In immer mehr Fällen wurde gegen Personen, die in Fußgängerzonen, in Bahnhofsgebäuden oder in öffentlichen Verkehrsmitteln gegen diesbezügliche Verbote verstießen, nicht nur mit Platzverweisen belegt. Immer häufiger verhängen Ordnungsämter auf Betreiben von Verkehrsbetrieben auch Bußgelder gegen Betroffene – unabhängig von deren Einbringlichkeit.

Gesellschaft für Freiheitsrechte geht gegen Bettelverbot in Hamburgs ÖPNV vor

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) will nun auf der Grundlage des Anlassfalls eines Wohnungslosen in Hamburg gegen die dort bestehende Verbotsregelungen vorgehen. Der Hamburger Verkehrsverbund hatte gegen den in der U-Bahn um Geld- oder Essensspenden bittenden Kläger zuletzt ein Bußgeld in Höhe von 40 Euro erwirkt.

Ein weiterer Betroffener hat sich angeschlossen. Am Mittwoch, 26. März, hat die GFF gemeinsam mit dem Straßenmagazin „Hinz&Kunzt“ vor dem Amtsgericht eine Klage gegen das Bettelverbot im ÖPNV des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV) eingebracht. Wie auch in München, Berlin und Bremen ist ein generelles Bettelverbot in den Beförderungsbedingungen verankert.

Die Kläger begehren nun die Feststellung, dass eine so pauschale Regelung gegen Grundrechte wie die Persönlichkeitsentfaltung oder die Meinungsfreiheit verletze und deshalb unwirksam sei. Verfahrenskoordinatorin Mareile Dedekind erklärt dazu, es sei das Recht von Menschen in Not, um Hilfe zu bitten. In einer Erklärung äußert sie:

„Arme Menschen für ihren Appell an Mitmenschlichkeit zu bestrafen, ist menschenverachtend und verletzt Grundrechte. Das Gericht hat jetzt die Möglichkeit, diese rechtswidrige Praxis zu beenden und damit bundesweit für Klarstellung zu sorgen.“

Aggressives und organisiertes Betteln als besondere Ärgernisse

Seit Mai 2024 hat Hamburg seine Gangart gegen das Betteln in öffentlichen Verkehrsmitteln und an Haltestellen verschärft. Kontrolleure werden verstärkt aktiv, dazu kommen regelmäßige Lautsprecherdurchsagen. Wie eine Anfrage der Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft zutage förderte, wurden allein im ersten Halbjahr 2024 in 1.319 Fällen Bußgelder wegen Bettelns und Musizierens in den Bahnen verhängt. Diese beliefen sich auf eine Gesamtsumme von mehr als 50.000 Euro.

Andere deutsche Städte haben abgestufte Regelungen, die vor allem auf aggressives und organisiertes Vorgehen abgestimmt sind. In München gibt es ein generelles Bettelverbot auf dem Oktoberfest und in Fußgängerzonen – das erst im Juni 2024 ausgeweitet wurde. Ein generelles Verbot gilt für aggressives Betteln, das Festhalten von Passanten und das Zurschaustellen von Wunden. Seit 2014 sollen mehr als 1.000 Vorfälle angezeigt worden sein.

Das sogenannte Demutsbetteln bleibt jedoch erlaubt – also das passive Sitzen und stille Bitten um Spenden mit oder ohne Schild. Voraussetzung dafür ist, dass keine Täuschung und kein Bedrängen damit verbunden ist.

Städte setzen auf Kontrollen und Bußgelder

Auch Stuttgart legt den Fokus auf aggressives und organisiertes Betteln. Schärfere Kontrollen durch den Städtischen Vollzugsdienst haben zu einem Rückgang des Phänomens geführt. Nürnberg droht in diesen Fällen mit Bußgeldern bis zu 550 Euro – und Erzwingungshaft bei Nichtbezahlung. Berlin sieht Bußgeld bis 500 Euro für das Betteln mit Kindern vor.

Generell geht die Tendenz dazu, „nachdrückliches oder hartnäckiges Ansprechen“ oder den Einsatz von Kindern als „mitleiderregendes Druckmittel“ zu unterbinden. Auch halten Kontrolleure von Ordnungsämtern in den Innenstädten Ausschau nach speziellen Trickdiebstahlsmaschen, wie den „Klemmbrett-Trick“.

Die Städte wollen mit ihren Restriktionen gegen das Betteln die öffentliche Ordnung wahren und insbesondere Beschwerden aus der Bevölkerung und von Geschäftsleuten vermeiden. Nicht alle Kommunen verhängen umgehend Bußgelder. Häufig werden Platzverweise erteilt, in Bremen werden bei aggressivem Vorgehen erbettelte Gelder sichergestellt.

Höchstgerichte bewerten Betteln in bestimmten Fällen als Grundrecht

Die GFF hingegen verweist darauf, dass es kein Recht auf Nichtsichtbarkeit von Armut und Elend gibt. In einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts infolge einer Wettbewerbsklage gegen das Modeunternehmen Benetton, das mit „Schockwerbung“ operiert hatte, hieß es im Jahr 2000:

„Ein vom Elend der Welt unbeschwertes Gemüt des Bürgers ist kein Belang, zu dessen Schutz der Staat Grundrechtspositionen einschränken darf.“

Im Jahr 2021 erklärte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), dass ein generelles und ausnahmsloses Bettelverbot unzulässig sei. Geklagt hatte eine Frau aus der rumänischen Roma-Community, die Anfang der 2000er-Jahre in Genf gelebt und als erwerbslose Analphabetin keine soziale Unterstützung erhalten hatte.

Für schutzbedürftige Menschen, die nur so ihre Grundbedürfnisse befriedigen könnten, könne das Betteln ein „der Menschenwürde innewohnendes Recht“ sein. Der EGMR sprach der Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 922 Euro zu.

Wer bettelt – und warum?

Das Hauptmotiv für das Betteln in deutschen Städten ist nach wie vor Armut. Über Herkunft, Wohnungssituation oder Aufenthaltsstatus Betroffener gibt es überregional keine amtlichen Statistiken. In einigen Fällen handelt es sich um gewöhnlich in Deutschland aufhältige Obdachlose, Langzeitarbeitslose oder Bedürftige mit oder ohne deutsche Staatsangehörigkeit.

Daneben spielen auch temporär in Deutschland aufhältige Personen eine Rolle, von denen einige aus Südosteuropa stammen. Einige davon sind familiären oder regionalen Netzwerken zuzuordnen. In einzelnen Fällen gibt es auch Berichte über organisierte Zuweisung von Bettelplätzen, Nötigung von Kindern oder die Instrumentalisierung von Behinderungen. In einigen Fällen sind auch abgelehnte Asylbewerber in Bettelei involviert.



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