Corona-Aufarbeitung: „Mauer des Schweigens“ einreißen, damit vergebender Dialog möglich ist

Mitglieder des Vereins Pädagogen für Menschenrechte erinnern in Karlsruhe mit einer politischen Performance an die Corona-Maßnahmen in Schulen vor fünf Jahren. Eine Schülerin berichtet, wie der Psychoterror an ihrer Schule sie krank gemacht hat.
Titelbild
Die „Mauer des Schweigens“ muss eingerissen werden.Foto: Oliver Signus
Von 8. Juli 2025

Abstandsregelungen. Maskenzwang. Schulschließungen. Stigmatisierung. Kindeswohlverletzung. Auf etwa 35 großen Pappwürfeln stehen Begriffe, die in direktem Zusammenhang mit den Repressalien zu bringen sind, denen Kinder und Jugendliche während der Corona-Pandemie ausgesetzt waren. Sie liegen verteilt auf dem Platz der Grundrechte in Karlsruhe. Direkt daneben steht das Karl-Friedrich-Denkmal. Im Hintergrund badet das Karlsruher Schloss in dem goldenen Licht der Sonne. Unweit liegen auch die Gebäude, in denen die Bundesverfassungsrichter ihre Urteile fällen.

Die Mauer des Schweigens muss eingerissen werden

Der Verein Pädagogen für Menschenrechte erinnerte am Samstag, 5. Juli, mit einer politischen Kunstperformance an die Maßnahmen in Schulen, die im März 2020 begannen und erst nach etwas mehr als zwei Jahren Ende März 2022 endeten. Einige Aktivistinnen repräsentieren Behörden und Politik, sie greifen zum Besen und schieben die Würfel unter eine Plane. Dieses symbolische „Alles unter den Teppich kehren“ kritisiert den Umgang der Obrigkeiten mit dem Geschehenen.

Das wollen die Lehrer aber nicht hinnehmen und holen die weggekehrten Kisten wieder ans Tageslicht. Auf seiner Internetseite schreibt der Verein dazu:

Wir fordern eine Anerkennung der erfolgten Kindeswohlverletzungen als Voraussetzung für einen klärenden und vergebenden Dialog, der gesellschaftliche Gräben schließen und die entstandenen Wunden heilen kann.“

Zum Abschluss der Performance stapeln sie die Kisten zu einer „Mauer des Schweigens“, die sie am Ende wieder einreißen, um damit deutlich zu machen, dass es dringend notwendig ist, eben jenes Schweigen zu durchbrechen.

Beim Betrachten des Szenarios auf dem Platz kommen Erinnerungen hoch. Da war die Mutter, die in einem Chat verzweifelt berichtete, dass sich ihre neunjährige Tochter in den Pausen hinter einem Gebüsch am Rande des Schulhofs versteckt und sich die Maske vom Gesicht zieht, um richtig atmen zu können. Sie verbirgt sich, schreibt die verzweifelte Mutter, weil sie Angst vor den Lehrern hat, die mit den Kindern schimpfen, wenn sie sich nicht akribisch an die Maßnahmen halten.

Was Behörden und Politiker unter den Teppich kehren, bringen die Pädagogen wieder zum Vorschein. Foto: Oliver Signus

Kinder mit der Schwimmnudel auf Abstand gehalten

Da ist die Erinnerung an die Lehrerin, die den ganzen Tag mit einer Schwimmnudel in der Hand durch die Schule läuft und so Kinder wie auch Kollegen auf Distanz hält. In einem Abstand von mindestens 1,50 Metern vor ihrem Pult im Klassenzimmer haftet Klebeband am Boden. Für die Grundschulkinder ist das die „rote Linie“, näher dürfen sie der Frau nicht kommen.

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Da ist die Erinnerung an den Vater, der bei einer maßnahmenkritischen Demonstration in Berlin vor einer Mauer aus Polizisten steht und ihnen berichtet, wie seine 14-jährige Tochter wegen Maskenzwang und Kontaktverbot in den psychischen Abgrund fiel und Essstörungen entwickelte. Seine Schilderungen sind so eindringlich, dass zwei junge Polizistinnen, die in der ersten Reihe vor ihm stehen, Tränen in den Augen haben. Ein älterer Beamter bekommt das mit und führt seine Kolleginnen in eine der hinteren Reihen.

Bilder über Bilder, Geschichten über Geschichten. Sie zeigen, wie präsent die Ereignisse aus den Jahren 2020 bis 2022 noch sind. Und die Performance der Pädagogen kramt tief in den Erinnerungen der Betrachter und schaufelt vieles wieder an die Oberfläche.

Zurück auf den Schlossplatz in Karlsruhe: Eine Frau berichtet während der Performance, wie ihr Sohn, obwohl er die Corona-Maßnahmen ablehnte, dennoch das Abitur absolvierte und bestand. Während sie erzählt, spürt man, wie stolz sie darauf ist, dass sich der junge Mann damals trotz des Drucks nicht beirren ließ.

Massive Schikanen gegen Schülerin

Massive Restriktionen erfuhr hingegen Merle, die im Corona-Jahr 2021 ihr Abitur ablegte. Sie verfolgt die Performance ebenfalls und berichtet im Gespräch mit Epoch Times von den Schikanen, denen sie von Schulleitung, Lehrern und Mitschülern ausgesetzt war. So erzählt sie, dass sie, die als Einzige ein Attest besaß, welches sie vom Tragen einer Maske befreite, deswegen bereits 10 Minuten vor Unterrichtsbeginn im Klassenraum erscheinen musste. Abseits der Mitschüler saß sie in einer Ecke. Gehen durfte sie erst 5 Minuten nach dem Pausenklingeln, nachdem alle anderen bereits weg waren.

Sie sah sich auch einer massiven Ausgrenzung ausgesetzt. Mit „Achtung, sie kommt“ wurde vor ihr gewarnt. In einer Petition forderten Mitschüler, dass Merle das katholische Privatgymnasium verlassen soll. Weil auch bekannt war, dass sie an den coronakritischen Kundgebungen der „Querdenker“ teilnahm, verfasste der Schulleiter ein Schreiben über ihre angebliche politische Gesinnung. Gegen ihn und eine Lehrerin, die Merle maßgeblich für ihre gesundheitlichen Probleme verantwortlich machte, brachte sie später Dienstaufsichtsbeschwerden auf den Weg. Diese liefen allerdings ins Leere. So sah sich das staatliche Schulamt als nicht zuständig an und verwies auf die katholische Kirche. Der Schulträger sah jedoch keine Handlungsmöglichkeiten.

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Unterricht im Plexiglaskasten

Der tägliche Psychoterror hinterließ bald ernsthafte Spuren. Die junge Frau entwickelte Angst- und Panikattacken und sah sich nicht mehr in der Lage, die Schule zu besuchen. Distanzunterricht wurde ihr untersagt, „obwohl das technisch möglich gewesen wäre“.

Kurz vor Beginn der Abiturprüfungen kehrte Merle wieder in die Schule zurück. Die Wiedereingliederung begleitete eine Integrationshelferin. Doch die Schikanen gingen weiter. So musste die Schülerin während des Unterrichts in einem Plexiglaskasten sitzen. Weil sie so lange gefehlt hatte, musste sie zur Erlangung des Abiturs neun zusätzliche mündliche Prüfungen in verschiedenen Fächern ablegen.

Das alles hat sie letztlich bewältigt und hat sich mithilfe ihres Umfeldes gut erholt. Die Performance der Pädagogen für Menschenrechte hält Merle für eine wichtige Aktion, „damit es nicht vergessen geht“. Auch hält sie es für gut, „dass andere eine Aufarbeitung fordern“.

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Es herrscht ein „ohrenbetäubendes Schweigen“

Die fehlende Auseinandersetzung mit der Kindeswohlverletzung im Bildungssystem kritisiert Sascha Frick, Vorstandsmitglied des als gemeinnützig anerkannten Vereins. Es herrsche ein „ohrenbetäubendes Schweigen“. Die „Übergriffe“ hätten ungeheilte Wunden bei Kindern, Eltern und Lehrern hinterlassen. Mit der Performance erinnere der Verein daran, wie Kinder und Jugendliche während der Pandemie „massiv unter Druck gesetzt“, wie sie „stigmatisiert und ausgegrenzt“ wurden.

Dies alles seien schwerwiegende Übergriffe auf die Persönlichkeitsrechte. „Und wir fragen uns, warum das so viele Lehrer mitgemacht haben.“ Dieses „historische Versäumnis“ aus jener Zeit könne man „so nicht stehen lassen“, sagt er.

Dabei weist er darauf hin, dass es Lehrer gab, die kritische Fragen stellten – etwa zu den Verhältnismäßigkeiten der Maßnahmen – und die „für Übergriffe nicht zur Verfügung standen“. Viele dieser kritischen Lehrer hätten einen „hohen Preis“ bezahlt. Als Beispiel nennt er Disziplinarverfahren und Entlassungen.  Es stelle sich die Frage, ob Beamte aus Angst vor Konsequenzen „Befehle ausführen, obwohl sie wissen, dass sie falsch und schädlich sind“.

Mit den auf die Würfel geschriebenen Begriffen wolle man in Worte fassen, was sich damals zugetragen hat. Sie bildeten einen „Überblick von Übergriffen im pädagogischen Kontext“. Statt einer Aufarbeitung werde geschwiegen und übergangen. Es wird sprichwörtlich „unter den Teppich gekehrt“.

Die Performance wollen die Initiatoren in loser Folge auch in anderen deutschen Städten zeigen. Die jeweiligen Termine veröffentlichen die Pädagogen für Menschenrechte auf ihrer Internetseite.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.



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