„Desaster mit Ansage“: Mobbing und Zensur im öffentlich-rechtlichen Rundfunk?

In Kürze:
- Julia Ruhs erklärt, das Ende ihres Engagements beim NDR sei politisch bedingt
- WDR-Chefredakteur zeigt sich selbstkritisch
- Bundesverwaltungsgericht Leipzig: Mündliche Verhandlung zur Rundfunkbeitragspflicht am 1. Oktober im Revisionsverfahren
- Epoch Times wird live berichten.
Am 1. Oktober 2025 um 10 Uhr wird das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in einem Grundsatzverfahren (Aktenzeichen BVerwG 6 C 5.24) klären, ob eine systematische Verfehlung des Programmauftrags durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) die Bürger von ihrer Zahlungspflicht befreien kann. Dabei geht es auch darum, inwieweit der ÖRR der Aufgabe, die Meinungsvielfalt zu gewährleisten, nachkommt.
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Vor Kurzem bekamen die seit Jahren andauernden Zweifel an der Gewährleistung der Meinungsvielfalt im ÖRR einen deutlichen Auftrieb – durch den „Fall Julia Ruhs“. In einer Stellungnahme des NDR vom 17. September wies der Sender in wolkigen Worten darauf hin, dass das Magazin „KLAR“, das im Wechsel von „Norddeutschem Rundfunk“ (NDR) und „Bayerischem Rundfunk“ (BR) produziert wird, weitergeführt werde.
Aber gegen Ende steht der Satz: „Die BR-Kollegin Julia Ruhs bleibt Teil des Moderationsteams für die Ausgaben des Bayerischen Rundfunks.“ Der NDR sagte dabei nicht explizit, dass die bis dahin für alle „KLAR“-Sendungen verantwortliche Redakteurin Julia Ruhs vom NDR-Anteil suspendiert wurde. Sie soll künftig nur noch die Sendungen moderieren, die der BR produziert. Auch den Grund für die Entscheidung nannte der NDR nicht.
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Ruhs: „Cancel Culture“
Die 31 Jahre alte Moderatorin Ruhs empfand die NDR-Entscheidung als „Rauswurf“ und nahm umgehend am selben Tag auf X Stellung: „Ich bin zutiefst enttäuscht, ja fassungslos über die Entscheidung des NDR, genauso wie mein gesamtes KLAR-Team. Dass ich KLAR für den NDR nicht mehr moderieren darf, ist ein Armutszeugnis. Geht es beim NDR mit dem Format weiter, wird auch die Redaktion (+Chef) eine andere sein.“
In einem weiteren X-Post sprach sie sogar von „Cancel Culture“. In einem öffentlichen Auftritt warf Ruhs dem ÖRR vor, „ein Ausgewogenheitsproblem“ zu haben. Der Fokus liege zwar jetzt auf ihr, sie werde als „das Gesicht der Sendung“ gesehen, aber es seien weitere Kollegen ihres Teams „geschasst“ worden.
Es geht um drei Sendungen aus dem April, Juni und Juli dieses Jahres. Die ARD warb für die Sendungen mit den Worten:
„Julia Ruhs und das Team von KLAR geben Antworten auf die großen Streitfragen unserer Zeit. Wir schauen hin, zeigen, was falsch läuft, und dokumentieren so Fehlentwicklungen in unserer Gesellschaft.“
Die Themen der drei Sendungen lauteten:
- „Hat Corona uns zerrissen?“
- „Der Frust der Bauern“
- „Migration: Was falsch läuft“.
Ruhs: „Rauswurf war politisch“
Vor allem die erste Sendung, in der Ruhs über Gewalt im Zusammenhang mit Migration berichtet, soll die Gemüter der NDR-Redaktion derart erregt haben. 250 Kollegen sollen eine Petition zur Absetzung der Moderatorin verfasst haben.
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Ruhs, die auch für „Focus online“ schreibt, glaubt in einem von ihr verfassten Artikel vom 20. September: „Trotz großem Zuspruch der Zuschauer wurde ich vom NDR aus dem Format ‚Klar‘ rausgeworfen. Weil ich ‚zu rechts‘ bin, Kollegen Sturm liefen. Es ist ein Problem, wenn die Kollegenmeinung mehr zählt als die Zuschauermeinung.“ Und weiter:
„Das Format war gedacht für die Mitte der Gesellschaft, für konservativer eingestellte Menschen. Es sollte sich auch an diejenigen richten, die den Öffentlich-Rechtlichen nicht gerade wohlgesonnen sind. Wir hatten das Ziel, ihnen ein Programm zu bieten, dem sie vertrauen, weil es sich nicht dem medialen Mainstream beugt.“
Aber offenbar spielte das für den NDR keine Rolle. „Denn dort hatte man intern viele Kritiker, die Unterschriften gegen unser Format sammelten, geheime Chatgruppen gründeten, die sich vor allem auf mich eingeschossen hatten“, berichtet Ruhs. Sie kommt zu dem Schluss: „Mein Rauswurf war vor allem eines: politisch.“
Böhmermann: „Rechtspopulistischer Quatsch“
Doch nicht ihre NDR-Kollegen waren Ruhs erste Kritiker. Nach der Veröffentlichung der ersten Folge über Migration ging am 11. April der vom ZDF als Satiriker eingestufte Jan Böhmermann in seiner Sendung „ZDF Magazin Royale“ folgendermaßen auf Ruhs Sendung ein:
„Wenn demnächst in Ihrer Wehrsportgruppe oder beim AfD-Kinderturnen überraschend ein verzweifelter Redakteur vom NDR oder vom BR vorbeikommt und Sie fragt, ob Sie vielleicht Lust haben, ein eigenes, journalistisches Klartext-Format im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu moderieren und Sie sich dann unsicher sind, wie Sie diesen ganzen rechtspopulistischen Quatsch in Ihrer Birne als seriösen Journalismus verkaufen können, dann habe ich einen kleinen Tipp für Sie.“
Besonders erregte er sich über den Satz „Was jetzt kommt, wird vielleicht nicht jedem gefallen“, den Ruhs in ihrer ersten Sendung genutzt hatte. Böhmermanns Kritik: Mit diesem Satz könne man „jede noch so große Schweinerei, die Ihnen durch die Rübe geht, jede Dummheit, jede Unmenschlichkeit und jeden Irrsinn als ernsthaft debattierbares Thema in den Medien verkaufen“.
WDR-Chefredakteur empört
„Wer dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ohnehin schon misstraut, der fühlt sich gerade sehr bestätigt. Die Vorgänge um ‚Klar‘ und Julia Ruhs sind ein Desaster mit Ansage“, schrieb am 20. September der WDR-Chefredakteur Stefan Brandenburg auf LinkedIn. Und weiter: „Menschen mit einem konservativen Weltbild, die sich im politischen Spektrum weiter rechts verorten, fühlen sich von uns nicht ausreichend repräsentiert. Das müssen wir anerkennen. Wir sollten uns selbstkritisch fragen, wie wir in diese Situation gekommen sind“, meint Brandenburg und stellt klar: „Eindeutig ist allerdings unser Auftrag: unterschiedlichste Sichtweisen bieten. Dem müssen wir stärker nachkommen als bisher“, schreibt er selbstkritisch. Und gibt zu:
„In der Debatte, was sich bei uns ändern muss, sind wir oft viel zu fixiert auf parteipolitische Positionierungen. […] Und ja, es geht auch darum, zu verstehen, dass die Mehrheiten in diesem Land derzeit eher konservativ sind.“
Zum Thema Migration erklärt er: „Es gibt Aspekte dieses Themas, die bei uns zu wenig vorkommen. Das hat oft damit zu tun, dass man sich nicht mit den falschen Leuten gemeinmachen will. Kriminalität und Herkunft ist so ein Aspekt. Es wird in unseren Programmen wenig darüber berichtet und genau an solchen Stellen verlieren wir Vertrauen, weil der Eindruck entsteht, dass wir das Offensichtliche nicht aussprechen.“
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Missstände beim ÖRR seit 2024 angeprangert
Die Missstände beim ÖRR sind jedoch nicht neu. Die Kritik am ÖRR reißt seit Längerem nicht ab. Die ehemalige rbb-Intendantin Patricia Schlesinger etwa kämpft vor Gericht gerade gegen Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe. Sie war ab 2016 zunächst Intendantin des „Rundfunks Berlin-Brandenburg“ (rbb), ab 2022 war sie zudem Vorsitzende der ARD. Nachdem zahlreiche Vorwürfe der Vorteilsnahme und Vetternwirtschaft publik wurden, trat sie von ihren Ämtern zurück. Die Generalstaatsanwaltschaft hat seither strafrechtliche Ermittlungen aufgenommen.
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Im April 2024 traten Mitarbeiter des ÖRR mit einem „Manifest“ an die Öffentlichkeit und rechneten mit der „zunehmenden Diskrepanz zwischen Programmauftrag und Umsetzung“ ab. „Seit geraumer Zeit verzeichnen wir eine Eingrenzung des Debattenraums anstelle einer Erweiterung der Perspektive“, heißt es in dem vierseitigen Papier.
„Wir vermissen den Fokus auf unsere Kernaufgabe: Bürgern multiperspektivische Informationen anzubieten. Stattdessen verschwimmen Meinungsmache und Berichterstattung zusehends auf eine Art und Weise, die den Prinzipien eines seriösen Journalismus widerspricht.“
Und weiter: „Nur sehr selten finden relevante inhaltliche Auseinandersetzungen mit konträren Meinungen statt. Stimmen, die einen – medial behaupteten – gesellschaftlichen Konsens hinterfragen, werden wahlweise ignoriert, lächerlich gemacht oder gar ausgegrenzt.“ Wer anders denkt, werde mit „Kampfbegriffen“ diffamiert und etwa als „Querdenker“, „Klimaleugner“ oder „Putin-Versteher“ diffamiert und mundtot gemacht.
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Außerdem wird von der Gruppe in einem Pressestatement kritisiert, dass Anna Engelke, Ex-Sprecherin von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD), Teil des Leitungsteams des ARD-Hauptstadtstudios wurde. Auf einer Website der ÖRR-Kritiker heißt es dazu: „Der Klüngel hat System.“
Politiker springen auf Debatte auf
Inzwischen sind auch eine Reihe von Politikern auf das Thema aufgesprungen. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) kritisierte am Abend der Bekanntgabe des Rauswurfs laut „Kieler Nachrichten“: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk erweist sich mit solchen Entscheidungen einen Bärendienst.“ Ähnlich äußerte sich Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auf X:
„Das ist kein gutes Signal für die Meinungsfreiheit, Pluralität und Toleranz im öffentlich-rechtlichen NDR. Konservative Stimmen gehören zum demokratischen Meinungsspektrum, auch wenn das einigen Linken nicht gefällt. Zum Glück gibt es Bayern und den Bayerischen Rundfunk.“
Der parteilose Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer schreibt auf Facebook unter dem Hashtag #Minderheitenschutz: „Wenn eine ziemlich normale und wenig extreme junge Frau zu einem Symbol für etwas wird, was dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk abhandengekommen ist, nämlich Meinungen ihrer Redakteure, die nicht grün, woke, links, sozial oder progressiv sind, dann ist es mindestens unsensibel, eher aber eine Dummheit, ausgerechnet diese eine Person aus dem Programm zu nehmen. […] Der Verdacht, dass da jemand politisch kalt gestellt werden soll, liegt so auf der Hand, dass man dagegen gar nicht ankommen kann. […] Wir müssen weg von diesem Kulturkampf und die anderen Meinungen auch gelten lassen.“
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Und der FDP-Parteivorsitzende Christian Dürr meint:
„Der ÖRR soll die Meinungsvielfalt der Gesellschaft widerspiegeln und verteidigen. Wenn vermeintlich unbequeme Meinungen nicht mehr zu Wort kommen, verlieren die Menschen das Vertrauen. Es braucht einen neuen Rundfunkstaatsvertrag für den NDR.“
In einem sogenannten „Ressourcen-Papier“ des Deutschen Bundestages liest man auf Seite 4 zur Rechtsform der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten: Sie sind „keine staatlichen Verwaltungsträger, da Rundfunk und Fernsehen keine staatlichen Aufgaben sind, sondern eine im gesellschaftlichen Bereich liegende Angelegenheit. Nach Art. 20 Abs. 2 GG vollzieht sich die Meinungs- und Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen, nicht jedoch umgekehrt von den Staatsorganen zum Volk.“
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Somit wird das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts viel Beachtung bekommen. Am Folgetag (2. Oktober) des Prozesses soll es verkündet werden. Epoch Times überträgt live aus dem Gerichtssaal und von der Veranstaltung vor dem Gericht.
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