Die spannende Welt der Wurzelklauber
Mit dem neu erschienenen Band „Wurzeln“ hat Eunike Grahofer ein Nachschlagewerk vorgelegt, das einen das ganze Leben begleitet. Und von Generation zu Generation weitergetragen werden dürfte.
Im Untertitel heißt es „Apotheke aus der Erde“. Es vereint 114 Pflanzenwurzeln und erzählt über ihre Anwendung und ihre Botanik, gibt Rezepte und das Wissen aus der Volksmedizin weiter.
Das alles ist so meisterhaft strukturiert und gleichzeitig voller Liebe zum Detail, dass einen beinah Ehrfurcht ergreift, so viel geballte Erfahrung und Wissen in den Händen halten zu dürfen.
Mit Hochachtung und Dankesgebeten
„Wurzkrämer hießen die Pflanzenhändler des Mittelalters“, führt Eunike Grahofer ins Thema ein und öffnet damit die Tür zu einer faszinierenden Welt, die vergessen scheint. Unsere Sprache verrät noch Bezüge: So steckt in dem Wort Gewürz die Wurz, welche früher die Pflanze als Gesamtes bezeichnete.
In wenigen prägnanten Worten blättert Grahofer die Bedeutung der Wurzel auf. Sie ist „die Speisekammer“ der Pflanze und kann uns somit genauso mit wichtigen Mineral- und Vitalstoffen versorgen, wie sie es mit dem oberirdischen Teil ihrer selbst zu tun pflegt.
Daher betont die Autorin, wie wichtig es ist, immer nur einen Teil der Wurzel zu nehmen, um die Pflanze nicht umzubringen. Es sollten überhaupt grundsätzlich genug Pflanzen einer Art vorhanden sein, um „die Population nicht zu gefährden“. Auch die Wurzel einer schwachen oder kranken Pflanze sollte verschont werden, denn hier benötigt die Pflanze selbst alle Kraft.
All dem waren sich unsere Vorfahren bewusst, und so näherten sich „die Wurzelgräber, die Wurzelklauber“ mit Hochachtung, Dankesgebeten und Lobessprüchen den pflanzlichen Lebewesen.
„Wie wichtig sind Wurzeln?“
Das tiefgehende Vorwort von Siegrid Hirsch, Autorin des Standardwerks „Die Kräuter in meinem Garten“, führt in die übertragene Bedeutung der Wurzeln ein. Wie viel Kraft liegt darin, unsere Wurzeln anzunehmen? „Denn ohne sie fehlt es an Standhaftigkeit. Das gilt für Pflanzen ebenso wie für Menschen“, schreibt sie.
In der mitteleuropäischen Kultur sei die Beschäftigung mit unserer Vergangenheit, unseren Wurzeln, oft ein schmerzvoller und selbstquälerischer Prozess. „Doch gerade wenn der innere Halt fehlt, wenn wir unsere eigenen Wurzeln nicht spüren, kann der Genuss von Pflanzenwurzeln auf erstaunliche Weise etwas in Bewegung bringen.“
In unserer Gesellschaft, in der es nicht mehr primär um das körperliche Überleben geht, sondern sich eher die Frage stellt, wie wir seelisch überleben, kann so das Buch eine Inspiration sein, nach Wurzeln zu graben. Im Verarbeiten dieses „Gold der Erde“, wie Grahofer es nennt, kommt ganz absichtslos auch auf anderen Ebenen einiges in Bewegung.
„Alles, was wirklich Kraft hat, wächst im Verborgenen. In der Erde“, zitiert die Autorin auf ihrer Internetseite ihre Großmutter. Damals hätte sie nicht verstanden, was diese damit meinte. Heute weiß sie: Sie sprach von Wurzeln.
Illustre Gesellschaft
Im Inhaltsverzeichnis finden sich viele alte Bekannte wie Brennnessel, Ehrenpreis, Frauenmantel und Gänseblümchen. Auch einige, die wir als Kulturpflanzen weitergezüchtet haben, wie Kohlrabi, Kartoffel, Radieschen, Rote Bete. Doch die überwiegende Zahl der vielfältigen Namen sind kaum mehr geläufig in unserem Alltag: Traubensilberkerze, Seifenkraut, Pestwurz oder auch Kava-Kava, ein Exot aus der Südsee.
Einige sind sogar mit einem Handy-Symbol versehen. Dort gibt es über die App des Verlages in kurzen Videos weitere Geschichten und noch mehr Bilder zur Pflanze.
Über die Irrwurz allerdings, nach Z wie Zwiebel aufgeführt, gibt es weder einen Film noch ein Bild. Denn diese ist und bleibt ein Rätsel. Immer wieder taucht sie auf in alten Geschichten, Märchen und Legenden.
„Es gibt Gedankenansätze, dass es sich vielleicht um Farnarten handeln könnte, die bewusstseinsverändernde Stoffe abgeben und in den Körper dringen, wenn man barfuß darüber geht. Aber das sind nur Ideen. Wir wissen es nicht“, erzählt die Autorin.
Ein Stück Kulturgeschichte
Es ist bereits das 15. Buch von Eunike Grahofer. Über Interviews kam sie vor 30 Jahren zum Schreiben. „Aus Eigeninteresse. Ich habe damals nicht vorgehabt, es zu veröffentlichen. Mich hat interessiert, wie Menschen gelebt haben, die weit weg von ärztlicher Versorgung waren“, erzählt sie der Epoch Times.
Welche Krankheiten hätten sie gehabt, wie seien sie damit umgegangen, fragte sie sich. So sei sie aus diesem dokumentarischen Ansatz von einem Buch zum nächsten gekommen. Erst später sei ihr Fokus mehr in Richtung der Rezepte gegangen.
Für diese umfassende und langjährige Arbeit erhielt sie 2015 den Preis der Österreichischen Universitätenkonferenz „uniko“ und 2017 den Preis „Umwelt.Wissen“ in Niederösterreich. Ihre Publikationen wurden mehrfach aufgelegt.
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Eigene Verwurzelung finden
Die Lektüre des Buches „Wurzeln“ wirkt vielschichtig. Angereichert mit zahlreichen Geschichten, die sich besonders gut in der Erinnerung einprägen, ist es eine Bewusstwerdung über den Wert der uns umgebenden Pflanzen.
Allein das geistige Verdauen der unterschiedlichen Wurzeln setzt dabei einen Prozess in Gang, der sich nicht auf die Pflanzen beschränkt. Wer bereit ist, tiefer zu graben, kann sich auf dieses Abenteuer einlassen. Die jetzige Jahreszeit ist passend dazu. Und auch in der Natur wurden die Wurzeln hauptsächlich von Herbst bis zum Frühjahr gesammelt.
Somit ist es dieser Band mit seinen stolzen 400 Seiten definitiv wert, auf Ihrer diesjährigen Weihnachtswunsch- oder Geschenkliste zu landen. Vor allem und gerade im Familienkreis.

In der Schale, die in vielen Wiesen und Gärten zu findende Löwenzahnwurzel. Sie wurde als Kaffee-Ersatz genützt und reguliert bei Zuckerkrankheit den Blutzuckerspiegel. Ausserhalb der Schale: Kardenwurzel, zwar mühsam zu ernten, hilft bei schuppiger Haut, aber auch innerlich bei Verdauungsbeschwerden. Foto: Eunike Grahofer

Hardcover, 20 x 26 cm, 400 Seiten
ISBN: 978-3-99025-530-8
49,90 €
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