Einsamkeit als neue Volkskrankheit – Deutschland sucht Antwort

Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) will eine „Allianz gegen Einsamkeit“ ins Leben rufen, um der wachsenden Vereinsamung vieler Menschen entgegenzuwirken. Ab Montag will die Bundesregierung mit der inzwischen dritten Aktionswoche „Gemeinsam aus der Einsamkeit“ auf das Thema aufmerksam machen.
Nach Bundesfamilienministerin sollten sich Bund, Länder, Kommunen, Verbände, Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Gesundheit an dieser Allianz beteiligen, „um Einsamkeit in der Gesellschaft vorzubeugen, zu lindern und Menschen ganz konkret zu unterstützen“, erklärte Prien am vergangenen Freitag in Berlin.
„Einsamkeit ist eine Frage der sozialen Gesundheit“
Dabei sollen auch mögliche „niedrigschwellige Angebote zum Austausch und zur Begegnung in der Gemeinschaft“ aufgezeigt werden, kündigte das Familienministerium an.
„Einsamkeit ist eine Frage der sozialen Gesundheit“, erklärte Ressortchefin Prien. „Menschen im Leben zu haben, um sich austauschen zu können, Orte, um sich zu begegnen – all das ist für das Wohlbefinden wichtig.“
[etd-related posts=“5035982,4974067″]
Einem Bericht der Techniker Krankenkasse (TK) vom Dezember zufolge leiden vor allem jüngere Menschen in Deutschland unter Einsamkeit. 68 Prozent der 18- bis 39-Jährigen gaben darin an, sich häufig oder zeitweise einsam zu fühlen.
Insgesamt leiden über alle Altersgruppen hinweg 58 Prozent der Menschen unter einem Gefühl der Einsamkeit. Häufig geht diese mit einer Depression einher.
Bertelsmann-Studie: Einsame Jugendliche verlieren Vertrauen in die Politik
Jüngere, die sich selbst als einsam empfinden, fühlen sich in ihren Interessen und Ansichten stärker übergangen, wie die Stiftung am Montag in Gütersloh unter Verweis auf die Ergebnisse einer Befragung von 16- bis 30-Jährigen in Deutschland berichtete. Demnach fühlen sich etwa zehn Prozent von ihnen stark einsam.
Das Misstrauen gegenüber Politik und Demokratie ist in dieser Gruppe der stark Einsamen wiederum stärker ausgeprägt als bei den weniger einsamen Gleichaltrigen.
76 Prozent der stark Einsamen vertreten die Meinung, dass die Politik die Sorgen der jungen Generation nicht ernst nimmt. Bei den nicht einsamen 16- bis 30 Jährigen sind es mit 61 Prozent deutlich weniger.
[etd-related posts=“4931280,4745916″]
Rund 50 Prozent der stark einsamen jüngeren Menschen glauben demnach nicht, dass Politiker auf der Bundesebene ihre Ansichten und Werte vertreten. Unter ihren nicht einsamen Altersgenossen sind es 35 Prozent.
Die Untersuchung basiert auf Ergebnissen einer Befragung mit dem Titel „Jung, einsam – und engagiert?“ für die Bertelsmann-Stiftung aus dem vergangenen Jahr. Demnach fühlen sich zehn Prozent der Menschen im Alter 16 bis 30 Jahren in Deutschland stark einsam, weitere 35 Prozent moderat einsam.
Diese Ergebnisse wurden schon zuvor veröffentlicht. An der Umfrage nahmen im März 2024 nach Angaben der Stiftung etwa 2.500 Menschen teil.
Einsamkeit lässt junge Menschen an Politik zweifeln
Laut Studie könnte dies bei der Verfestigung des Einsamkeitsgefühls eine Entfremdung von der Demokratie und politisches Desinteresse befördern.
„Einsame junge Menschen zweifeln sehr daran, dass Politik ihre Interessen ernst nimmt“, erklärte Bertelsmann-Expertin Anja Langness. Politik müsse jungen Menschen „zuhören und sie einbeziehen“.
Eine gesellschaftspolitische Gesamtstrategie sei nötig
Nötig sei „eine gesellschaftspolitische Gesamtstrategie zur Einbindung junger Menschen, um Einsamkeit zu bekämpfen und ihr Engagement zu fördern“.
Die Studienverfasser empfehlen in diesem Zusammenhang neben „bezahlbaren Freizeit- und Kulturangeboten“ auch jugendspezifische kostenlose „Begegnungsräume“. Dazu zählen sie Jugendzentren, Stadtteilcafés sowie spezielle „digitale Orte“ zur Förderung von sozialem Austausch.
[etd-related posts=“4707488″]
Vor allem auf kommunaler Ebene sollten zudem „neue und niedrigschwellige Möglichkeiten“ zur Beteiligung von Jugendlichen entstehen. Diese müssten „echte Mitgestaltung erfahren und sich als Teil der Gesellschaft erleben“.
Prien: Fokus auf besonders verletzliche Kinder und Jugendliche
Die alte Bundesregierung hatte bereits im Dezember 2023 eine ressortübergreifende Strategie gegen Einsamkeit mit 111 Maßnahmen beschlossen. Diese soll auf einen systematischen Umgang mit Einsamkeit in Deutschland abzielen.
Prien erklärte nun, sie wolle die Strategie „fortschreiben“. Es gehe darum, „insbesondere auch Kinder und Jugendliche in den Blick zu nehmen, die besonders gefährdet sind“, erklärte sie.
Im Juni 2023 fand die erste Aktionswoche gegen Einsamkeit statt, im Juni 2024 die zweite, am Montag beginnt nun die dritte. In ganz Deutschland sollen sich Vereine, Initiativen und Projekte mit Aktionen beteiligen.
Dieses Jahr lautet der Impuls „Gemeinsam spielen“. Ministerin Prien eröffnet in Berlin die Konferenz „Gemeinsam aus der Einsamkeit“, die das Ministerium zusammen mit dem Kompetenznetz Einsamkeit ausrichtet. (afp/red)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion