Eltern im Dilemma: Studie fordert Smartphoneverbot für Kinder unter 13

In Kürze:
- Neue Studie zeigt einen gefährlichen Trend für junge Smartphonebesitzer.
- Zu den alarmierenden Symptomen zählen Suizidgedanken, Aggressionen, Realitätsverlust, emotionale Instabilität und vermindertes Selbstwertgefühl.
- Forscher stellen vier Forderungen an die Politik, bevor es zu spät ist.
- Eltern geraten durch Forschungen zunehmend in ein Dilemma.
Ob Kontakt zu Freunden, für Informationen oder einfach zur Unterhaltung – Smartphones sind bei Jung und Alt beliebt. Die Auswirkungen von zu frühem Smartphonegebrauch auf die Gesundheit können jedoch gravierend sein. Davor warnt der deutsche Hirnforscher und Psychiater Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer von der Universität Ulm schon seit über einem Jahrzehnt. Damit steht er nicht allein da. Eine neue Studie sieht dringenden politischen Handlungsbedarf, um den Smartphonegebrauch für Kinder einzudämmen.
Smartphone ruiniert mentale Gesundheit
Für die im „Journal of Human Development and Capabilities“ veröffentlichte Publikation unter Leitung der Neurowissenschaftlerin Dr. Tara Thiagarajan – Unternehmerin und Gründerin der Organisation Sapien Labs, die sich der Erforschung der globalen mentalen Gesundheit widmet – wurden Daten von über 100.000 jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 24 Jahren ausgewertet, die spätestens mit zwölf Jahren ihr erstes Smartphone erhalten haben.
Sie gehören zur Generation Z, den zwischen 1997 und 2012 Geborenen, und stellen die erste Kohorte dar, die mit Smartphones und sozialen Medien aufgewachsen ist. Im Rahmen der Studie untersuchten die Wissenschaftler den Zusammenhang zwischen dem Alter ihres ersten Smartphonebesitzes und ihrem aktuellen geistigen Gesundheitszustand, gemessen durch den „Mental Health Quotient“ (Mentale Gesundheitsquote, kurz MHQ).
Während bei Teilnehmern, die mit 13 Jahren ein Smartphone erworben haben, ein MHQ von 30 ermittelt wurde, lag der Wert für die Nutzer, die seit dem fünften Lebensjahr ein solches Gerät besaßen, gerade mal bei eins.
Wie es in der Studie heißt, verändert die „algorithmisch konstruierte digitale Umgebung, in der Kinder leben und in der Smartphones ein oft unbeaufsichtigtes Tor bieten“, das Wesen der Kinder.
„Unsere Analyse zeigt, dass sich der Besitz eines Smartphones vor dem 13. Lebensjahr negativ auf die psychische Gesundheit im jungen Erwachsenenalter auswirkt, insbesondere bei Frauen“, so die Autoren. Und das gelte weltweit und unabhängig von Kultur oder Sprache.
„Besorgniserregende Entwicklung“
Die Wissenschaftler sprechen von einer „besorgniserregenden Entwicklung“, da das Alter der Smartphonebesitzer immer weiter abnimmt. Zu den spezifischen Symptomen, die am stärksten mit einem jüngeren Alter des Smartphonebesitzes korrelierten, gehörten Selbstmordgedanken, Aggressionen, Realitätsverlust, Halluzinationen, emotionale Instabilität sowie ein vermindertes Selbstwertgefühl. Beeinflusst werde dies durch verschiedene Faktoren wie den Zugang zu sozialen Medien, Cybermobbing, Schlafstörungen und ein schwieriges familiäres Umfeld.
48 Prozent der Frauen im Alter von 18 bis 24 Jahren, die im Alter von fünf oder sechs Jahren ein Smartphone nutzten, berichteten von Selbstmordgedanken mit einer Bewertung von 7 oder höher auf einer 9-Punkte-Skala, wobei 9 die schwerwiegendsten Auswirkungen auf das Leben darstellt. Bei Frauen, die seit dem 13. Lebensjahr ein Smartphone nutzen, lag dieser Anteil bei nur 28 Prozent. Bei den Männern lagen die entsprechenden Zahlen bei 31 beziehungsweise 20 Prozent.
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Bei Frauen sind speziell Selbstbild, Selbstwert, Selbstvertrauen und die emotionale Widerstandsfähigkeit beeinträchtigt, während es den Männern an Stabilität, Ruhe, Selbstbild, Selbstwert und Empathie mangelt, erklären die Autoren. Weiter heißt es in der Studie:
„Dieser Trend ist in allen Regionen der Welt zu beobachten, wobei er in englischsprachigen Ländern am stärksten ausgeprägt ist.“
Vier Forderungen an die Politik
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, mahnen die Wissenschaftler zur Prävention. Ähnlich wie das Verbot von Alkohol und Tabak solle der Smartphonegebrauch für Kinder unter 13 Jahren geregelt werden.
Konkret schlagen die Autoren der Studie hierzu vier politische Maßnahmen vor:
- eine verpflichtende Aufklärung über digitale Kompetenz und psychische Gesundheit
- die Durchsetzung von Altersbeschränkungen sowie „sinnvolle Strafen“ für Technologieunternehmen bei Verstößen
- ein Zugangsverbot zu Social-Media-Plattformen für Kinder unter 13 Jahren
- die Einführung abgestufter Zugangsbeschränkungen für Smartphones, beispielsweise „Kinder“-Telefone ohne Social-Media-Zugang und ohne KI-gestützte Inhaltsströme
„Diese Maßnahmen zielen darauf ab, die grundlegenden Elemente der psychischen Gesundheit und des Wohlbefindens zu schützen, von denen die Fähigkeiten und Funktionen für das Gedeihen zukünftiger Generationen abhängen“, heißt es von den Wissenschaftlern.
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Auch wenn weitere Untersuchungen erforderlich seien, um kausale Mechanismen und individuelle Abweichungen zu prüfen, warnen die Autoren davor, zu warten, bis unwiderlegbare Beweise vorliegen. Denn so könnte man die Chance für eine rechtzeitige, präventive Intervention verspielen.
„Durch die Einführung entwicklungsorientierter Strategien haben wir heute die Möglichkeit, die psychische Gesundheit künftiger Generationen zu schützen, indem wir ihre tatsächliche Freiheit zum Lernen, zum Miteinander und zum Gedeihen in einer digital geprägten Welt erweitern“, so das Fazit der Studie.
Politik und Eltern in der Pflicht
Um die vorgeschlagenen Maßnahmen umzusetzen, erfordere es indes nicht nur politische Regelungen und pädagogische Unterstützung, sondern auch die Mitwirkung von Eltern. Immerhin nutzen laut Statistischem Bundesamt hierzulande mehr als 60 Prozent der Sechs- bis Neunjährigen ein Smartphone. Bei den Zehn- bis Zwölfjährigen sind es bereits über 90 Prozent.
Die Wissenschaftler sehen jedoch gerade Eltern im Dilemma: Wer seinem Kind den Zugang zu Smartphone und sozialen Medien einschränkt, um es zu schützen, muss mit sozialer Ausgrenzung rechnen.
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Andererseits bezeichnen es die Autoren der Studie als „unrealistisch und ethisch nicht vertretbar“, den Kindern die Verantwortung für die Selbstregulierung aufzubürden. Man müsse bedenken, dass KI-Systeme, die Social-Media-Plattformen steuern, darauf ausgelegt seien, psychologische Schwachstellen auszunutzen und sich entwickelnde kognitive Abwehrmechanismen zu manipulieren.
Und selbst wenn man seine Kinder zu Hause vor Smartphones und sozialen Medien schützt, bleibe die Gefahr, dass sie mit Aggression und Dissoziation von Gleichaltrigen konfrontiert seien, etwa Mobbing oder Gewalt in der Schule.
Erste Reaktionen
Kritik zur Studie kommt unter anderem von den amerikanischen Psychologieprofessoren Pete Etchells von der Bath Spa University und Chris Ferguson von der Stetson University.
Aus Prof. Etchells Sicht ist es schwierig, die Studie vollständig zu bewerten. Die methodischen und analytischen Details seien sehr begrenzt. „Angesichts des korrelativen Ansatzes der Studie, der unklaren Definitionen wichtiger Variablen und der fehlenden methodischen Details war ich daher überrascht, dass die Studie mit einer Reihe von Empfehlungen für die digitale Politik für Kinder unter 13 Jahren endet.“
Auch Prof. Ferguson war alles andere als beeindruckt von der Studie. „Erstens handelt es sich um eine Online-Umfrage mit Selbstauskünften, was die Ergebnisse verzerren kann“, so Ferguson. Er selbst habe (nachträglich) an der Umfrage teilgenommen und diese als „sehr oberflächlich“ empfunden. Selbstauskünfte zur psychischen Gesundheit seien bekanntermaßen unzuverlässig.
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Prof. Dr. Dr. Spitzer sieht im Smartphonegebrauch für Kinder weiterhin eine Gefahr, die er bereits im Jahr 2012 mit seinem Buch „Digitale Demenz. Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen“ an die Öffentlichkeit gebracht hat.
Die Kommentare zu der Studie „zeigen, wie stark die Lobby ist“, äußerte er gegenüber Epoch Times.
„Die Experten sollten sich mal fragen, warum Steve Jobs [Mitbegründer von Apple] seine Kinder auf eine Schule schickte, wo es keine Computer gab, oder warum viele Länder mittlerweile Computer an Schulen wieder abgeräumt haben: Sie schaden“, so Prof. Dr. Dr. Spitzer.
Für den Neurowissenschaftler steht fest: „Die Datenlage ist klar und durch sehr viele sehr gute Studien belegt.“
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