In 7 Sekunden angenommen: Was bei der WHO in Genf wirklich passiert ist

In Genf ging kürzlich die 78. Weltgesundheitsversammlung (WGV) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) über die Bühne. Im Mittelpunkt stand die Verabschiedung des Pandemievertrages. Die Juristin Dr. Beate Sibylle Pfeil berichtet im ersten Teil eines großen Interviews mit Epoch Times, was die WHO-Mitglieder in der Schweiz tatsächlich beschlossen haben und warum sie das Vertragswerk weiterhin als gefährlich ansieht.
Dr. Pfeil arbeitete unter anderem von 2017 bis 2023 als unabhängige Sachverständige des Europarats. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen auf Menschenrechts- und Minderheitenthemen im Kontext von Völker- und Staatsrecht. Sie ist Teil einer Gruppe kritischer Experten, die die Entstehung des WHO-Pandemievertrages eng begleitet hat.
Abstimmung mit fragwürdigem Verfahren
Epoch Times: In Genf haben die Mitgliedsstaaten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) über den Pandemievertrag abgestimmt. Jedenfalls heißt es offiziell so. Doch ganz so ist es nicht. Können Sie uns erklären, wie die tatsächliche Situation aussieht?
Dr. Beate Sibylle Pfeil: Die tatsächliche Situation kann man kurz so umschreiben: Der Pandemievertrag wurde förmlich betrachtet tatsächlich im Plenum verabschiedet – jedoch im sehr fragwürdigen Konsensverfahren. Damit hat die Weltgesundheitsversammlung womöglich erneut zumindest gegen die eigene Geschäftsordnung verstoßen. Der WGV-Präsident [Anm. der Redaktion: Teodoro J. Herbosa, Gesundheitsminister der Philippinen] fragte, ob die Versammlung bereit sei, die am Vortag vorbereitete Resolution zu verabschieden. Er wartete 7 Sekunden und sagte dann, dass er keinen Widerspruch sehe.
Damit gilt der Pandemievertrag erst einmal als verabschiedet. Das hat die WHO nach außen hin natürlich als großen Erfolg gefeiert. Aber es gibt einen ganz großen Haken, der uns hoffen lässt, dass wir zumindest Zeit gewinnen – und der uns vielleicht auch hoffen lässt, dass das ganze Projekt am Ende scheitern könnte.
Dies ergibt sich daraus, dass sich der Hauptstreitpunkt bezüglich des Pandemievertrages auf das sogenannte Pathogen Access and Benefit-Sharing System (PABS) konzentriert. Auf Deutsch heißt es so viel wie ein Zugangs- und Vorteilsausgleich zum Austausch von Krankheitserregern.
Dahinter steckt Folgendes: Mit der neuen modRNA-Technologie hat sich ein absoluter Run auf das genetische Material entwickelt, das künftige Krankheitserreger erkennen lässt. Warum? Genetisches Material bildet die Grundlage für die Entwicklung sogenannter Impfstoffe nach dieser neuen und sehr preisgünstigen Technologie. Das heißt, dahinter steckt ein unglaublich großes Profitmodell.
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Streit ums große Geld
Nun streiten sich die reicheren Länder mit den ärmeren darum, wie man die Profite aus dem Zugang zu diesen Krankheitserregern aufteilt. Dieser Streit wurde nicht komplett beigelegt. Man wollte aber das Pandemieabkommen ganz schnell verabschieden. Deshalb hat man einen Absatz eingefügt, in dem es heißt, die Details zum PABS-System sind in einem künftigen Anhang zum Pandemievertrag zu regeln. Den Anhang gibt es aber noch nicht. Zur Erarbeitung des Anhangs
wurde eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet. Wir können damit rechnen, dass dieser frühestens bei der Weltgesundheitsversammlung 2026 verabschiedet wird – wenn überhaupt.
Die Mandate solcher Arbeitsgruppen sind in der Regel zeitlich limitiert, in diesem Fall jedoch nicht. Das heißt, dass die Versammlung nicht automatisch davon ausgeht, dass der PABS-Anhang bereits 2026 zustande kommt. Geschieht dies aber doch, dann kann der Pandemievertrag zur Unterzeichnung aufgelegt werden.
Erst dann können die Verfahren zur innerstaatlichen Umsetzung beginnen. Bei uns in Deutschland wäre das die Erarbeitung eines Zustimmungsgesetzes. Es regelt Details, die der Deutsche Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates verabschieden muss. Und erst anschließend wird die Ratifikationsurkunde an den Generaldirektor übergeben.

Mitglieder des Teams der Weltgesundheitsorganisation (WHO) untersuchen die Ursprünge der Covid-19-Pandemie an Bord eines Busses, nachdem sie am 14. Januar 2021 in einem abgesperrten Bereich für internationale Ankünfte am Flughafen in Wuhan angekommen sind. Foto: Nicolas Asfouri/afp über Getty Images
Das Abkommen muss von mindestens 60 Staaten ratifiziert werden, damit es überhaupt in Kraft treten kann. Es gilt dann aber auch nur für diese Staaten. Die anderen sind dann einfach nicht dabei. Das heißt, wegen des fehlenden Anhangs gewinnen wir mindestens ein Jahr. Hinzu kommen für das Ratifizierungsprozedere nochmals etwa eineinhalb Jahre. Und dann bleibt noch abzuwarten, ob überhaupt 60 Staaten ratifizieren werden. Erst danach kann der Pandemievertrag in Kraft treten.
Entwurf zur Abstimmung in letzter Minute vorgelegt
Ist im Zusammenhang mit der Abstimmung über den Pandemievertrag auch mit juristischen Schritten zu rechnen, da die WHO ja gegen ihre eigenen Regeln verstoßen hat?
Es wäre auf jeden Fall extrem wichtig, auf die Verstöße gegen die WGV-Geschäftsordnung hinzuweisen. Die Geschäftsordnung gibt vor, dass mit Handzeichen abzustimmen ist, es sei denn, ein Staat verlangt eine namentliche Abstimmung, aus der genau hervorgeht, wer dafür und wer dagegen gestimmt hat. Tatsächlich hatte man sich aber auf das besagte Konsensverfahren geeinigt.
Problematisch ist, dass die WGV-Geschäftsordnung ein internes Regelwerk ist, auf das wir Bürger uns nicht so ohne Weiteres berufen können. Allerdings verlangt Regel 15 der Geschäftsordnung, dass sämtliche für die Tagesordnung der Weltgesundheitsversammlung relevanten Berichte und anderen Dokumente spätestens sechs Wochen vor der Weltgesundheitsversammlung über das Internet auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen.
Was ist stattdessen passiert? Dieses Gremium, das den Pandemievertrag ausgehandelt hat (der sogenannte Intergovernmental Negotiating Body, INB), hat sogar noch die letzte Nacht vor der Abstimmung durchgearbeitet. Das wurde uns in Genf sehr eindringlich und dramatisch berichtet. Somit konnten sie den Delegierten der Weltgesundheitsversammlung die Endfassung des Pandemievertrages samt entsprechender Resolution erst am nächsten Morgen zur Abstimmung vorlegen.
Das ist natürlich ein krasser Verstoß gegen Regel 15, der auch uns als Bürger und Öffentlichkeit betrifft, weil wir nicht frühzeitig wissen konnten, über welche Textfassung nun abgestimmt wurde. Nicht mit letzter Sicherheit. Es gab eine relativ kurzfristige Vorveröffentlichung des Vertrags im Internet (Version vom 16. April, veröffentlicht erst am 25. April, ersichtlich auf Seite 3), aber wir wussten zunächst nicht, ob über diese Version überhaupt abgestimmt wurde.
Nur Bereitschaft zur Annahme wurde abgefragt
Es gibt Kritiker, die argumentieren, dass eigentlich nicht genug Mitglieder anwesend waren, um bei der Abstimmung im Plenum eine Zweidrittelmehrheit zu erreichen.
Das lässt sich so nicht argumentieren. Laut WGV-Geschäftsordnung beziehen sich die erforderlichen Quoren, hier also die Zweidrittelmehrheit, auf die Mitglieder „present and voting“. Gezählt werden also immer nur die, die anwesend sind und abgestimmt haben. Sogar Enthaltungen werden nicht mitgezählt. Wie auch bei den Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) erfolgte die Abstimmung über den Pandemievertrag im Plenum im oben beschriebenen Konsensverfahren.
Konkret wurde lediglich die Bereitschaft abgefragt, die entsprechende Resolution (unter anderem zur Verabschiedung des Pandemievertrages) anzunehmen. Da kein Widerspruch kam, galt die Resolution und mit ihr der Pandemievertrag als verabschiedet.
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46 Mitglieder fehlten bei der Vorabstimmung
Interessant waren aber die Abstimmungsergebnisse im Intergovernmental Negotiating Body, dem Gremium, das bis kurz vor der Plenarabstimmung den Text des Pandemievertrages und die dazugehörige Resolution ausgearbeitet hatte. Stimmberechtigt waren dort 181 Mitglieder. Bei der Abstimmung waren 46 Delegierte abwesend, das heißt, es wurde nur noch mit 135 Mitgliedern abgestimmt.
Von diesen haben 124 mit „ja“ gestimmt, und es gab elf Enthaltungen. Formal reichten dort 83 Stimmen zum Erreichen der Zweidrittelmehrheit. Doch die 46 Abwesenden bedeuten eine ganz gewaltige Zahl, würde ich mal sagen. Auch dass es elf Enthaltungen gab, hat eine ganz große Symbolik. Ich habe versucht, seriös zu ermitteln, welche Staaten sich hinter diesen Zahlen verbergen. Ich kann es aber (noch) nicht mit Sicherheit sagen. Entsprechende Listen von Staaten im Internet
konnten bisher nicht verifiziert werden.
Ich weiß nur relativ sicher, welche Staaten sich vorab zumindest kritisch geäußert hatten. Die Slowakei hat sich während der Sitzung extrem kritisch zu den gesamten WHO-Verträgen geäußert. Die Tatsache, dass ein Einzelner, nämlich der slowakische Regierungschef, aufgestanden ist und gesagt hat, dass er nicht mitmachen will, hat den Nerv der WHO getroffen. Die Slowakei hatte sogar eine namentliche Abstimmung beantragt, aber das wurde einfach vom Tisch gewischt.
Neben dem Pandemievertrag gibt es noch die Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV). Diese existieren seit 1971. Im vergangenen Jahr wurden sie angepasst. Es wurde kritisiert, dass das eine das trojanische Pferd des anderen sei. Was ist davon zu halten?
Die IGV-Änderungen wurden 2024 unter ähnlich fragwürdigen Bedingungen verabschiedet wie jetzt der Pandemievertrag. Also auch da gab es Verstöße gegen die Geschäftsordnung und gegen die bereits geltenden IGV, etwa bei den Fristen. Alles sehr fragwürdig. Wir haben beobachten können, dass viele Themen, die im damaligen Entwurf für den Pandemievertrag enthalten waren, ganz schnell in allerletzter Minute in die IGV übertragen wurden.

Dr. jur. Beate Pfeil. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times
Pandemievertrag verschärft IGV-Regelungen
Dies vor dem Hintergrund, dass man sich sehr wohl darüber bewusst war, dass es nicht sicher ist, ob dieser Pandemievertrag überhaupt einmal zustande kommen wird. Wenn man sich die beiden Dokumente anschaut, dann ist es definitiv so, dass der Pandemievertrag fast alle in den IGV angelegten Regelungen nochmals verschärft, konkretisiert und dadurch den faktischen Umsetzungsdruck auf die Staaten massiv erhöht.
Letztlich greifen alle diese Vorschriften wie Zahnrädchen ineinander. Man kann von einer Art industriellem Pharmakomplexmodell sprechen, weil alles um die sogenannten Gesundheitsprodukte kreist. In Bezug auf diese Produkte sollen künftig die Forschung und Entwicklung, die Produktion und weltweite Verteilung sowie die Finanzierung global geregelt werden.
Was die IGV betrifft, so gab es nach der älteren Fassung nur die Möglichkeit, einen internationalen Gesundheitsnotstand (Public Health Emergency of International Concern, PHEIC) auszurufen. Die IGV-Änderungen von 2024 haben dem eine vage definierte Steigerungsform, die „pandemische Notlage“ hinzugefügt, was zugleich mit einer wörtlichen Rückkopplung an den künftigen Pandemievertrag verbunden ist.
Und was ich auch noch betonen möchte, weil ständig kursiert, dass Gesundheitsnotstände auf Grundlage des Pandemievertrages ausgerufen werden können: Nein, das können sie nicht. Das einzige Instrument, auf dessen Grundlage Notstände ausgerufen werden können, sind die IGV. Auf ihrer Grundlage können dann sogenannte Empfehlungen ausgesprochen werden, die im Endeffekt [bei der Corona-Pandemie, Anm. d. Red.] zu massivsten Verletzungen der Menschenrechte geführt haben.
Das konkrete Notstandsreglement findet sich also in den IGV – und nur dort. Letztlich wird dieses aber durch die im Pandemievertrag enthaltenen Rahmenregelungen noch massiv verstärkt. Sobald beide Instrumente in Kraft sind, ist mit extremen Synergieeffekten zu rechnen, was natürlich beabsichtigt ist.
Konditionierung der Menschen im Sinne der WHO
Brisante Passagen wie eine Verpflichtung zur Bekämpfung sogenannter Desinformationen und weitere Einschränkungen fehlten im letzten Entwurf des Pandemievertrages, der einsehbar war. Das wurde als Erfolg der Kritiker dieser Maßnahmen gewertet. Finden sich diese Themen in den aktualisierten IGV wieder?
Es ist tatsächlich so, dass in der Urversion des Pandemievertrages aus dem Jahr 2023 eine Regelung zur Bekämpfung von Fehl- und Desinformation enthalten war, ebenso zum Thema Verhaltenslenkung. Es sollten die Faktoren erforscht werden, die die Menschen dazu bewegen, Gesundheitsvorgaben der WHO einzuhalten oder nicht einzuhalten, um sie nötigenfalls gezielt umerziehen zu können.
Wir, die Bürger der Welt, sollen zum Thema Gesundheit „alphabetisiert“ werden, und zwar im Sinne der WHO und der dahinterstehenden Lobby. All dies fasst die WHO propagandistisch unter den neu geschaffenen Begriff der Bekämpfung sogenannter „Infodemien“. Das Grundproblem: Es gibt keine freie, evidenzbasierte Wissenschaft hinter der WHO, sondern nur eine interessengesteuerte.
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„Infodemiebekämpfung findet längst statt“
Die Thematik der Bekämpfung von Fehl- und Desinformation, die letztlich zur Zensur führt, findet sich tatsächlich nicht mehr in der aktuell verabschiedeten Version des Pandemievertrages, allerdings wurde eine entsprechende Passage im allerletzten Moment in den Anhang der 2024 geänderten IGV eingefügt.
Dort verpflichten sich die Staaten, ihre Kernkapazitäten im Bereich der „Risikokommunikation“ einschließlich der Bekämpfung von „Fehl- und Desinformation“ zu verstärken, wobei Letzteres im Zweifel eben durch die WHO definiert wird. Somit teilen sich die neuen IGV und der Pandemievertrag die verschiedenen Aspekte der „Infodemie“-Bekämpfung.
Sie können sich ergänzen und verstärken, sobald beide Vertragswerke in Kraft sind. Es wäre daher Augenwischerei zu sagen, dass hier die Position von WHO-Kritikern berücksichtigt wurde. Und in der WHO-Praxis findet „Infodemie“-bekämpfung ohnehin schon längst statt, unter allen Aspekten – und zwar auch ganz unabhängig vom Inkrafttreten dieser beiden Verträge.
Hier lesen Sie Teil zwei des Interviews: „Es geht nur noch um Medikamente und Impfstoffe. Ganzheitliche Sichtweisen werden bekämpft“.
Das ganze Gespräch mit Dr. Beate Pfeil können Epoch-Times-Abonnenten auch als PODCAST hören. Darin kommen weitere Details zur Sprache, unter anderem, dass sich schon Gerichte auf die Infodemie-Definition der WHO berufen.
Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.
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