Klima- und tierfreundliche Landwirtschaft: Droht eine Welle von Betriebsschließungen?

Strengere Maßnahmen für Tier- und Klimaschutz sollen die Emissionen der deutschen Landwirtschaft senken und für mehr Tierwohl sorgen. Dies stellt viele Betriebe vor große finanzielle Herausforderungen. Eine Landwirtin berichtet Epoch Times über die Probleme mit der Umrüstung und erklärt, warum vor allem Osteuropa profitiert.
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Tierwohl kostet. Doch die Moral endet am Regal, heißt ein Spruch unter Landwirten.Foto: iStock/undefined
Von 25. Juli 2025

Bei Schweinen aus der Massentierhaltung treten häufig schmerzhafte Verletzungen und Krankheiten auf. Bis zu 75 Prozent der Schweine leiden laut Angaben des Deutschen Tierschutzbundes an Gelenkerkrankungen und 68 Prozent könnten wegen Sohlenverletzungen nur eingeschränkt laufen. Hinzu kämen Bissverletzungen und Hautinfektionen.

Grund für die Erkrankungen sei das Einpferchen der Schweine in zu kleine Betonställe auf Spaltenböden ohne Stroh. Die Sterblichkeit liege dort bis zu sechsmal höher als in Ställen mit viel Stroh und Freiraum.

Von 26 Millionen Schweinen in Deutschland leben derzeit über 25 Millionen in industriellen Anlagen. Sauen werden bis auf wenige Wochen im Jahr einzeln in Kastenständen gehalten, die so eng sind, dass sich die Tiere nicht einmal umdrehen können. Die Tiere sitzen frustriert und teilnahmslos da oder beißen an den Gitterstäben ihrer Behausung herum. Auch die Abferkelbucht bietet den Tieren keine besseren Bedingungen. Die Muttertiere sind fixiert, damit sie sich nicht auf ihre Ferkel legen.

Bis zum 9. Februar 2029 dürfen Sauen in Deutschland noch im sogenannten Kastenstand gehalten werden. Foto: Deutscher Tierschutzbund

Die Zustände soll eine neue Tierschutznutztierhaltungsverordnung verbessern. Dazu kommen Maßnahmen, um den CO₂-Fußabdruck in der Landwirtschaft zu reduzieren. Der Deutsche Bauernverband verfolgt mit seiner Klimastrategie 2.0 das Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 30 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Doch die neuen Vorschriften bringen viele Bauern in eine existenzielle Krise.

Neue Tierschutznutztierhaltungsverordnung

Die Maßnahmen sind vielschichtig und strahlen in verschiedene Bereiche aus, erläutert Dagmar Klingelhöller. Sie unterhält zwei Sauenhaltungsbetriebe in Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Die Landwirtin ist auch Gründungsmitglied des Netzwerks Sauenhaltung Schleswig-Holstein, des Netzwerks Agrar und gehört dem Vorstand der Organisation Zentrale Koordination Handel-Landwirtschaft an. Dabei handelt es sich um eine unabhängige Plattform, die den Dialog und die Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft, Verarbeitung und Handel in der Lebensmittelkette fördern soll.

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Da wäre zum einen die Novellierung der Tierschutznutztierhaltungsverordnung. Hält man die Tiere im Stall, sagt Dagmar Klingelhöller, müsse man „relativ viel investieren“. Dennoch werde sie „diesen ersten Schritt auf jeden Fall machen“. Für ihre Betriebe bedeutet dies speziell, dass sie das Deckzentrum für die Sauen umbauen lassen muss. Das Geld, das sie dafür ausgeben muss, „bekommen wir vermutlich nicht über den Preis wieder“. Dabei geht es um mehr Platz für die Tiere im Deckzentrum direkt nach dem Absetzen der Ferkel.

5 Quadratmeter pro Sau hat der von 2018 bis 2022 amtierende Landwirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, Jan-Philipp Albrecht, als einer der damaligen Verhandlungsführer auf Bundesebene festgelegt. Bis dahin und letztlich bis zum 9. Februar 2029 dürfen die Sauen im sogenannten Kastenstand gehalten werden. Diese gesetzliche Regelung gilt nur im Deckzentrum bis Tag 28 nach der Besamung.

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Welle von Betriebsschließungen droht

Die Neuerung wird zahlreiche Betriebe zur Aufgabe zwingen, berichtet Dagmar Klingelhöller gegenüber Epoch Times. Nun müssen die Umbaumaßnahmen bis zum 9. Februar 2026 beantragt sein. Ab dann sind exakt drei Jahre Zeit zur Umsetzung. Die Kosten für ihre beiden Betriebe beziffert die Landwirtin auf rund 300.000 Euro. „Das ist für die Sauenhaltung irre viel Geld“, sagt sie. Man könne die Investition zwar über 20 Jahre steuerlich abschreiben, doch wäre eine Abschreibung über drei bis fünf Jahre, etwa wie bei anderen Investitionsmaßnahmen, besser.

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Bis zum 9. Februar 2036 müssen dann auch noch die Abferkelbuchten in sogenannte Bewegungsbuchten umgebaut werden. „Das ist eine Herkulesaufgabe“, sagt Klingelhöller und befürchtet, dass sich die höheren Produktionskosten nicht im Preis widerspiegeln werden und eine Aufgabewelle folgen könnte.

Vorschriften zur Reinhaltung der Luft

Zusätzlich sei die Verwaltungsvorschrift TA Luft (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft) besonders ärgerlich und herausfordernd.

Die novellierte Fassung trat zum 1. Dezember 2021 in Kraft und ersetzte die aus dem Jahr 2002 stammende Version. Seither gelten neue und teils deutlich verschärfte Anforderungen an Emissionen, Immissionen und den Stand der Technik. Betroffen sind genehmigungsbedürftige Anlagen wie Industrieanlagen, Kraftwerke oder größere Tierhaltungsbetriebe.

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Für bestehende Anlagen greifen Übergangsfristen oder nachträgliche behördliche Anordnungen, je nach Einzelfall. Dagmar Klingelhöller schätzt, dass etwa 50.000 Betriebe in Deutschland betroffen sind, davon etwa 8.000 in der landwirtschaftlichen Branche. Unterliege ein Betrieb dem Baurecht, „ist er erstmal raus“, erläutert Landwirtin Klingelhöller. Betriebe wie ihre unterliegen hingegen dem Bundes-Immissionsschutzgesetz.

Wobei ich das Glück habe, dass ich mit gut 600 Sauen pro Betrieb zu den kleinen gehöre.“

Ihre beiden Betriebe werden keine Abluftwäscher bauen müssen. Abluftwäscher müssen in Betrieben mit über 750 Sauen und Mastplätzen gebaut werden. Dennoch muss die Unternehmerin eine Ammoniakminderung von 40 Prozent erreichen, um die Vorschriften der TA Luft zu erfüllen.

Ein Futterroboter fährt auf der Grünen Woche in Berlin an einer Gruppe Milchkühe entlang. CO₂ lässt sich unter anderem durch eine eigene Futterproduktion der Milchbauernhöfe reduzieren. Foto: Rainer Jensen/dpa

Für Dagmar Klingelhöller bedeutet das, dass sie unter anderem die Emissionen aus den Güllebehältern reduzieren muss. Dazu müssen diese abgedeckt werden. Bei ihrem niedersächsischen Betrieb sei das der Fall. Doch in Schleswig-Holstein sei das bei fünf Behältern nicht gut möglich. „Die Behälter sind über 50 Jahre alt und tipptopp, aber man bekommt keine Abdeckung drauf, weil das die Statik nicht mitmacht“, erläutert sie.

Es gebe noch eine erlaubte Lösung: Kunststoffschwimmkörper, die „laut Studie 85 Prozent der Emissionen reduzieren“. Das würde das Umweltamt dann auch genehmigen.

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Auch ist die Landwirtin verpflichtet, ihren Tieren eine „nährstoffangepasste Fütterung“ angedeihen zu lassen. Dabei haben die Behörden vor allem Stickstoff und Phosphor im Visier. Diese Werte müssen „deutlich weiter runter“. Dazu muss sie Bilanzierungen erstellen, und sie habe die vergangenen drei Jahre Daten gesammelt. Dagmar Klingelhöller glaubt allerdings nicht, dass die Abdeckungen und die Futterbilanzierungen ausreichen werden.

Was nun im nächsten Schritt passiert, kann ich noch nicht sagen.“

Große Betriebe mit über 750 Sauen und 2.000 Mastschweineplätzen müssten umrüsten. Dabei entstünden aber unverhältnismäßig hohe Kosten. Vor allem in den neuen Bundesländern gebe es viele große und alte Anlagen, die sich schlecht umrüsten ließen. Daher stünden viele Betreiber vor dem Aus. „Wenn das Umweltamt sagt, so geht das nicht, dann müssen wir eben aufhören“, lautet der allgemeine Tenor der Branche.

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Mastbetriebe in Osteuropa profitieren

Es gibt in Deutschland Carbon-Farming-Programme, bei denen Landwirte für die CO₂- und Emissionsvermeidung finanziell belohnt werden. Diese Programme sind freiwillig, und sie gewinnen zunehmend an Bedeutung. Auch gibt es das Projekt „Net Zero Farms“, bei dem landwirtschaftliche Betriebe Maßnahmen testen, um ihren CO₂-Fußabdruck zu reduzieren.

Doch während viele Betriebe in Deutschland vor großen Problemen mit der Umstellung auf eine CO₂-ärmere Landwirtschaft stehen, investieren Unternehmer außerhalb Deutschlands in den Aufbau von Sauen- und Mastbetrieben, vor allem in Osteuropa. Zwar gelten auch für diese Anlagen die EU-Regeln, doch während die Auflagen in Deutschland vielfach über die Maßgaben aus Brüssel hinausgehen, erfüllen die Betreiber in Rumänien, Polen oder Bulgarien nur das Mindestmaß der EU-Vorgaben.

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Das verschafft ihnen immense Vorteile, insbesondere Kostenvorteile. Dagmar Klingelhöller hat ein Beispiel parat und berichtet von Gesprächen mit deutschen Berufskollegen, die etwa in Rumänien investieren. Die Tierhaltungsbedingungen im Ausland seien häufig schlechter. Der Tierschutz sei nicht vergleichbar mit dem in Deutschland, weiß sie aus Rumänien zu berichten. Doch für den dortigen Aufbau von Tierhaltungsbetrieben werden Investitionszuschüsse gezahlt.

Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands e. V. vermeldet für Osteuropa eine deutliche Zunahme der Schlachtungen von Schweinen im Jahr 2024 (Erhebungszeitraum von Januar bis Oktober 2024). „In Rumänien betrug das Plus 7,4 Prozent, in Ungarn 6,9 Prozent. Zwischen 6,0 Prozent und 6,5 Prozent wuchs das Aufkommen in Tschechien, Kroatien und Polen.“

Demo von Lkw-Fahrern und Bauern. (Archivbild) Foto: via dts Nachrichtenagentur

22 Euro Verdienst für ein Schwein

Ein Teil des Schweinefleisches aus Osteuropa geht nach der Schlachtung nach Deutschland. Denn obwohl Deutschland mehr Schweinefleisch erzeugt, als gegessen wird, werden jährlich rund 942.000 Tonnen importiert, informiert das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft.

Die Website der Bundesanstalt für Landwirtschaft klärt auch auf, was eine Landwirtin wie Dagmar Klingelhöller an einem Schwein unterm Strich verdient: 22 Euro. Noch nicht abgezogen sind dabei Kreditrückzahlungen für den Stallbau oder andere Investitionen, die Entlohnung der Arbeitskräfte oder Kosten für Reparaturen.

Landwirtin Klingelhöller fordert, dass die Produktion nicht ins Ausland verlagert werden dürfe, da in Deutschland, wie auch in den Niederlanden oder Dänemark, die höchsten Tierschutzstandards gelten. Forderungen für noch höhere Standards könnten in Deutschland nur umgesetzt werden, wenn die Preise die Kosten decken und Unternehmergewinne in den Betrieben gemacht werden.

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Importregulierung als Hebel

In den USA werden höhere Tierwohlstandards mit Importregulierungen gelöst. Bundesstaaten, die höhere Standards durchsetzen, können den Import von Waren, die unter schlechteren Bedingungen produziert wurden, verbieten.

Jasmin Zöllmer schreibt dazu in einer Studie der Humboldt-Universität:

So hat beispielsweise Kalifornien 2018 unter anderem die Kastenstandhaltung von Sauen verboten – auch für importiertes Fleisch. Staaten wie Iowa, der größte Schweineproduzent der USA, müssen sich nun an die kalifornischen Vorgaben halten, um weiterhin Zugang zu dem attraktiven 40 Millionen Einwohner-Markt zu behalten.“

In den Mitgliedsländern der EU erkennt Zöllmer aufgrund der strikten Auslegung des freien Warenverkehrs hingegen eine Art „Politik-Stillstand“ oder sogar eine Deregulierung, weil höhere Standards meist mit einem großen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit einhergingen.

Ihr Fazit: „Die Möglichkeit, denselben Standard auch auf Importe anzuwenden, trägt maßgeblich dazu bei, dass Standards überhaupt erst angehoben werden.“



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