Kunst im Griff der KI

Künstliche Intelligenz begeistert die einen, verunsichert die anderen und führt zu hitzigen Debatten, auch in der Welt der Kunst. Während Algorithmen bereits Bilder, Musik und Texte erschaffen, kämpfen Künstler um Sichtbarkeit, Rechte und ihre Existenz.
Titelbild
Ist das die Zukunft der Kunst? Ein KI-gesteuerter Roboter malt ein Porträt von Paul McCartney auf dem Glastonbury Festival 2022.Foto: Leon Neal/Getty Images
Von 21. Juli 2025

In Kürze:

Künstliche Intelligenz verändert und revolutioniert alle Bereiche der Kunst. Bild, Ton, Schrift und Film sind betroffen.

Gesetzliche Regelungen stecken noch in den Kinderschuhen.

Viele Künstler fürchten Verletzung ihrer Urheberrechte und Einkommensverluste, andere entwickeln neue Kunstformen.

Betrachter interessieren sich deutlich weniger für KI-Kunst und fordern eine Kennzeichnungspflicht.

Die Zukunft der Kunst liegt im Auge der Betrachter: Ob KI die Kunst bereichert oder zerstört, hängt davon ab, wie wir als Gesellschaft mit dieser Technologie umgehen.


 

Künstliche Intelligenz (KI) drängt in alle Lebensbereiche. Inzwischen hat sie auch die Welt der Kunst erfasst – und radikal verändert. KI-generierte Bilder werden bei internationalen Wettbewerben prämiert. Maschinen schaffen in Sekundenschnelle Werke, die oft kaum noch von menschlicher Kunst zu unterscheiden sind.

42 Prozent der deutschen Künstler nutzen bereits KI-Tools bei ihrer Arbeit, allerdings meist in einer assistierenden Funktion. Das zeigt die erste bundesweite Studie zu diesem Thema. Die Studie wurde im Auftrag der Initiative Urheberrecht für die Stiftung Kunstfonds im Jahr 2024 durchgeführt. Sie zeigt jedoch auch, dass mehr als die Hälfte der Künstler aufgrund von KI um ihre Existenz fürchtet.

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„Wir haben es mit einer Technologie zu tun, die unsere Werke zu 100 Prozent nutzt und dabei den Markt zerstört“, warnt die Initiative Urheberrecht.

Ein Akt der Piraterie

Tatsächlich trainieren KI-Systeme mit Millionen von Bildern, Texten und Musikstücken – meist ohne Erlaubnis oder Vergütung der Urheber. Das Ergebnis: KI-Modelle, die in der Lage sind, im Stil berühmter Maler zu „malen“ oder Texte zu verfassen, die kaum noch von menschlicher Malerei oder Prosa zu unterscheiden sind.

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass 56 Prozent der befragten Künstler Einkommensverluste befürchten und 53 Prozent sogar ihre Lebensgrundlage bedroht sehen. Besonders betroffen sind jene Bereiche, die bisher als sicher vor Automatisierung galten: Illustration, Textgestaltung, Musik und sogar die Fotografie.

Nicht alle sehen in KI nur eine Bedrohung. Einige Künstler haben begonnen, die Technologie als Werkzeug zu nutzen – zur Ideenfindung, zur Überwindung von Schreibblockaden oder zur Automatisierung repetitiver Aufgaben. Die Studie stellt fest, dass 50 Prozent der Künstler, die KI nutzen, sie zur Ideenfindung einsetzen und 39 Prozent bei der Entwicklung neuer Arbeiten.

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Andere gehen noch weiter und machen die KI zum festen Bestandteil ihres künstlerischen Schaffens. So hat sich die AI Art Movement als eigenständige Strömung etabliert. Künstler wie Mario Klingemann oder Refik Anadol schaffen mit KI völlig neue Ästhetiken. Anadol plant sogar die Eröffnung des ersten KI-Museums in Los Angeles.

KI-Kunst-Pionier Refik Anadol posiert vor einem seiner Werke in der Serpentine North in London. Foto: Dan Kitwood/Getty Images

Das Publikum steht der Entwicklung ambivalent gegenüber. Der Studie zufolge zeigen 64 Prozent der Kunstkonsumenten Interesse an KI-Kunst, wenn sie nicht wissen, wie sie entstanden ist. Sobald die KI-Herkunft bekannt wird, sinkt die Wertschätzung jedoch deutlich.

83 Prozent der Kunstrezipienten fordern eine verpflichtende Kennzeichnung von KI-generierten Produkten. Sie wollen wissen, womit sie es zu tun haben – eine Forderung, die der AI Act der Europäischen Union teilweise aufgreift.

KI kann „Harry Potter“ (fast) auswendig

Wie weit die Technologie bereits geht, zeigt eine aktuelle Studie zu Metas Sprachmodell Llama 3.1. Demnach kann die KI 42 Prozent des ersten „Harry Potter“-Bandes wortwörtlich reproduzieren. Das Modell wurde so intensiv mit Originaltexten trainiert, dass es große Teile des Romans auf Anfrage nahezu fehlerfrei wiedergibt – ein Befund, der die Debatte um Urheberrecht und geistiges Eigentum weiter anheizt.

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Die Forscher fanden außerdem heraus, dass Llama 3.1 auch andere Bestseller wie „1984“ oder „Der Hobbit“ größtenteils aus dem Gedächtnis abrufen kann. Für viele Autoren ist das ein Beweis, dass KI-Training nicht bloß „lernt“, sondern Werke tatsächlich kopiert.

Modelltraining oder Kopie? KI konnte 42 Prozent des ersten „Harry Potter“-Bandes wortwörtlich reproduzieren. Im Bild: Erste gebundene Ausgabe von „Harry Potter“. Foto: Angela Weiss/AFP via Getty Images

Der Streit um die Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte für das Training von KI-Modellen begann dabei nicht erst mit „Harry Potter“, sondern schon viel früher, etwa mit der Klage der US-Zeitung „New York Times“ gegen OpenAI und Microsoft. Die Zeitung wirft den Unternehmen vor, Millionen ihrer Artikel ohne Erlaubnis zum Training von KI-Modellen verwendet zu haben. Der Fall gilt als Präzedenzfall für die gesamte Branche.

Während der Rechtsstreit mit OpenAI und Microsoft weiterläuft, hat die „New York Times“ im Mai 2025 einen mehrjährigen Lizenzvertrag mit Amazon geschlossen und damit einen weiteren Präzedenzfall geschaffen.

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Penguin Random House, der weltgrößte Buchverlag, sah sich bereits gezwungen, seine Copyright-Hinweise zu ändern: „Kein Teil dieses Buches darf zum Training künstlicher Intelligenz verwendet werden.“ Zu spät, denn viele Daten sind bereits im Internet verstreut und damit kaum kontrollierbar.

Der weitaus größte Teil der Aneignung von Inhalten durch KI erfolgt jedoch noch völlig ungeregelt. Techkonzerne wie OpenAI, Meta und Google und ebenso die chinesischen Giganten Baidu, Alibaba, Tencent und ByteDance nutzen ihre Chance und eignen sich weiterhin das gesamte kulturelle Erbe der Menschheit an: Millionen von Bildern, Texten, Musikstücken und Filmen werden ohne Zustimmung oder Vergütung in ihre Algorithmen eingespeist.

Illegale Selbstbedienung. Die meisten Werke werden immer noch ohne Zustimmung oder Vergütung der Künstler in KI-Modelle eingespeist. Foto: agsandrew/iStock

Der unsichtbare Jobverlust in der Kunst

Während sich die Diskussion oft um spektakuläre Einzelfälle dreht, vollzieht sich der eigentliche Wandel meist im Verborgenen. In China wurde bereits ein Drittel der Character-Designer in der Gamingindustrie entlassen.

In den USA gingen die Aufträge für Illustratoren um 70 Prozent zurück. Freelancerplattformen melden einen dramatischen Rückgang bei kreativen Dienstleistungen: Schreibaufträge sanken um 30 Prozent, Grafikdesign um 17 Prozent.

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„Die Entlassungen erfolgen oft nicht direkt wegen KI, sondern werden als Effizienzsteigerung oder Kostensenkung verkauft“, erklärt ein Branchenexperte. Das macht das Phänomen schwerer fassbar, aber nicht weniger real.

Hollywood: Kampf um KI-Regelungen

Die Angst vor KI betrifft nicht nur bildende Künstler, sondern auch Schauspieler, Musiker und Autoren. In Hollywood kam es 2023/24 zu einem historischen Streik: Schauspieler und Drehbuchautoren legten die Arbeit nieder, weil sie befürchteten, durch KI-Avatare und automatisierte Textgeneratoren ersetzt zu werden. Nach monatelangen Verhandlungen einigten sich die Gewerkschaften mit den Studios auf strengere Regeln: Digitale Doppelgänger dürfen nur mit Zustimmung und Vergütung der Darsteller eingesetzt werden.

Auch in der Videospielbranche wurde nach fast einem Jahr Streik ein Vertrag mit neuen KI-Schutzklauseln abgeschlossen.

„No A.I.“ (Keine KI), Autoren und Schauspieler protestieren am 13. September 2023 in Hollywood. Foto: Frederic J. Brown/AFP via Getty Images

Auch in Großbritannien wächst der Widerstand. Über 200 prominente Musikerinnen und Musiker, darunter Paul McCartney, Billie Eilish und Stevie Wonder, haben sich in offenen Briefen und Petitionen an die Regierung gewandt. Sie fordern strengere Regeln, damit KI-Modelle nicht ohne ihre ausdrückliche Zustimmung mit ihren Songs trainiert werden dürfen. McCartney warnte:

„Wenn ihr die kreativen Köpfe nicht schützt, wird es sie bald nicht mehr geben.“

Die Künstler kritisieren, dass KI-Systeme ihre Stimmen und Stile imitieren und damit die finanzielle Grundlage für neue Musik zerstören könnten.

Überschwemmung mit Massenware

Immer häufiger werden KI-Texte zudem zu einem frustrierenden Ärgernis. So hat die Zahl der KI-erzeugten Bücher auf Plattformen wie Amazon in den letzten Jahren stark zugenommen, insbesondere in den Kategorien Reiseführer, Kochbücher, Ratgeber, Kinderbücher und Belletristik. Experten warnen diesbezüglich vor minderwertiger Qualität und fragwürdigen Verkaufsstrategien.

Einige dieser Bücher können sogar lebensgefährlich sein. So wurden bereits im Jahr 2023 KI-erzeugte Pilzratgeber bei Amazon angeboten, deren Ratschläge bei Befolgung tödlich hätten enden können. Amazon hat die Bücher inzwischen gesperrt und auch strengere Regeln eingeführt.

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Im Musikbereich wird Spotify von KI-komponierten Liedern überflutet, die sich unter echte Musik mischen. Diese „Content-Schwemme“ macht es für menschliche Kreative zunehmend schwer, überhaupt noch wahrgenommen zu werden.

Kunst im Kreuzfeuer

Die Entwicklung ist nicht aufzuhalten. Die Studie der Initiative Urheberrecht prognostiziert für Deutschland bis zum Jahr 2030 einen Umsatz von 2 Milliarden Euro allein mit KI-Bildgeneratoren. Ohne die Werke bildender Künstler als Trainingsgrundlage wären diese Umsätze nicht möglich.

Die Kulturstiftung des Bundes fördert ihrerseits mit 3,68 Millionen Euro Projekte, die sich künstlerisch mit KI auseinandersetzen. Ziel ist es, das „ästhetische Potenzial von KI-Technologien auszuloten“ und ihre „gesellschaftlichen Auswirkungen künstlerisch zu reflektieren“.

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Die von den Autoren der Studie befragten Experten fordern eine bessere Aufklärung über die Chancen und Risiken von KI, die bereits an Kunsthochschulen beginnen sollte. Gleichzeitig brauche es faire Regelungen für die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke und neue Vergütungsmodelle für Kreative.

Die KI wird die Kunst verändern – das ist sicher. Ob sie diese bereichert oder zerstört, hängt davon ab, wie wir als Gesellschaft mit dieser Technologie umgehen. Künstler, Politiker und Konsumenten müssen gemeinsam entscheiden, welche Rolle menschliche Kreativität in einer zunehmend automatisierten Welt spielen soll. Die Antworten auf diese Frage werden das Gesicht der Kunst für Generationen prägen.



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