Leipzig fällt kein Urteil zur Rundfunkbeitragspflicht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof am Zug

Am frühen Mittwochnachmittag, 15. Oktober, verkündet das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig sein Urteil zu der Frage, ob die öffentlich-rechtlichen Sender tatsächlich noch der Vielfaltssicherung dienen.
Aktuell beträgt der Rundfunkbeitrag monatlich 18,36 Euro. (Symbolbild)
Aktuell beträgt der Rundfunkbeitrag monatlich 18,36 Euro. (Symbolbild).Foto: Sebastian Kahnert/dpa
Von 15. Oktober 2025

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat am 15. Oktober keine direkte Entscheidung über die Rundfunkbeitragspflicht getroffen.

In seinem Urteil entschied der Vorsitzende Richter Prof. Ingo Kraft, dass die Beitragspflicht erst dann anzweifelbar sei, wenn „das Gesamtprogrammangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Anforderungen an die gegenständliche und meinungsmäßige Vielfalt und Ausgewogenheit über einen längeren Zeitraum gröblich verfehlt“.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe in der Vorinstanz diese Prüfung nicht vorgenommen.

Das BVerwG entschied deshalb, das zweitinstanzliche Berufungsurteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, Az.: 7 BV 22.2642) aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den BayVGH zurückzuverweisen.

Das Berufungsurteil habe gegen Bundesrecht verstoßen, „weil es die Bindungswirkung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018 – 1 BvR 1675/16 u.a.“ verkenne.

Mit einer ausführlicheren schriftlichen Urteilsbegründung ist nach Angaben einer Gerichtssprecherin in acht bis zwölf Wochen zu rechnen.

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BVerwG ließ Revision zu

Im Kern ging es um die Frage, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) seinen gesetzlichen Auftrag tatsächlich „strukturell“ erfüllt, der Vielfaltssicherung zu dienen. Andernfalls würde für die Beitragszahler nämlich kein „individueller Vorteil“ bestehen, der die Zahlungspflicht in ihrer aktuellen Ausgestaltung rechtfertigen würde.

Die mündliche Verhandlung im Revisionsverfahren hatte nach mehreren Jahren Rechtsstreit am 1. Oktober 2025 stattgefunden. Im Anschluss schöpften die Verwaltungsrichter um Prof. Ingo Kraft die maximal zulässige Dauer bis zur Urteilsverkündung aus. Die schriftliche Urteilsbegründung wird wahrscheinlich noch länger auf sich warten lassen.

Kraft war es auch, der die Revision im Mai 2024 überhaupt zugelassen hatte, weil die Streitfrage seiner Überzeugung nach von grundsätzlicher Bedeutung gemäß Paragraf 132 (2) der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sei. Die Revision in Leipzig solle feststellen, „ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen“ die Argumente der Klägerin „gegen die Beitragserhebung geltend gemacht werden“ könnten (Az.: BVerwG 6 B 70.23PDF).

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Klägerin in Diensten der Bürgerinitiative Leuchtturm ARD unterwegs

Vorausgegangen war ein jahrelanger Rechtsstreit einer inzwischen 84-jährigen Frau aus Bayern gegen den Bayerischen Rundfunk (BR). Die Klägerin hatte sich nach eigenen Angaben stellvertretend für mehr als 200 ÖRR-kritische Kläger aus den Reihen der Bürgerinitiative Leuchtturm ARD ORF SRG bereit erklärt, ihr gemeinsames Anliegen bis in die letzte Instanz durchzufechten. Der Bund der Rundfunkbeitragszahler unterstützt die Klage.

In ihrer Vollmacht, mit der sie bereits im September um die Vor-Ort-Vertretung durch Leuchtturm-Gründer Jimmy Gerum gebeten hatte, erklärte die Seniorin ihre Motivation wie folgt:

„Meine Klage ist Teil der Bürgerinitiative Leuchtturm ARD, die sich mit vielen Mitstreitern dafür einsetzt, dass der öffentliche Rundfunk seinen Funktionsauftrag der Meinungsvielfalt und unabhängigen Berichterstattung erfüllt.“

Sie selbst sei ebenfalls Mitglied der Bürgerinitiative, wolle aber anonym bleiben. Ihr Vollmachtschreiben liegt der Epoch Times vor.

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Drei denkbare Szenarien

Vor dem Urteil hielt der prozessbevollmächtigte Anwalt der Klägerseite, der Münchner Jurist Dr. Harald von Herget, drei Urteile für möglich.

Möglichkeit 1: Der BR könnte obsiegen. In diesem Fall würde das BVerwG nach Einschätzung von Herget „die Privilegierung des ÖRR gegenüber dem Privatrundfunk nicht ausreichend würdigen“. Dann werde er der Klägerin raten, vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu ziehen.

Möglichkeit 2: Die Klägerin könnte obsiegen. Dann werde sich das BVerwG „wohl auch zu der Frage äußern, ob ein subjektives Klagerecht des Rundfunkbeitragszahlers“ bestehe und „was genau dem Rundfunkbeitragszahler einen individuellen, grundrechtlich geschützten Vorteil, nämlich die freie politische Willensbildung, verschaffen soll“, so von Herget. Womöglich könnte dann auch BR das BVerfG anrufen.

Möglichkeit 3: Das BVerwG sieht noch Klärungsbedarf „auf der Tatsachenebene“. Dann werde es den Streitfall „voraussichtlich“ an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) in München zurückverweisen – mit dem Auftrag, „klare, nachvollziehbare Kriterien aufzustellen, nach denen die öffentlich-rechtlichen Sender die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nachzuweisen haben“.

Von Herget wurde in Leipzig von dem Düsseldorfer Rechtsanwalt Carlos A. Gebauer und dem Leipziger Staats-, Medien- und Verwaltungsrechtsexperten Prof. Dr. Hubertus Gersdorf unterstützt. Auch Jimmy Gerum hat auf der Klageseite Platz genommen.

Wenige Tage vor dem Urteilstermin hatte Gerum per Newsletter allen seinen Mitstreitern für drei Jahre Arbeit gedankt, insbesondere dem früheren Prozessbevollmächtigten Friedemann Willemer, der „diesen Weg im Juni 2022 mit uns angestoßen hat“. Willemer war im Oktober 2024 überraschend verstorben. „Dieses Verfahren und sein Ergebnis sind sein Vermächtnis, im Dienste unseres Grundgesetzes“, schrieb der Leuchtturm-Gründer.

Ganz gleich, wie das Verfahren ausgehen werde, wolle man weiter kämpfen:

„Wir werden so lange weiterarbeiten, bis wir alle wieder stolz sein können auf die praktische Umsetzung unserer demokratischen Grundordnung, wirklicher Meinungsvielfalt und fairem, multiperspektivischem Diskurs in unserer Medienlandschaft.“

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Die Ausgangslage

Die Klägerin hatte sich geweigert, ihren Rundfunkbeitrag zu zahlen, weil die Sender ihrer Überzeugung nach nicht nur „kein vielfältiges und ausgewogenes Programm“ anböten, sondern auch „als Erfüllungsgehilfe der vorherrschenden staatlichen Meinungsmacht“ dienten, wie das BVerwG auf seiner Website zusammenfasste. Zudem mangele es den ÖRR-Aufsichtsgremien nach Meinung der Klägerin an Staatsferne. Damit fehle es ihrer Ansicht nach „an einem individuellen Vorteil, der die Beitragspflicht rechtfertige“, woraus die Klägerin ein Leistungsverweigerungsrecht ableite.

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Die Klägerin hatte sowohl im Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht München im September 2022 (Az.: M 6 K 22.3507) als auch mit ihrem Berufungsantrag vor dem BayVGH im Juli 2023 Niederlagen einstecken müssen (Az.: 7 BV 22.2642, PDF). Beide Gerichte argumentierten, dass unzufriedene Zuschauer sich ja auf dem regulären Beschwerdeweg an die Sendeanstalten wenden könnten.

Bundesverfassungsgericht für grundsätzliche Klärung der alten Streitfrage

Den Weg für eine neue Grundsatzentscheidung hatte letztlich ein Bandwurmsatz aus einem früheren Beschluss des BVerfG vom 23. April 2023 (Az.: 1 BvR 601/23) freigemacht. Der Türöffner lautete:

„Es ist jedoch weder dargelegt noch ersichtlich, dass bereits hinreichend geklärt ist, ob und gegebenenfalls nach welchen Maßstäben unter Berücksichtigung der Rundfunkfreiheit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und der Vielfaltsicherung dienenden Selbstkontrolle durch plural besetzte anstaltsinterne Aufsichtsgremien […] vor den Verwaltungsgerichten geltend gemacht werden kann, es fehle an einem die Beitragszahlung rechtfertigenden individuellen Vorteil […], weil das Programmangebot nach seiner Gesamtstruktur nicht auf Ausgewogenheit und Vielfalt ausgerichtet sei und daher kein Gegengewicht zu den privaten Rundfunkanbietern bilde.“

Der Erste Senat des BVerfG hatte zuletzt am 18. Juli 2018 ein positives Grundsatzurteil (Az.: 1 BvR 1675/16) zur Rechtmäßigkeit der Beitragspflicht pro Wohneinheit gefällt. Demnach genügt dafür schon allein die Möglichkeit, den ÖRR zum eigenen Vorteil nutzen zu können: „Auf das Vorhandensein von Empfangsgeräten oder einen Nutzungswillen kommt es nicht an.“

Heißt im Umkehrschluss aber auch: Sollte ein Gericht rechtskräftig feststellen, dass ein individueller Vorteil für den Beitragszahler beispielsweise wegen mangelnder Vielfalt im Programm fehlt, stünde auch die Beitragspflicht zur Debatte.



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