Magdeburg: Prozess um Weihnachtsmarkt-Attentäter wird teuer

Eigens für den Strafprozess gegen Taleb al-A. wird in Magdeburg vorübergehend ein Leichtbau-Gerichtsgebäude aus dem Boden gestampft. Der Psychiater aus Saudi-Arabien war kurz vor Weihnachten 2024 in die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt gerast. Sechs Menschen starben, Hunderte wurden zum Teil schwer verletzt.
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Für den Terrorprozess gegen Taleb al-A. entsteht in Magdeburg ein eigenes Gerichtsgebäude – bestehende Säle sind zu klein. Symbolbild.Foto: Heiko Küverling/iStock
Von 8. Juli 2025

Der Prozess gegen den inhaftierten mutmaßlichen Terrorfahrer vom Magdeburger Weihnachtsmarkt, den aus Saudi-Arabien stammenden Taleb al-A., soll in einem eigenen temporären Gebäude stattfinden. Die rund 5.000 Quadratmeter große Anlage wird bereits seit Mitte Juni 2025 auf dem Jerichower Platz aufgebaut, einem landeseigenen Grundstück im Osten der sachsen-anhaltinischen Landeshauptstadt.

„Die Fertigstellung des Interimsgerichtsgebäudes ist für das dritte Quartal dieses Jahres vorgesehen“, bestätigte ein Sprecher des Justizministeriums Sachsen-Anhalt auf schriftliche Anfrage der Epoch Times. Nach dem Urteilsspruch solle die Leichtbau-Anlage wieder „zeitnah“ zurückgebaut werden.

Knapp 10 Millionen Bau- und Betriebskosten möglich

Der finanzielle Aufwand für die Errichtung und den Betrieb während der Dauer des Verfahrens werde voraussichtlich im einstelligen Millionenbereich liegen, könnte den Steuerzahler also bis zu knapp 10 Millionen Euro kosten. Dafür werde das Gebäude bis zu 700 Personen Platz bieten und allen organisatorischen, logistischen und sicherheitsbezogenen Anforderungen genügen.

„Es ist insbesondere mit einer Vielzahl von Verfahrensbeteiligten zu rechnen“, gab der Ministeriumssprecher zu bedenken. Er verwies auf die große Zahl von Nebenklägern und Zeugen, „deren Beteiligung für die umfassende Aufklärung des Tatgeschehens erforderlich“ sei:

Gerade bei einem Verfahren, das sich mit Geschehnissen von erheblicher Tragweite befasst, ist es unerlässlich, denjenigen, die betroffen sind, die rechtlich erforderlichen Bedingungen zu gewährleisten.“

Nebenkläger besitzen Recht auf Teilnahme

Dass kein bestehendes Gerichtsgebäude für den Landgerichtsprozess gegen den Beschuldigten habe genutzt werden können, sei dem Umstand geschuldet, dass in ganz Sachsen-Anhalt kein Justizsaal existiere, der genügend Raum für die Nebenkläger, Besucher, Medienvertreter, Zeugen, Anwälte und Richter bieten würde.

Die Stadt-, Sport- und Messehallen im Stadtgebiet und Umland von Magdeburg seien zwar in „enger Abstimmung mit allen beteiligten Stellen“ geprüft, als Ausweichquartier aber letztlich verworfen worden, „da diese unter anderem in der Regel mittel- bzw. langfristig zur Nutzung bereits zugeteilt und somit nicht flexibel für die Justiz nutzbar“ seien.

„Außerdem sprachen bei den vorhandenen Gebäuden gewichtige Gründe gegen eine Nutzung – zum Beispiel nicht kalkulierbare Umbaukosten, nicht vorhandene Umbaumöglichkeiten, mangelnde Infrastruktur, Sicherheitsbedenken etc.“, so das Justizministerium.

Auf dem Jerichower Platz in Magdeburg wird derzeit eine Leichtbauhalle errichtet. In ihr soll der Prozess gegen den Todesfahrer vom Magdeburger Weihnachtsmarkt stattfinden. Foto: Bildschirmfoto/Facebook/Radio SAW

Auf dem Jerichower Platz in Magdeburg wird derzeit eine Leichtbauhalle errichtet. In ihr soll der Prozess gegen den Todesfahrer vom Magdeburger Weihnachtsmarkt stattfinden. Foto: Bildschirmfoto/Facebook/Radio SAW

Staatsanwaltschaft: „Das Schlimmste wäre, wenn das Gebäude nicht ausreichen würde“

Auch der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg (GA) hält die Kosten und den Platzbedarf im Sinne einer rechtsstaatlichen Justiz für gerechtfertigt. Schließlich besitze jeder Geschädigte das Recht, als Nebenkläger aufzutreten und sich im Prozess vertreten zu lassen, sagte der GA-Sprecher auf Anfrage der Epoch Times. Seinem Kenntnisstand nach sei derzeit mit mehr als 80 Nebenklägern zu rechnen.

Da es sogar um rund 330 direkt Betroffene gehe, könnte die Zahl der Einlass Begehrenden später sogar deutlich höher ausfallen. „Das Schlimmste wäre, wenn das Gebäude nicht ausreichen würde“, sagte der GA-Sprecher.

Prozessauftakt schon im Herbst?

Wann verhandelt werden könnte, sei derzeit noch unklar. Zunächst müsse die GA noch eine Abschlussverfügung verfassen. Das werde „wahrscheinlich“ bis Juli oder August dauern, vielleicht aber auch bis zum Ende des Sommers – vorausgesetzt, es werde von anderer Seite nicht noch ein Antrag im Sicherungsverfahren gestellt, der auf eine psychische Beeinträchtigung des mutmaßlichen Delinquenten abheben könnte.

Sollte es aber erwartungsgemäß zu einer Anklageerhebung kommen und im Terminkalender des Landgerichts nichts dagegen sprechen, könnte es schnellstens schon im Herbst 2025 zum Prozessauftakt kommen. Dann drohe dem mutmaßlichen Mörder nach Paragraf 211 des Strafgesetzbuches bei Verurteilung eine lebenslange Freiheitsstrafe, stellte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft klar.

Todesfahrt eines Psychiaters – Motivlage unklar

Taleb al-A., Jahrgang 1974, war am frühen Abend des 20. Dezember 2024 mit einem geliehenen Auto über eine frei gebliebene Rettungswagengasse gezielt auf das Weihnachtsmarktgelände in Magdeburg gerast. Sein Wagen überfuhr oder streifte zahlreiche Besucher. Am Ende waren sechs Menschen tot, darunter ein neunjähriger Junge. Rund 330 weitere Weihnachtsmarktbesucher wurden nach Angaben des GA-Sprechers teilweise schwer verletzt. Ihretwegen komme auch der Vorwurf des versuchten Mordes in Tateinheit mit Körperverletzung zum Tragen.

Nach seiner Terroraktion hatte sich der Fahrer widerstandslos festnehmen lassen. Zuvor hatte al-A. fast fünf Jahre lang als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie im Maßregelvollzug für suchtkranke Straftäter in Bernburg gearbeitet.

Seit seiner Festnahme wurde er in mehreren Justizvollzugsanstalten zur Untersuchungshaft untergebracht. Ganz aktuell sei er von einem Sächsischen in einem Berliner Gefängnis verbracht worden, so der GA-Sprecher auf Anfrage der Epoch Times.

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Die Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg beschäftigt sich seit Monaten mit den Motiven, die al-A. zu seiner Todesfahrt animiert haben könnten. Nach Angaben des MDR liegen der Anklagebehörde Hinweise auf eine Reihe von möglichen Beweggründen vor.

So soll al-A. eine stark negative Haltung zu seiner angeblichen Ex-Religion Islam, zu seinem Heimatland Saudi-Arabien, zum Kölner Verein Säkulare Flüchtlingshilfe und auch zu Deutschland vertreten haben – immer wieder auch öffentlich in den sozialen Medien. Dabei zeugten seine zuweilen widersprüchlichen Einträge besonders in den Monaten vor der Gewalttat immer öfter von einem Hang zu gewaltaffinem Denken. Im Mai 2024 etwa kündigte er seinen eigenen Tod noch vor Jahresende an.

Bekannt – aber nicht rechtzeitig gestoppt

Im Januar 2025 wurde bekannt, dass sich deutsche Sicherheitsbehörden in wenigstens sechs Bundesländern bereits seit 2013 mit al-A. beschäftigt hatten: Ein vertraulicher Bericht des Bundeskriminalamtes listete über 100 Einträge auf.

Im Lauf der vergangenen Jahre habe es demnach insgesamt 14 Ermittlungsverfahren gegen Taleb al-A. gegeben. Der Löwenanteil davon sei eingestellt worden. Insgesamt sei der Psychiater nur zweimal verurteilt worden, zuletzt wegen Missbrauchs von Notrufen am 19. Dezember 2024, dem Tag vor seiner Todesfahrt.

Umgekehrt habe al-A. selbst 18 Anzeigen erstattet. Seine Unzufriedenheit habe sich unter anderem gegen Richter, Staatsanwälte und seinen eigenen Rechtsanwalt gerichtet.

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Nach Angaben der sachsen-anhaltinischen Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) war Al-A. 2006 nach Deutschland gekommen, um seine Facharztausbildung abzuschließen. In einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Bezahlschranke) hatte er 2019 rückblickend angegeben, wegen seiner islamkritischen Äußerungen in einem Internetforum nicht mehr sicher in seiner Heimat Saudi-Arabien zu sein. Deswegen habe er im Februar 2016 Asyl beantragt. Noch im Juli desselben Jahres sei er schließlich als Flüchtling mit einer dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung anerkannt worden.

Taleb al-A. wohl schuldfähig

Bereits Mitte Juni hatte die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg erklärt, dass ein forensisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten bislang keine Hinweise auf eine Schuldunfähigkeit des Täters ergeben habe. Nähere Details wolle man im Rahmen der Abschlussverfügung noch im Sommer veröffentlichen.

Die Ulmer Kommunikationsexpertin und X-Aktivistin Yvonne Kussmann geht nach ihrer Unterhaltung mit dem zuständigen Oberstaatsanwalt davon aus, dass Taleb A. auch weiter als schuldfähig betrachtet werden wird.

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Manche großen Prozesse verlangen nach Um- oder Neubau

Der zwischenzeitliche Neubau eines Gerichtsgebäudes für einen einzigen Fall ist in Deutschland übrigens nicht ungewöhnlich, aber relativ selten. Vor einem guten Jahr war in Frankfurt am Main ebenfalls eine temporäre Leichtbauhalle aufgebaut worden. Seit dem 21. Mai 2024 stehen dort neun Angeklagte im sogenannten Reichsbürger-Prozess um Heinrich XIII. Prinz Reuß vor Gericht. Die Bau- und Nutzungskosten für die „nur“ 1300 Quadratmeter große Anlage sollen laut „Bild“ im „unteren einstelligen Millionenbereich“ liegen.

Für die Mitglieder der „Roten Armee Fraktion“ (RAF) wurde in den 1970er-Jahren ebenfalls ein hochgesicherter Verhandlungssaal in unmittelbarer Nähe zum Hochsicherheitsgefängnis in Stuttgart-Stammheim erbaut. Kostenpunkt für das „Mehrzweckgebäude“ damals laut „Welt“: 12 Millionen Euro. In der zweiten Hälfte der 2010er-Jahre wich die Anlage einem Neubau zum Preis von rund 28 Millionen Euro.

Bevor 2013 der Prozess gegen Mitglieder des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) eröffnet wurde, ließ die bayerische Staatsregierung einen Saal im Oberlandesgericht München für 1,25 Millionen Euro aufwendig umbauen und technisch nachrüsten, um den Anforderungen an Sicherheit und Medieninteresse gerecht zu werden.

Auch für die „Nürnberger Prozesse“ (1945–1946) war der große Verhandlungssaal im Justizzentrum an der Fürther Straße technisch und räumlich aufwendig aufgerüstet und gesichert worden, um die internationalen Militärtribunale gegen Größen des nationalsozialistischen Regimes abhalten zu können.



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