Rätselhafte Funde, falsche Spuren: Der mysteriöse Fall Peggy Knobloch

Leserhinweis: Der folgende Artikel enthält Schilderungen von Gewalt, die belastend sein können.
In Kürze:
- Das Oberlandesgericht Bamberg hat sein Urteil zum Mordfall-Peggy gefällt.
- Funde am Grab werfen Fragen auf.
- Polizei und Justiz gerieten wiederholt in die Kritik.
- Wer Peggy ermordet hat, bleibt bis heute ein ungelöstes Rätsel.
In der unendlichen Geschichte von Peggy Knobloch musste sich zuletzt das Oberlandesgericht Bamberg (OLG) ein Jahr lang mit dem Fall beschäftigen. Konkret mit dem Berufungsverfahren der Mutter des getöteten Kindes. Diese verlangt von einem zeitweilig Beschuldigten Schmerzensgeld, weil er gewusst haben soll, wo das tote Kind begraben lag. Das OLG hat die Berufungsklage von Susanne Knobloch am 14. August 2025 ebenfalls zurückgewiesen. Wie schon im Mai 2024 das Landgericht Hof.
Dass der Beschuldigte etwas mit dem Tod oder der Verbringung des Mädchens zu tun hat, kann ausgeschlossen werden. Stattdessen wollen die Hinweise auf Manipulationen seitens der Polizei nicht enden. Als das OLG Bamberg am 10. Juli 2025 den Fall öffentlich erörterte, gab es dazu ein weiteres Beispiel. Dazu unten mehr. Zunächst ein kurzer Überblick über diesen vielschichtigen Fall.
Rätselhafte Funde
Am 7. Mai 2001 kam das neunjährige Mädchen im nordbayerischen Lichtenberg abends nicht nach Hause und blieb verschwunden. Am 2. Juli 2016 wurden in einem Waldstück wenige Kilometer entfernt die Knochen des Kindes gefunden, es wurde vermutlich ermordet. An der Grabstelle gab es gleich zwei Funde. Die sterblichen Überreste betrafen fast ausschließlich den Oberkörper. Die Knochen des Unterkörpers fehlten komplett. Der Unterkörper wurde möglicherweise abgetrennt. Diese These löste Spekulationen aus, es könnte sich um eine Tätergruppe oder um organisierte Kriminalität handeln.
Polizei und Staatsanwaltschaft haben diesen aufsehenerregenden Befund nie thematisiert, er wurde erst vor wenigen Monaten durch zwei Journalisten bekannt gemacht: die Autorin Ina Jung, die das Buch Der Fall Peggy – Die Geschichte eines Skandals mit herausbrachte sowie der Autor dieses Textes.

Buch „Der Fall Peggy – Die Geschichte eines Skandals“ von Ina Jung und Christoph Lämmer, Droemer Verlag Foto: Bildschirmfoto ISBN.de
Auf der Suche nach dem Täter
Dann stieß man an der Fundstelle von Peggy aber noch auf einen zweiten aufregenden Fund: ein Kunststoffteilchen in der Größe eines halben Fingernagels, an dem sich die DNA des NSU-Mannes Uwe Böhnhardt befand. Wie dieses Teilchen dorthin kam, können die Ermittlungsbehörden nicht sagen, Böhnhardt selbst muss ausgeschlossen werden.
Der oder die Täter im Todesfall Peggy sind bisher nicht bekannt, schon deshalb kann der Fall nicht abgeschlossen werden. Zunächst war ein Unschuldiger als Täter verurteilt worden – 2004. Der Geistigbehinderte musste nach zehn Jahren in der geschlossenen Psychiatrie aber wieder freigelassen werden und wurde in einem zweiten Prozess freigesprochen – 2014.
Wieder Jahre später – 2018 – wurde ein anderer Lichtenberger bezichtigt, das tote Mädchen im Wald vergraben zu haben. Auf ihn richtete sich die Schadensersatz- und Schmerzensgeldklage von Susanne Knobloch.
Er soll das tote Kind ausgerechnet von dem Unschuldigen entgegengenommen, weggebracht und vergraben haben. Diese Annahme wurde von den Gerichten nicht bestätigt. Zudem ist unklar, warum Polizei und Staatsanwaltschaft nie öffentlich machten, dass das Kind möglicherweise zerteilt wurde, womit eine andere Tatgeschichte erzählt wurde.
Obwohl im Oktober 2020 das Ermittlungsverfahren eingestellt wurde, strengte die Mutter von Peggy im Dezember 2022 eine Schadensersatzklage an. Sie vertritt die Auffassung, der Beklagte habe ihr Kind doch vergraben und verlangt insgesamt 75.000 Euro Schmerzensgeld von ihm. Für jedes Jahr, in dem sie nicht wusste, was mit ihrer Tochter ist, 5.000 Euro.
Die Polizei hatte das Vorgehen gegen den Mann mit einem konkreten Spurenfund begründet. An der Vergrabungsstelle des Kindes wurden kleine Farbsplitter sichergestellt, die, so die Ermittler, identisch seien mit Farbsplittern auf dem Anwesen des Beschuldigten. 2001, im Jahr des Verschwindens von Peggy, soll er damals renoviert und dieselbe Farbe verwendet haben.

Ein blauer Kunststoff-Sack liegt in einem Waldstück im Saale-Orla-Kreis bei Rodacherbrunn. Skelettteile von Peggy wurden hier gefunden. Foto: Daniel Karmann/dpa
Falsche Befunde
Jetzt, im Juli 2025, konnte man im Oberlandesgericht Bamberg, wo die Berufungsverhandlung in Sachen Schmerzensgeld stattfand, aus dem Munde der Vorsitzenden Richterin hören, dass dieser Befund gar nicht stimmt, dass sogar das Gegenteil der Fall ist: Die Kriminaltechnik habe festgestellt, so die Vorsitzende, dass es sich NICHT um dieselbe Farbe gehandelt habe. Damit hat sich die Annahme der Sonderkommission Peggy als falsch erwiesen.
Im April 2024 hatte zunächst das Landgericht Hof die Schmerzensgeldklage von Susanne Knobloch öffentlich und unter Beisein von beiden verhandelt. Im Mai 2024 wies das Gericht die Klage als unbegründet ab.
Ungereimtheiten im Geständnis
Die Aussagen des damaligen Verdächtigen in seiner ersten Vernehmung im September 2018, die zehn Stunden lang und ohne Rechtsanwalt durchgeführt wurde und bei der er zudem im Keller eingesperrt wurde, seien unglaubhaft. Der Mann hatte das „Geständnis“, Peggy vergraben zu haben, bereits am folgenden Tag gegenüber seinem Anwalt widerrufen. Nach Ansicht der Richter seien Drucksituationen bei Verhören durchaus bekannt und führten immer wieder zu falschen Geständnissen.
Die Richter kritisierten zugleich die Polizei. Denn aus dem Vernehmungsprotokoll ergäben sich bereits Zweifel am Wahrheitsgehalt der Angaben des Beklagten. Es gebe Anhaltspunkte, dass er sich das Gesagte ausgedacht habe.
Außerdem ergeben sich Widersprüche zwischen der Aussage vor der Polizei und tatsächlichen Feststellungen. Irritierend vor allem auch: Die angebliche „Übergabe“ des toten Kindes soll mitten am Tag mitten im Ort in einem Häuschen einer Bushaltestelle erfolgt sein, wo Schüler aussteigen. Gegenüber ist eine Fabrik, die Schichtwechsel hatte. Peggy soll obendrein am Abend des 7. Mai 2001 von mehreren Zeugen gesehen worden sein.

Bushaltestelle im bayerischen Lichtenberg: Der Beschuldigte Manuel S. hat im Mordfall Peggy erst angegeben, dass er das leblose Kind von einem anderen Mann an der Haltestelle übernommen habe. Seine Aussagen hat er später widerrufen. Foto: Daniel Karmann/dpa
Auch den einschlägigen Spurenbefund an der Vergrabungsstelle konnte der Beklagte nicht erklären: beispielsweise Schuhe, die 15 Meter entfernt standen, wie ein Zeichen, das auf das Grab hinweist. Und warum standen dort überhaupt Schuhe, wenn Beine und Füße des Skeletts fehlten? Völlig unverständlich: Mit dem halben Skelett und dem möglicherweise durchtrennten Kind konfrontierte die Polizei den ehemaligen Verdächtigen nie.
Kein Täterwissen feststellbar
Nach der Klageabweisung durch das Landgericht Hof ging Peggys Mutter in Berufung vor dem Oberlandesgericht Bamberg. Dort hat das Verfahren noch einmal ein Jahr in Anspruch genommen. Am 10. Juli 2025 teilte ein Zivilsenat des Gerichts in öffentlicher Sitzung das Ergebnis seiner Prüfung des Falles mit – erneut unter Anwesenheit der Beteiligten. Er gab dem Landgericht Hof in sämtlichen Punkten Recht; dessen rechtliche Ausführungen und seine Beweiswürdigung seien zutreffend; es gebe keinen Anhaltspunkt für einen Fehler; Bei dem Beklagten sei kein Täterwissen feststellbar.
Bei der Auflistung der Punkte, die gegen den Beklagten als Verbringer des toten Mädchens sprechen, kam die Vorsitzende Richterin dann auch auf den angeblich identischen Spurenbefund zwischen kleinsten Farbresten am Fundort von Peggy und denen am Anwesen des Mannes zu sprechen. Entgegen der Darstellung, es handle sich um dieselbe Farbe, sei das Gegenteil der Fall, so die Vorsitzende. Mit zwei kurzen Sätzen brachte das Gericht die Konstruktion der Polizei über den ehemaligen Verdächtigen zum Einsturz. Und damit in gewisser Weise das gesamte bisherige Narrativ im Falle Peggy Knobloch.
Das endgültige Urteil
Susanne Knobloch hielt beim Erörterungstermin im Juli auch im Gerichtssaal des OLG Bamberg allen Entlastungsindizien zum Trotz daran fest, dass der ehemals verdächtigte Lichtenberger ihre Tochter vergraben haben soll. Dieser Irrglaube ließ sie selbst vor einer Ausfälligkeit nicht zurückschrecken. Dass der Mann anfänglich „gestanden“ hatte, weil er unter Druck gesetzt worden sein will, dann aber widerrief, bezeichnete sie als „Bullshit“, sodass die Vorsitzende sie ermahnen musste.
Am 14. August verkündete das OLG nun offiziell sein Urteil: Die Berufungsklage von Susanne Knobloch wird zurückgewiesen. Das Urteil des Landgericht Hof wird bestätigt. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
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