Rundfunkbeitragspflicht-Urteil: Klägerseite spricht vom „Erfolg für die Meinungsvielfalt“

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 15. Oktober kein Urteil zur Rechtmäßigkeit der Rundfunkbeitragspflicht gefällt, sondern den Streitfall zurück an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof verwiesen. Epoch-Times-Reporter Erik Rusch hat vor Ort Stimmen dazu eingefangen.
Titelbild
Der Vorsitzende Richter des 6. Senats am Bundesverwaltungsgericht, Prof. Ingo Kraft (M.), sprach am 15. Oktober sein Urteil zum Bestand der Rundfunkbeitragspflicht.Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times
Von , 15. Oktober 2025

In Kürze:

  • Keine Entscheidung zur Rechtmäßigkeit der Rundfunkbeitragspflicht: Bundesverwaltungsgericht Leipzig verweist Streitfall zurück nach München
  • Klägerteam sieht anstehende „Hausaufgaben“ als Preis für erhoffte Änderungen zur Zahlungspflicht
  • Justiziarin des BR betont weitere Gültigkeit der Zahlungsverpflichtung

 

Nach der Zurückverweisung der Streitsache um die Zukunft der Rundfunkbeitragspflicht an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) in München hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerseite, Dr. Harald von Herget, gegenüber der Presse von einem „Erfolg für die Meinungsvielfalt“ gesprochen.

Im Gerichtssaal habe man den Vertretern des beklagten Bayerischen Rundfunks (BR) ansehen können, dass ihnen klar geworden sei, in Zukunft mehr tun zu müssen. „Sie sind auch dazu bereit, ein höheres Maß an Vielfalt zu erbringen“, stellte von Herget gegenüber Epoch Times fest.

Klägerseite vor „Sisyphusaufgabe“

Auch die Klägerseite müsse für die weitere „Sachverhaltsklärung“ mehr tun. Nach dem Willen der Leipziger Richter vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) sei vor dem BayVGH nun ein Sachverständigengutachten vorzulegen, das sich mit der Frage beschäftigen müsse, ob der Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) verletzt sei oder nicht. Die Hürde, einen entsprechenden Beweis zu liefern, sei „in der Tat sehr hoch“, betonte von Herget:

„44 Millionen Sendeminuten pro Jahr zu durchforsten und nach wissenschaftlichen Maßstäben zu beurteilen, das ist eine Sisyphusaufgabe.“

Man werde deshalb wohl um eine Eingrenzung in der Art nicht umhinkommen, dass die Gerichte klarmachen müssten, welche Bereiche des Programms sie sich anschauen wollten. Andernfalls könne allein die Erstellung des Gutachtens drei Jahre dauern. Man könne beispielsweise bestimmte Kulturangebote aus der Betrachtung herauslassen, schlug von Herget vor.

[etd-brightchat-video=„https://vod.brightchat.com/embed/64e607a5-1b92-4595-87ba-7c80c13efe83“]

Manche Fragen noch offen

Über all das müsse er sich nun Gedanken machen: „Das ist jetzt eben der Preis, wenn man als Ziel hat, dass der Rundfunkbeitrag als solcher komplett entfallen soll.“ Auch da könne er sich übrigens eine Eingrenzung „um einen bestimmten Anteil“ vorstellen. „Dann müssten wir natürlich wiederum nachvollziehbare Kriterien finden, um diese Eingrenzung vorzunehmen“, gab von Herget zu bedenken.

Eine „Legitimationslücke“ bestehe für ihn auch in der Frage, wie ein Beitragszahler einen Sender überhaupt rügen und zu Verbesserungen bewegen könne, wenn er gar kein „subjektives Klagerecht“ besitze. Auch sein Ansatz, dass die Beitragszahler die Rundfunkräte wählen sollten, sei offengeblieben. Zu diesen Fragen werde er sich aber die noch ausstehenden schriftlichen Urteilsgründe des Leipziger Gerichts „in Ruhe ansehen“, kündigte von Herget an.

Freuen sich auf die weiteren Verhandlungen vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof: Jimmy Gerum von der Bürgerinitiative Leuchtturm <span class=

Jimmy Gerum von der Bürgerinitiative Leuchtturm ARD und der Prozessbevollmächtigte der Klägerseite, Dr. Harald von Herget. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

Jimmy Gerum: „Ein großer Sieg, vor allem durch die Öffentlichkeit“

Vor dem Klägerteam lägen nun „viele Hausaufgaben“, pflichtete ihm sein Begleiter Jimmy Gerum bei. Der Filmproduzent hatte die offizielle Klägerin vor dem BVerwG in seiner Funktion als Gründer der Bürgerinitiative Leuchtturm ARD ORF SRG vertreten.

Trotz der vor ihm liegenden Mühe halte er es für realistisch, jene Nachweise erbringen zu können, die die Defizite des ÖRR bei Ausgewogenheit und Meinungsvielfalt belegen könnten: „Es ist ja evident, nicht erst seit fünf Jahren, es ist seit Jahrzehnten evident“, sagte Gerum. Um vor Gericht „ein Missverhältnis oder eine Unwucht feststellen“ zu können, denke er an „so ganz elementare Dinge wie Kriegstüchtigkeit versus Friedenstüchtigkeit“. Diese ließen klar erkennen, dass ein Mangel an Meinungsvielfalt im ÖRR herrsche.

Ähnliches gelte für die Aufarbeitung der Corona-Krise oder der Kriege in Jugoslawien oder im Irak, bei denen auch geopolitische Interessen eine Rolle spielten, sagte der Leuchtturm-Gründer. Am Ende gehe es um „ganz große Dinge“ wie „die Zukunft Europas“ und „eine globale Friedensordnung“.

Für ein Ende der „imperialen Stille“

Insofern freue er sich über den „großen Sieg“, den die Klägerin und seine Initiative „vor allem jetzt auch durch die Öffentlichkeit“ des Verfahrens davongetragen habe. Er hoffe, nun einen Schritt vorankommen zu können. Seine Vision angesichts der anhaltenden „Diskursverweigerung“ der Sender:

„Gemeinsam mit den Journalisten arbeiten wir als demokratischer Souverän daran, dass wir diese ‚imperiale Stille‘ beenden und in den argumentativen Austausch darüber gehen. Und dann kann es uns auch gelingen, noch vor der nächsten Instanz bereits Ergebnisse zu erzielen. Das sollte eigentlich das Ziel sein.“

Er hoffe, dass sich viele Journalisten inspiriert fühlten, „auch in die Selbstreflexion zu gehen“ und über Defizite nachzudenken, die sie vielleicht in Redaktionskonferenzen festgestellt hätten. „Das wäre das Schönste, was heute hätte passieren können.“

BR-Justiziarin: Rundfunkbeitrag muss vorerst weiterfließen

Dr. Sabine Mader, die Leiterin der BR-Rechtsabteilung, betonte, dass das BVerwG klargestellt habe, dass man den Rundfunkbeitrag nicht einfach zurückbehalten könne, wenn einem einzelne Angebote des öffentlichen Rundfunks nicht gefielen.

„Ein Entfall der Beitragspflicht kommt allenfalls […] dann in Betracht, wenn sich das aus dem Hörfunk-, Fernseh- und Telemedienangebot bestehende Gesamtangebot aller rechtlichen öffentlichen Rundfunkanstalten über einen längeren Zeitraum evidente und regelmäßige Defizite erkennen lässt“, so Marder gegenüber der Presse. Dass das ÖRR-Programm „unter solchen Defiziten“ leide, habe das Gericht für „zweifelhaft“ gehalten.

Bis auf Weiteres seien damit „unsere staatlichen und unabhängigen Aufsichtsgremien dafür zuständig, zu überprüfen, ob die rechtlichen Rundfunkanstalten ihrem Auftrag nachkommen“, betonte Mader. Ihr Sender ringe aber ohnehin täglich um die „sehr wichtigen Werte“ der „Perspektivenvielfalt“ und der „journalistischen Ausgewogenheit“.

Nun werde man beim BR auf die schriftliche Urteilsbegründung warten und die sich daraus ergebenden Ableitungen treffen: „Wir müssen erst auch mal darüber nachdenken“.

BayVGH soll Sachverhalt klären

Das BVerwG hat am 15. Oktober keine eigene Entscheidung über die Rundfunkbeitragspflicht getroffen. Es entschied stattdessen, den Fall zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die vorausgegangene Instanz zurückzuverweisen – den BayVGH.

[etd-related posts=“5273786″]

Die Beitragspflicht ist aus Sicht des BVerwG erst dann anzweifelbar, wenn „das Gesamtprogrammangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Anforderungen an die gegenständliche und meinungsmäßige Vielfalt und Ausgewogenheit über einen längeren Zeitraum gröblich verfehlt“.

Die dazugehörige Prüfung ist nach den Worten des Gerichtssprechers Dr. Kolja Naumann an „sehr, sehr hohe Anforderungen“ gebunden. Der BayVGH habe in der Vorinstanz aber auf eine solche Prüfung verzichtet. Das BVerwG habe deshalb entschieden, dessen zweitinstanzliches Berufungsurteil (Az.: 7 BV 22.2642, PDF) aufzuheben. Nun sei es die Aufgabe des Klägers, etwaige Verfehlungen des ÖRR bezüglich seiner medialen Vielfalt „im Rahmen eines Gutachtens oder Ähnlichem“ darzulegen.

Im Zweifel Karlsruhe oder EGMR als letzte Instanz

Wenn der BayVGH zu dem Ergebnis gelangen sollte, „dass das öffentlich-rechtliche Programmangebot nicht dieser Vielfalt, die ihm aufgegeben ist, gerecht“ werde, müsse der BayVGH die Frage dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe vorlegen, sagte Naumann. Denn Gesetze wie der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag könnten „nur durch das Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt werden“. Danach habe ein Kläger nur noch die Möglichkeit, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Rahmen einer Individualbeschwerde anzurufen.

Das Berufungsurteil des BayVGH hatte laut BVerwG-Pressemitteilung auch gegen Bundesrecht verstoßen, „weil es die Bindungswirkung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018 – 1 BvR 1675/16 u.a.“ – verkenne, wie es in der Pressemitteilung zum Urteil hieß.

Das BVerfG-Urteil von 2018 hatte unter anderem festgestellt, dass für eine an eine Wohneinheit geknüpfte Beitragspflicht schon allein die Möglichkeit genügt, den ÖRR zum eigenen Vorteil nutzen zu können: „Auf das Vorhandensein von Empfangsgeräten oder einen Nutzungswillen kommt es nicht an.“

[etd-brightchat-video=„https://vod.brightchat.com/embed/bba17720-d1ba-48ed-97e3-e9d4ffab0c78“]

Eine Streitfrage von grundsätzlicher Bedeutung

Nach dem seit 2022 geführten Rechtsstreit hatte BVerwG-Richter Prof. Ingo Kraft im Mai 2024 das Revisionsverfahren zugelassen – wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache (Az.: BVerwG 6 B 70.23PDF). Die Klägerin hatte vorab erklärt, ihr gehe es als Mitglied der Leuchtturm-Initiative darum, „dass der öffentliche Rundfunk seinen Funktionsauftrag der Meinungsvielfalt und unabhängigen Berichterstattung erfüllt“.

[etd-related posts=“5252323,5189540″]

Die Klägerin hatte sich nach eigenen Angaben stellvertretend für mehr als 200 weitere ÖRR-kritische Kläger aus den Reihen der Leuchtturm-Bürgerinitiative bereit erklärt, ihr gemeinsames Anliegen bis in die letzte Instanz durchzufechten. Auch der Bund der Rundfunkbeitragszahler unterstützte die Klage.

Der Prozessbevollmächtigte von Herget hatte sich schon vor Jahren kritisch mit der Zukunft des Rundfunkbeitrags und der Alternative einer Staatsfinanzierung für den ÖRR auseinandergesetzt und eine grundsätzliche Demokratisierung der Anstalten als Lösung vorgeschlagen. Zu seinem Team gehören in dieser Angelegenheit auch der Düsseldorfer Rechtsanwalt Carlos A. Gebauer und der Leipziger Staats-, Medien- und Verwaltungsrechtsexperte Prof. Dr. Hubertus Gersdorf. Der frühere Prozessbevollmächtigte Friedemann Willemer war im Oktober 2024 überraschend verstorben. Für den BR hatte Prof. Dr. Eva Ellen Wagner das Mandat als Prozessbeauftragte übernommen.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion