Schulden fürs Nötigste: Wenn das Geld nicht bis zum Monatsende reicht

Immer mehr Menschen in Deutschland leihen sich Geld – nicht für Urlaub oder Luxus, sondern für Lebensmittel, Miete und Strom. Besonders junge Erwachsene und Familien sind betroffen. Die Inflation verschärft die Lage.
Titelbild
Lebensmittel auf Pump: Fast jeder Zweite hat sich in den vergangenen zwei Jahren Geld geliehen, oft für Alltägliches wie Butter, Brot und Milch.Foto: iStock/zamrznutitonovi
Von 25. September 2025

In Kürze

  • Schulden fürs Nötigste: 43,7 Prozent der Deutschen haben sich in zwei Jahren Geld geliehen – meist für Lebensmittel, Miete oder Strom.
  • Inflation drückt: Preise für Alltägliches steigen stark. Viele können unerwartete Ausgaben nicht mehr zahlen.
  • Perspektive: Viele sparen, wechseln zum Discounter oder jobben dazu – allerdings: Zwei Drittel erwarten keine neuen Schulden.

Als Anna L., 32, das erste Mal ihre Kreditkarte nicht für ein neues Handy oder einen Urlaub, sondern für den Wocheneinkauf im Supermarkt zückte, spürte sie eine Mischung aus Scham und Erleichterung. „Brot, Milch, Käse – nichts Besonderes. Aber das Konto war leer, und bis zum Gehalt war noch eine Woche“, erzählt die Arzthelferin aus Rostock. Kurz darauf bat sie ihre Eltern um einen kleinen privaten Kredit. Sie erzählt:

„Früher habe ich mir gedacht, wer Geld leiht, lebt über seine Verhältnisse und macht etwas falsch. Heute weiß ich: Manchmal geht es einfach nicht anders. Es trifft auch ganz normale Leute.“

Pumpen für Lebensmittel: Fast jeder Zweite leiht sich Geld

Anna ist kein Einzelfall. Laut einer repräsentativen Civey-Umfrage von Barclays hat sich in den vergangenen 24 Monaten mit 43,7 Prozent fast die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland Geld geliehen. Besonders stark betroffen sind Jüngere. Bei den 18- bis 39-Jährigen waren es fast zwei Drittel, bei den 40- bis 50-Jährigen etwa die Hälfte. Familien mit Kindern trifft es besonders häufig. Dort verdoppelt sich die Wahrscheinlichkeit, Geld aufzunehmen, unabhängig von der Anzahl der Kinder.

Am häufigsten fließt das geliehene Geld in den Alltag, sprich in Lebensmittel. Vor allem Jüngere müssen nachhelfen, um Essenzielles zu bewältigen. Bei den 18- bis 29-Jährigen nannten 36,2 Prozent diesen Grund, bei den 30- bis 39-Jährigen waren es 31,6 Prozent. Luxus sieht anders aus.

[etd-related posts=„5227322,5212945″]

Auch beim Wohnen wird es eng. In sechs Bundesländern, darunter Hamburg, Berlin und Baden-Württemberg, musste bereits fast jeder Fünfte Geld für Miete oder ähnliche Kosten aufnehmen. Konsum ist ein weiterer, wenn auch nicht so häufiger Beweggrund für Verschuldung. Mehr als jeder Fünfte nutzt Kredite, um sich Kleidung oder Elektronik leisten zu können. Nur wenige allerdings gönnen sich mit geliehenem Geld einen echten Extraluxus. Gerade einmal 17,6 Prozent nannten das als Motivation.
Die meisten Beträge lagen zwischen 1.000 und 5.000 Euro.

Das geborgte Geld kommt oft aus der Familie (44 Prozent), aber auch von Banken (40 Prozent) oder Finanzdienstleistern. Wichtig sind den Betroffenen, so das Ergebnis der Befragung, eine schnelle Abwicklung und flexible Rückzahlung. Weniger ins Gewicht fällt das persönliche Verhältnis.

Wer sich Geld leiht, tut dies eher häufiger. Die Hälfte der Befragten nahm in den vergangenen zwei Jahren zwei- bis fünfmal eine Finanzierung in Anspruch.

[etd-related posts=“5207603,5204231″]

Weit entfernt vom Luxus: Es wird knapp beim Alltäglichen

Dass es für viele Menschen knapp im Alltäglichen geworden ist, zeigt auch eine andere Auswertung. Laut Statistischem Bundesamt können 5 Prozent oder rund 4,2 Millionen der Deutschen ihre Strom- oder Gasrechnung nicht begleichen.

Auch ohne akute Schulden ist die Lage für viele angespannt. Knapp ein Drittel der Menschen (32,2 Prozent) konnte 2024 unerwartete Ausgaben wie eine kaputte Waschmaschine nicht aus eigener Tasche stemmen. Und selbst ohne solche Extras wird es teurer. Allein die Wohnnebenkosten stiegen im August 2025 im Vorjahresvergleich um 4,0 Prozent – fast doppelt so stark wie die Verbraucherpreise insgesamt, die um 2,2 Prozent gestiegen sind.

Inflation treibt die Sorgen

Vor allem beim täglichen Einkauf macht sich die Inflation bemerkbar. Kaffee verteuerte sich innerhalb des letzten Jahres um 22,8 Prozent, Schokolade um 21,3 Prozent, Obst um 7,1 Prozent, Süßes um 6,9 Prozent. Gemüse und Kartoffeln waren zwar günstiger, doch im Schnitt zahlten die Menschen 2,5 Prozent mehr für Nahrungsmittel als im Vorjahr. Diese Zahl sattelt auf den Inflationsraten von Lebensmitteln der Jahre 2022 und 2023 auf. In dieser Zeit waren die Lebensmittelpreise um 13,4 Prozent und nochmals um 12,4 Prozent explodiert.

Wegen der hohen Preise hat mehr als die Hälfte der Menschen (57 Prozent) ihre Einkaufsgewohnheiten verändert, so das Ergebnis einer aktuellen repräsentativen YouGov-Umfrage. Die Hälfte davon kauft häufiger im Discounter statt im Supermarkt. Ein gutes Drittel kauft weniger ein. Fast drei Viertel (71 Prozent) derjenigen, die inzwischen anders einkaufen, achten stärker auf Sonderangebote als zuvor.

[etd-related posts=“5247759″]

Optimistisch trotz Belastung

Auch Anna aus Rostock richtet ihre Lebensmittelkäufe mittlerweile nach Sparaktionen im Supermarkt aus, plant ihre Mahlzeiten nach Sonderangeboten und führt inzwischen ein Haushaltsbuch. Mit Babysitten verdient sie sich etwas zu ihrem Gehalt aus der Arztpraxis dazu. Damit will sie als Erstes den Kredit an ihre Eltern zurückzahlen.

„Ich habe gelernt, dass es keine Schande ist, Hilfe zu brauchen. Aber mein Ziel ist klar: Ich will wieder selbst bestimmen können, ohne jeden Euro dreimal umzudrehen.“

Trotz dieser Faktenlage zeichnet die eingangs erwähnte Barclays-Studie ein unerwartet positives Bild. Nur etwa ein Drittel der Befragten geht davon aus, sich in den kommenden zwei Jahren erneut Geld leihen zu müssen. Viele erwarten, dass sich ihre Lage stabilisiert. Darauf hofft auch Anna.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion