Wegen Abtreibung: Heidelberger Professor änderte Wikipedia-Eintrag zu Brosius-Gersdorf

Union und SPD suchen weiter nach einer Lösung im Streit um die Besetzung dreier Richterposten am Bundesverfassungsgericht. Dabei bleibt offen, ob die Potsdamer Juristin Frauke Brosius-Gersdorf ihre Bereitschaft, für einen der Posten zu kandidieren, aufrechterhalten will.
Am Mittwoch hat sich nun der bekannte Rechtswissenschaftler und frühere Dekan der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Ekkehart Reimer, zu Wort gemeldet. Er bestätigte die Ergebnisse einer Recherche von „t-online“ und bekannte sich dazu, wenige Tage vor der Nominierung Brosius-Gersdorfs deren Wikipedia-Beitrag bearbeitet zu haben. Damit habe er gezielt deren Position zum Schwangerschaftsabbruch zum Thema gemacht.
Vergleich mit US-Urteil „Roe v. Wade“
Zwar hatte die Union – die mittlerweile offenbar ausgeräumten – Plagiatsvorwürfe gegen die Nominierte als Grund dafür genannt, Brosius-Gersdorf nicht wählen zu wollen. In mehreren Medien, aber auch in Unionskreisen hatte vor allem die Position der Juristin in dieser Frage Irritationen ausgelöst. Auch einzelne deutsche Bischöfe hatten deshalb in einer gemeinsamen Presseerklärung Bedenken geäußert.
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Auch dem Katholiken Reimer hatte der Gedanke Sorge bereitet, dass eine möglicherweise „aktivistische“ Richterin mit einer liberalen Position in dieser Frage Bundesverfassungsrichterin werden könnte. Er erklärte, er habe diese Frage für „in der in diesen Tagen aufkeimenden politischen und wissenschaftlichen Diskussion zentral“ gehalten.
Die vorherige Wikipedia-Fassung habe diese jedoch nicht hinreichend abgebildet. Der Heidelberger Jurist geht davon aus, dass Brosius-Gersdorf im Bundesverfassungsgericht ein Urteil anstreben würde, das dem mittlerweile aufgehobenen Urteil „Roe v Wade“ in den USA entspräche.
Reimers Benutzerprofil bei der Online-Enzyklopädie hatte 13 Jahre lang bestanden. Bearbeitet hatte er in dieser Zeit lediglich zwei Einträge. Der Professor für Steuerrecht erklärte, bewusst seinen Klarnamen verwendet zu haben. Als Quelle habe er Informationen des Cusanuswerks verwendet, des Begabtenförderungswerks der Deutschen Bischofskonferenz.
Namen der Nominierten in der Fachwelt vor Veröffentlichung bekannt
Darauf aufbauend ergänzte er Angaben zu Brosius-Gersdorf, die unter anderem deren Zugehörigkeit zur „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ betonten. Zudem machten seine Einträge deutlich, dass die SPD-Kandidatin dem Gesetzgeber ungeachtet der bisherigen Rechtsprechung aus Karlsruhe das Recht zubillige, in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen den Schwangerschaftsabbruch für legal zu erklären.
Die Ergänzungen nahm Reimer am 25. Juni vor – fünf Tage, bevor die „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) die Nominierung der SPD-Kandidatin bekannt gab. Zu diesem Zeitpunkt seien die Namen der von Union und SPD nominierten Richterkandidaten in Fachkreisen bereits bekannt gewesen. Ab 1. Juli berichteten mehrere Medien über die Positionen der Kandidatin, die teilweise von der bisherigen Rechtsprechungspraxis des Bundesverfassungsgerichts abwichen.
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Mittlerweile sind die von Reimer vorgenommenen Einträge aus Brosius-Gersdorfs Wikipedia-Eintrag verschwunden. Dort finden sich – teilweise in der Medienberichterstattung enthaltene – Positionen wieder. Unter anderem jene, wonach es Gründe gäbe, die Menschenwürdegarantie der Verfassung erst ab Geburt gelten zu lassen.
Bätzing bedauert Demontage von Brosius-Gersdorf
Dies sei erforderlich, so die Juristin, da diese grundsätzlich nicht abwägungsfähig sei. Abwägungen seien jedoch in der Debatte über die Gesetzgebung zum Schwangerschaftsabbruch erforderlich. Dazu werden Ausführungen zitiert, in denen Brosius-Gersdorf dem Gesetzgeber einen wachsenden Spielraum für Lebensschutz-Gesetzgebung mit Fortdauer der Schwangerschaft zubilligt.
Brosius-Gersdorf selbst hatte am Dienstag eine Erklärung veröffentlicht. Darin bezeichnete sie die Berichterstattung über ihre Person und ihre Positionen im Kontext der geplanten Wahl als „teilweise unzutreffend und unvollständig, unsachlich und intransparent“. Einige ihrer Positionen seien aus dem Zusammenhang gerissen worden.
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Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, erklärte am Donnerstag seine Solidarität mit Frauke Brosius-Gersdorf. Diese Frau habe es „nicht verdient, so beschädigt zu werden“, erklärte Bätzing gegenüber der „Augsburger Allgemeinen“. Gleichzeitig sehe er bezüglich der Gesetzgebung zum Schwangerschaftsabbruch keinen Handlungsbedarf. Der derzeitige Paragraf 218a, der unter bestimmten Voraussetzungen Straffreiheit gewährt, stelle eine „kluge Balance“ dar. Ihn abzuändern, könne eine neue Spaltung der Gesellschaft heraufbeschwören.
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