Wegen Mittelfinger in Richtung einer Polizistin: Demonstrant in erster Instanz verurteilt

Weil er gegenüber einer filmenden Polizistin seinen Mittelfinger gezeigt hatte, hat das Amtsgericht Aichach einen 68-jährigen Demonstranten zu 900 Euro Geldstrafe wegen Beleidigung verurteilt. Zahlen werde er auf keinen Fall, so der Rentner gegenüber Epoch Times: Die Geste habe lediglich der Videokamera der Beamtin gegolten.
Historische Gebäude in der Altstadt von Aichach. Foto: FoTToo/iStock
Das Symbolbild zeigt die Altstadt von Aichach. Das dortige Amtsgericht hatte am 13. August 2025 über die Beleidigungsklage einer Polizistin zu urteilen.Foto: FoTToo/iStock
Von 13. August 2025

In Kürze:

  • Amtsgericht Aichach verurteilt demonstrierenden Rentner zu 900 Euro Geldstrafe wegen Beleidigung einer Polizistin. Er hatte ihr laut Gericht den Mittelfinger gezeigt.
  • Wolfgang J. denkt über Gang in nächste Instanz nach.
  • Verteidiger King empfiehlt Berufung.

 

Das Amtsgericht Aichach hat den Rentner Wolfgang J. (68) am Mittwoch, 13. August, zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt. Das bayrische Gericht sah es als erwiesen an, dass sich J. einer Beleidigung gegenüber einer Polizistin schuldig gemacht habe. Das bestätigte Wolfgang J. gleich nach Ende der Verhandlung der Epoch Times per Telefon. Der ursprünglich von der Staatsanwaltschaft beantragte Strafbefehl hatte auf 120 Tagessätze zu je 40 Euro gelautet.

Auch wenn er nun statt 4.800 nur 900 Euro zahlen solle, werde er das nicht tun, kündigte J. an. „Da gehe ich lieber ins Gefängnis“. Seiner Schilderung nach hatte er einer Polizistin, die im Oktober 2024 Videoaufnahmen von Demonstranten gemacht hatte, eine „bestimmte, aber höfliche Ansprache“ erteilt. In Richtung ihrer Kamera, die die Polizistin mit einem Stativ etwa einen halben Meter über sich balanciert habe, habe er dabei eine „unfreundliche Geste“ abgesetzt. Diese Geste habe lediglich der Videokamera der Beamtin gegolten. „Ich hielt das für angemessen, weil die Polizei ihre Befugnisse so überschritten hat“, erklärte J. Ihm gegenüber habe die Polizistin damals kein Wort verloren, sondern nur leise in ihr Körpermikrofon gesprochen.

Das Amtsgericht Aichach teilte Epoch Times auf Anfrage mit, dass „der Angeklagte am 5. Oktober 2024 anlässlich einer Versammlung in Aichach eine Polizeibeamtin durch Zeigen des Mittelfingers“ beleidigt habe. So laute jedenfalls der „vom Gericht zugrunde gelegte Sachverhalt“.

Das Urteil ist bislang nicht rechtskräftig.

Wolfgang J.: „Habe mir Begründung gar nicht angehört“

„Ich habe mir die Urteilsbegründung gar nicht angehört, sondern bin nach den ersten Worten aus dem Saal gegangen“, kommentierte J. die Urteilsverkündung.

Nun stehe ihm die Möglichkeit offen, in die nächste Instanz zu gehen. Das empfahl ihm auch sein Anwalt, Rudolf King, gegenüber dem YouTube-Kanal „SpunktNEWS“. Er selbst werde die Rechtsvertretung mangels strafrechtlicher Erfahrung in der zweiten Instanz aber nicht mehr übernehmen, stellte King klar. Nach Auskunft von J. hatte King ihn erstinstanzlich pro bono vertreten.

Verteidiger mit scharfer Kritik am Richter

Gegenüber „SpunktNEWS“ fand King harte Worte gegen den Richter: Dessen Sichtweise auf den Fall könne er nicht nachvollziehen. Er frage sich, wie man einen Menschen für eine Geste verurteilen könne, die nach Aussage des Richters die Menschenwürde zwar „ganz tief“ treffe, aber zugleich „keine große Sache“ sei.

Dennoch handele es sich um einen „großartigen Tag“: „Wir haben der Justiz gezeigt, dass es genügend Menschen gibt wie Herrn J[…], die sich nicht kleinkriegen lassen.“ King verglich seinen Mandanten mit Dietrich Bonhoeffer und den Geschwister Scholl.

King stand selbst vor Gericht in ähnlichem Fall

King hatte sich selbst in einem ähnlich gelagerten Fall am 1. Oktober 2024 gegen eine Anklage wegen Beleidigung eines Polizisten gewehrt – damals allerdings mit Erfolg. Das Amtsgericht München sprach ihn frei. King hatte zu seiner eigenen Verteidigung unter anderem ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 17. Februar 2009 (Az.: 1 BvR 2492/08) ins Feld geführt.

Wie der Blog „RBK“ von Ralph Bernhard Kutza damals berichtete, hatte King am 17. Februar 2024 am Rande einer Demonstration gegen die Münchener Sicherheitskonferenz seinen Mittelfinger ausgestreckt, um seinen Unmut über die polizeilichen Videoaufnahmen kundzutun. Nach Aussage seines Mandanten Wolfgang J. gegenüber Epoch Times war die Kamera in Kings Fall auf dem Dach eines Polizeifahrzeugs befestigt.

Nach dem BVerfG-Urteil darf die Polizei Übersichtsaufzeichnungen allerdings nur dann anfertigen, „wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von der Versammlung erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen“. Schon die Beobachtung einer Demonstration sei ein Grundrechtseingriff: „Denn wer damit rechnet, dass die Teilnahme an einer Versammlung behördlich registriert wird und dass ihm dadurch persönliche Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf die Ausübung seines Grundrechts verzichten“, gab das BVerfG in seinem Beschluss von 2009 zu bedenken.

„Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil die kollektive öffentliche Meinungskundgabe eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger gegründeten demokratischen und freiheitlichen Gemeinwesens ist“, so das Gericht in der damaligen Begründung. King hatte den Sachverhalt kurz nach seinem Freispruch auf „SpunktNEWS“ näher erläutert.

Der nun erstinstanzlich verurteilte Rentner Wolfgang J. saß am Tag dieser Verhandlung selbst unter den Zuschauern, wie er im Gespräch mit Epoch Times bestätigte. Seine Beobachtungen hätten ihm geholfen, schon wenige Tage später selbst mit den Argumenten Kings auftreten zu können. Dass er wie King ebenfalls den Mittelfinger erhoben hatte, könnte ihn teuer zu stehen kommen.

Was war im Fall Wolfgang J. genau geschehen?

Am 5. Oktober 2024, also erst wenige Tage nach dem Freispruch von King, hatte J. in Aichach bei Augsburg an einer Solidaritätsdemonstration für die Freilassung des Ingolstädter Oberfeldwebels Alexander Bittner teilgenommen.

Bittner saß bereits seit Mitte September wegen Gehorsamsverweigerung in der örtlichen Justizvollzugsanstalt: Der Soldat hatte sich trotz „Duldungspflicht“ geweigert, einen mRNA-basierten Corona-Impfstoff verabreichen zu lassen, und auch die dafür verhängte Geldstrafe von 2.500 Euro nicht bezahlt. Bittner war nach knapp vier Monaten Haft in den ersten Januartagen 2025 vorzeitig entlassen worden.

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Auf der Pro-Bittner-Demo am 5. Oktober war zunächst der Maßnahmen- und Impfkritiker Daniel Langhans in einen Disput mit der Polizei geraten. Nachdem Langhans sich geweigert hatte, ein Plakat mit der Aufschrift „Kein Missbrauch der Polizei durch Regierungsfaschisten“ auszuhändigen, wurde er von einer Einsatzkraft zu Boden gebracht, just als Langhans das Plakat doch noch abgeben wollte (Video auf YouTube).

Dass man ihn zunächst in einem Polizeitransporter, dann noch 20 Minuten lang auf der nahegelegenen Dienststelle festgehalten habe, bewertete der hauptberufliche Kommunikationstrainer Langhans noch am selben Tag als „bewaffnete Freiheitsberaubung“ (Video auf YouTube).

Belehrung und „unfreundliche Geste“

Die Polizeiaktion gegen Langhans veranlasste den Augenzeugen J., auf derselben Demo selbst in Aktion zu treten. Er habe eine kameraführende Polizistin darüber „belehrt“, dass sie Videoaufnahmen zu unterlassen habe, bestätigte J. im Telefonat mit Epoch Times. Dabei sei es zu der „unfreundlichen Geste“ gekommen. Die Polizistin habe seine Belehrung dennoch akzeptiert und auch tatsächlich aufgehört, die Demonstranten zu filmen. Da sie sich aber gleichwohl beleidigt gefühlt habe, habe sie Anzeige erstattet.

In einem Gespräch mit dem YouTuber „RueBor123“ bestätigte J. am Tag vor der Verhandlung, dass ihm später ein Strafbefehl wegen Beleidigung über 120 Tagessätze zu je 40 Euro zugestellt worden sei. Weil er dagegen Einspruch eingelegt habe, sei schließlich die Hauptverhandlung für den 13. August 2025 anberaumt worden.

Für ihn gehe es vor dem Amtsgericht Aichach auch um die Frage, ob Deutschland wieder „in Richtung Rechtsstaat“ oder „weiter in Richtung polizeilicher Überwachungsstaat“ gehe, so J.



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