Wenn der Staat Hilfe braucht: Sicherheitswacht statt Bürgerwehr

In Kürze:
Jugendbanden sorgen in Städten für Unruhe.
Fünf Bundesländer setzen auf „freiwillige Polizisten“.
Kriminologe: Wer bei einer solchen Bürgerwehr mitmacht, bewegt sich „in einer Grauzone“.
In Bayern gilt die „Sicherheitswacht“ als „verlängerter Arm der Polizei“.
Immer wieder kommt es zu Berichten über Jugendbanden, die eine Kleinstadt terrorisieren. Vergangenes Jahr war dies in Ahaus im Münsterland und in Heide in Schleswig-Holstein der Fall. Nun das jüngste Beispiel der 15.000-Einwohnerort Harsefeld in Niedersachsen. Überall das gleiche Lagebild: Jugendliche verkaufen Drogen, erpressen sogenanntes „Schutzgeld“ und schrecken nicht vor äußerster Gewalt gegen Altersgenossen zurück.
Ergebnis: Angst und Schrecken auf dem Schulweg. Belegt sind die kriminellen Machenschaften oft durch die Täter selbst: Sie posten Videos in sozialen Netzwerken, mit denen sie sich ihrer Taten rühmen beziehungsweise potenzielle Opfer einschüchtern wollen. So auch in Harsefeld. „Die Polizei ermittelt, wirkt aber überfordert“, findet der Lokalsender „Radio 21“. Mittlerweile habe sich eine Bürgerwehr gegründet.
Grenzen einer Bürgerwehr
Als „Bürgerwehr“ bezeichnet man „im heutigen Sprachgebrauch Privatpersonen, die sich zusammenschließen, um in ihrer Nachbarschaft Straftaten vorzubeugen“, erklärt die Anwaltswebsite anwalt.org. Die Strafverfolgung, Festnahmen oder Personenkontrollen sind jedoch ausschließlich der Polizei vorbehalten. Wer bei einer solchen Bürgerwehr mitmacht, bewegt sich „in einer Grauzone“, erklärte Professor Dr. Thomas Feltes von der Ruhr-Universität Bochum. Pfefferspray und andere legale Verteidigungsmittel sind erlaubt mitzuführen. Allerdings dürfen diese nur zur Selbstverteidigung eingesetzt werden.
Professor Feltes, Experte für Kriminologie und Polizei, gibt außerdem zu bedenken, dass die Annahme, „dass eine Bürgerwehr das Sicherheitsgefühl verbessert“, nicht nachgewiesen werden könne. „Im Gegenteil: Dort, wo solche Gruppen unterwegs sind, wird die Furcht vor Kriminalität nur geschürt, und zwar bei den Teilnehmern, vor allem aber auch bei allen anderen, und nicht nur bei ‚besorgten Bürgern‘“, glaubt Feltes.
Und er kommt zu dem Schluss: „Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass sich Bürgerwehren oder ‚Sicherheitswachten‘ […] relativ schnell auflösen, weil es langweilig (und im Winter auch unangenehm kalt) wird, wenn man stundenlang durch die Gegend läuft, ohne dass etwas passiert; denn die tatsächliche Chance, einen Straftäter ‚in Aktion‘ zu erleben, ist überaus gering.“
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Fünf Bundesländer haben „Freiwillige Polizisten“
Dass die Einschätzung Professor Feltes nicht überall geteilt wird, offenbaren Initiativen in fünf Bundesländern. Dort gibt es einen der Polizei zugeordneten, teils uniformierten ehrenamtlichen „Sicherheitsdienst“: In Hessen und Baden-Württemberg heißt er „Freiwilliger Polizeidienst“, in Sachsen und Bayern „Sicherheitswacht“. In Brandenburg heißen die freiwilligen Helfer „Sicherheitspartner“.
In Sachsen ist jedem Polizeirevier eine „Sicherheitswacht“ (SiWa) zugeordnet. Die Mitglieder tragen eine uniformartige Kleidung mit der Aufschrift „Sächsische Sicherheitswacht“ und sind über Sprechfunk mit der Polizei verbunden. Außerdem verfügen sie über einen Dienstausweis, der sie beim Einschreiten legitimiert.
Die „Sicherheitspartner“ in Brandenburg werden von der Polizei nur für zeitlich befristete Maßnahmen zusammengestellt. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter im „Freiwilligen Polizeidienst“ in Hessen tragen ebenfalls eine Art Uniform mit einem Ärmelwappen. Am längsten gibt es den „Freiwilligen Polizeidienst“ in Baden-Württemberg. Er wurde 1963 eingeführt.
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Bayern: Sicherheitswacht unverzichtbar
In Bayern hat sich das Modell „Sicherheitswacht“ am besten bewährt, so sehr, dass die Polizei inzwischen händeringend nach weiteren Mitarbeitern für die SiWa sucht. Bayernweit gibt es davon 122 solcher Initiativen.
Die bayerische Polizei erklärt: „Die Ehrenamtlichen auf Streife sind zusätzliche Augen und Ohren der Polizei im Dienst der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Hierbei halten sie stets Kontakt zur Polizei und sorgen so dafür, dass schnell und gezielt professionelle Hilfe in Notlagen oder Gefahrensituationen alarmiert und geleistet werden kann. Die Sicherheitswacht ergänzt auf diese Weise die Polizeiarbeit.“
In Bayern hat diese Initiative vor dreißig Jahren im oberfränkischen Kulmbach begonnen – aufgrund seiner Festung ein Touristenmagnet, wo es häufig zu Taschendiebstählen kam. Die Kulmbacher SiWa galt rasch als „der verlängerte Arm der Polizei“, da die ehrenamtlichen Bürger buchstäblich bei Wind und Wetter unterwegs sind, um „die Straßen sicherer zu machen oder vermisste Menschen zu finden“, wie Anfang des Jahres der örtliche Sender „Radio Plassenburg“ berichtete.
Eine Streife besteht aus zwei Ehrenamtlichen und dauert drei Stunden. Im bayerischen Regierungsbezirk Oberfranken engagieren sich derzeit insgesamt 136 Frauen und Männer in zwölf Kleinstädten – darunter Bayreuth, Coburg und Bamberg – und „tragen dazu bei, das Sicherheitsgefühl der Bürger zu stärken“, wie die bayerische Polizei auf ihrer Website nachdrücklich betont.
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Mit Befugnissen ausgestattet
Es gibt auch immer wieder konkrete Erfolge in der Zusammenarbeit mit der Polizei: Am 1. Oktober 2024 haben zwei SiWa-Ehrenamtliche in Kulmbach entscheidend dazu beigetragen, dass eine per Haftbefehl gesuchte Person festgenommen werden konnte. Die bayerische Polizei weist dennoch darauf hin, dass die SiWas „keine Hilfspolizei“ seien.
Gleichzeitig haben die Ehrenamtlichen laut Polizei folgende Befugnisse: „Sie haben das Recht, auf frischer Tat angetroffene Straftäter festzuhalten, sowie das Recht auf Notwehr und Nothilfe für andere Bürger. Darüber hinaus können Angehörige der Sicherheitswacht Personen anhalten, sie befragen und die Personalien feststellen, wenn dies zur Gefahrenabwehr oder Beweissicherung notwendig ist. Weiterhin können sie bei akuter Gefahr Personen des Platzes verweisen.“
Damit dürfen die fränkischen SiWas mehr als eine „Bürgerwehr“ und sind außerdem rechtlich abgesichert. Und so betont die bayerische Polizei denn auch, dass es sich bei den SiWas „nicht um eine Bürgerwehr“ handle. Es scheint in diesem Fall aber eher um die Semantik zu gehen, denn letztlich fungieren die fränkischen SiWas genau in jenem Sinn, wie es sich andernorts die Mitglieder von Bürgerwehren wünschen.
Ausgestattet sind die SiWas mit einem Digitalfunkgerät, einer Taschenlampe, einem Reizstoffsprühgerät und einem Erste-Hilfe-Set. Zusätzlich tragen die Mitglieder dunkelblaue Hemden und Einsatzjacken, versehen mit dem bayerischen Staatswappen und der Aufschrift „Sicherheitswacht“
Laut Polizei sollen die SiWas „hauptsächlich“ in folgenden Bereichen präsent sein: Größere Wohnsiedlungen, öffentliche Parks und Anlagen, an Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel, im Umfeld von Gebäuden und Einrichtungen, an denen es immer zu Vandalismus kommt sowie im „Umfeld von Asylbewerber-Unterkünften“. Letztlich entscheidet die Polizei „nach der aktuellen Sicherheitslage, wann und wo die Sicherheitswacht auf Streife geht“.
Warum nicht in ganz Deutschland?
Wenn sich die wie auch immer genannten Bürgerwachen in fünf Bundesländern bewährt haben, stellt sich die Frage, warum es diese nicht in ganz Deutschland gibt. Hier kommt das föderale Prinzip der Bundesrepublik zum Tragen: Jedes Bundesland entscheidet selbst, ob und wie es einen solchen Dienst einrichtet. Für manche mag es finanzielle Aspekte geben, denn die Einrichtung und der Unterhalt einer Sicherheitswacht sind mit Kosten verbunden.
Auch dürfte es unterschiedliche Ansichten zu solch einer Entscheidung geben. Manche Bundesländer befürchten, dadurch die Bevölkerung zu verängstigen. Immerhin müsste ein Bundesland zugeben, dass die örtlichen Polizeikräfte nicht mehr ausreichen, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten.
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