Wikipedia – die Welt im ideologischen Zerrspiegel

Wikipedia ist das meistgenutzte Lexikon der Welt. Insbesondere im politischen Bereich weist die Enzyklopädie jedoch systematische ideologische Verzerrungen auf. Trotzdem ist sie ein fester Bestandteil der digitalen Bildungslandschaft in Schulen und wird auch beim Training von KI eingesetzt.
Titelbild
Nicht immer zuverlässig: Außerhalb der exakten Wissenschaften ist Wikipedia häufig ideologisch beeinflusst.Foto: Bildschirmfoto/Jörg Wenzel
Von 21. September 2025

In Kürze:

  • Wikipedia ist die meistgenutzte Enzyklopädie der Welt, allerdings oft ideologisch vorbelastet.
  • Die anonyme Autorenschaft ermöglicht gezielte Manipulation.
  • Wikipedia-Inhalte prägen Schule und Künstliche Intelligenz.
  • Es gibt professionelle Alternativen wie den Brockhaus, die jedoch wenig verbreitet sind.

 

Vor fast 25 Jahren wurde Wikipedia gegründet. Am 15. Januar 2001 ging die englische Fassung online, die deutsche folgte zwei Monate später. Sie entwickelte sich schnell zu einer globalen Informationsquelle, die auf der kollaborativen Wiki-Software basiert. Mit dieser konnte jede Person neue Artikel einstellen oder bereits vorhandene bearbeiten.

Die Gründerväter Jimmy Wales und Larry Sanger hatten damit eine Enzyklopädie ins Leben gerufen, die vom Prinzip des offenen Wissens geprägt ist. Eine Gemeinschaft freiwilliger Autoren erweiterte und modifizierte die Beiträge seither in atemberaubendem Tempo und machte Wikipedia zur meistgenutzten Online-Enzyklopädie der Welt. Im Jahr 2024 verzeichnete das Online-Lexikon weltweit bis zu 4,6 Milliarden Besucher pro Monat – ohne Mehrfachbesuche zu zählen.

In einer öffentlichen Grundsatzerklärung verpflichtete sich Wikipedia zu Neutralität, Freiheit der Inhalte, enzyklopädischer Zielsetzung und einem respektvollen Umgang miteinander. In Deutschland können Nutzer auf etwas über drei Millionen Artikel zurückgreifen, um ihr Wissen zu erweitern. In der englischen Sprache umfasst die Enzyklopädie über sieben Millionen Artikel.

Doch sowohl die deutschen als auch die englischen Artikel entsprechen nicht immer der Wahrheit. Im Gegensatz zu traditionellen Lexika fehlt Wikipedia häufig eine fachkundige Instanz, die die Artikel auf ihren Wahrheitsgehalt prüft, bevor sie veröffentlicht werden.

Grundsätze nicht erfüllt

Bereits im Gründungsjahr 2001, bemängelten wissenschaftliche und mediale Kritiker eine Gefahr verzerrter Sichtweisen, die durch die offenen Autorenstrukturen und gruppendynamische Effekte bedingt sei. Demnach könnten einzelne Autoren oder Interessengruppen die Inhalte nach ihrer ideologischen Ausrichtung beeinflussen.

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Eine Beseitigung dieses Mangels fand schon damals nicht statt. Denn nur durch die offenen Autorenstrukturen war es möglich, Wikipedia kostenlos bereitzustellen. Gleichzeitig waren sie aber auch immer ein Einfallstor für ideologische Manipulatoren. Die Geschichte von Wikipedia ist daher ein andauerndes Wechselspiel von ideologischer Einflussnahme, verbaler Kritik und – mehr oder weniger – gescheiterten Versuchen, die Mängel zu beseitigen. Erfolgversprechend wären nur Änderungen in der Autorenstruktur gewesen, wodurch Wikipedia aber nicht mehr kostenlos gewesen wäre.

Ab 2006 dokumentierte die englischsprachige Wikipedia selbst, dass politische Mitarbeiter gezielt Biografien und politische Artikel bearbeiteten, um eigene Interessen durchzusetzen, also eine bewusste ideologische Einflussnahme und Lobbyarbeit betrieben.

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Kritik des Mitbegründers

Später wurde auch Larry Sanger, der Mitbegründer von Wikipedia, zu einem der schärfsten Kritiker der Plattform. Seit 2020 bescheinigte er ihr eine linksliberale ideologische Verzerrung.

Seine Kritik umfasst konkrete Beispiele wie die Artikel zu Donald Trump, die „unerbittlich negativ“ seien, während der Artikel über Barack Obama „viele bekannte Skandale“ nicht erwähne. Sanger argumentiert, dass Wikipedia seine Neutralitätspolitik aufgegeben habe und nun kontroverse Standpunkte zu Politik, Religion und Wissenschaft befürworte. Besonders problematisch sieht er, dass Wikipedia viele von Trumps Aussagen als „false“ bezeichnet, wodurch die Voreingenommenheit der Website etabliert werde.

Wissen sieht anders aus. Schon früh bescheinigten Wissenschaftler Wikipedia eine mangelnde Faktentreue. Foto: Dragon Claws/iStock

Auch unabhängige Wissenschaftler bestätigen diese Entwicklung mit ihren Analysen. So zeigte der Forscher David Rozado vom Manhattan Institute 2024 mithilfe moderner KI-Methoden, dass Wikipedia systematisch negative Bewertungen für konservative Politiker und Positionen enthält. Eine ebenfalls viel beachtete Studie der Harvard Business School fand zwar in der Gesamtbetrachtung eine leichte Linkslastigkeit – allerdings konnten je nach Methode, Themenfeld oder Bearbeitungsgrad auch Phasen und Bereiche mit deutlicher Rechtstendenz auftreten.

Systematische Unterwanderung (auch) in Deutschland

Für manche deutschsprachige Kritiker spielt die reine Rechts-Links-Frage eine untergeordnete Rolle. Für sie stehen vielmehr die grundsätzliche Transparenz und die Machtstrukturen der Plattform im Mittelpunkt des Interesses. Die wohl umfangreichste und kontinuierlichste Recherche im deutschsprachigen Raum betreiben seit acht Jahren Markus Fiedler und Dirk Pohlmann. Die Ergebnisse ihrer Arbeit veröffentlichen sie auf diversen Plattformen.

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In ihrer langjährigen Analyse dokumentieren sie, gestützt auf zahlreiche Datensätze, Edit-Historien und Netzwerkanalysen, wie eine kleine, intransparente Gruppe von Wikipedia-Aktiven mit mafiösen Methoden Einfluss nimmt – unabhängig davon, ob es sich um rechte oder linke Interessen handelt. Ein besonderes Markenzeichen ihrer Arbeit ist die Identifikation von Schlüsselpersonen hinter anonymen Accounts – häufig gegen starken Widerstand der Wikipedia-Community und unter erheblichem persönlichem Risiko.

Das Landgericht Hamburg bestätigte 2019 die Rechtmäßigkeit dieser Vorgehensweise und stellte fest, dass bei tendenziöser Wikipedia-Bearbeitung das öffentliche Informationsinteresse vor dem Persönlichkeitsrecht steht. Ihr Vorgehen ermöglicht erstmals einen Blick hinter die Kulissen einer vermeintlich offenen Informationsplattform und zeigt, wie geschlossen und strategisch ausgerichtet hier tatsächlich operiert wird.

Mit anderen Worten: Obwohl Wikipedia als „freies Wissen“ vermarktet wird, ist es aber faktisch von einer kleinen, intransparenten Gruppe kontrolliert.

KI übernimmt Wikipedia-Verzerrungen

Besonders brisant wird die Problematik durch die Verwendung von Wikipedia-Inhalten beim Training Künstlicher Intelligenz. Praktisch alle großen KI-Systeme wie ChatGPT, Gemini oder Claude nutzen Wikipedia-Artikel als zentrale Wissensquelle. Dabei übertragen sich die dokumentierten ideologischen Verzerrungen direkt auf die KI-Anwendungen – und erreichen so Millionen von Nutzern weltweit.

Der Grund für diese massive Abhängigkeit ist simpel: Wikipedia ist kostenlos und frei verfügbar, während qualitativ hochwertigere Alternativen wie Britannica oder Brockhaus Lizenzkosten in Millionenhöhe verursachen würden. KI-Unternehmen wählen also primär nach Kosten und Verfügbarkeit aus, nicht nach inhaltlicher Qualität. So verstärkt sich das Wikipedia-Bias-Problem exponentiell: Was ursprünglich nur die Online-Enzyklopädie betraf, prägt nun die Antworten von KI-Systemen, die täglich von Milliarden Menschen genutzt werden.

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Schulen setzen massiv auf Wikipedia

Trotz der dokumentierten Probleme ist Wikipedia aus deutschen Schulen nicht wegzudenken. Laut einer Umfrage von Wikimedia Deutschland nutzen 68 Prozent der Lehrkräfte Wikipedia regelmäßig im Unterricht. Bei Schülern steht die Plattform an zweiter Stelle der digitalen Recherchetools. Sechs von zehn Schülern nutzen sie regelmäßig.

Während viele Lehrer das direkte Zitieren von Wikipedia in wissenschaftlichen Arbeiten verbieten, wird die Plattform für Vorrecherchen und Referate intensiv genutzt. Das Problem: Die wenigsten Schüler und Lehrer sind über die systematischen Verzerrungen informiert, die in der wissenschaftlichen Forschung dokumentiert sind. So prägen ideologisch gefärbte Darstellungen unbewusst die Meinungsbildung einer ganzen Generation.

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Wikipedia steht in der Bildungslandschaft und beim KI-Training hoch im Kurs. Unmerklich prägen so ideologisch gefärbte Darstellungen die Meinungsbildung einer ganzen Generation. Foto: gorodenkoff/iStock

Brockhaus als professionelle Alternative

Dabei gäbe es durchaus Alternativen. Der traditionsreiche Brockhaus bietet Schulen und Universitäten spezielle Bildungslizenzen zu überraschend günstigen Konditionen an. So zahlte Nordrhein-Westfalen beispielsweise im Jahr 2021 etwa 166 Euro pro Schule und Jahr für eine landesweite Lizenz – ein Bruchteil dessen, was viele Schulen für andere Softwarelizenzen ausgeben.

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Im Gegensatz zu Wikipedia arbeitet Brockhaus mit festangestellten Fachredakteuren, die jeden Artikel mehrfach prüfen und aktualisieren. Während Wikipedia mit einem Jahresbudget von fast 190 Millionen Dollar hauptsächlich in Infrastruktur und Verwaltung investiert, fließt bei Brockhaus der Großteil der Ressourcen in die fachredaktionelle Qualitätssicherung.

Dennoch greifen die meisten Bildungseinrichtungen weiterhin auf die kostenlose Wikipedia zurück – oft, ohne von der Alternative und deren moderaten Kosten zu wissen. Das Ergebnis: Eine ganze Generation wächst mit den ideologischen Verzerrungen einer anonymen Online-Enzyklopädie auf, obwohl professionell betreute Alternativen verfügbar und bezahlbar wären.



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