Wohlstand wandert aus – Europa verliert seine Millionäre

Immer mehr Millionäre kehren Europa den Rücken – erstmals ist auch Deutschland spürbar betroffen. Laut einem neuen Report droht ein wachsender Kapitalabfluss und das Ende eines langjährigen Trends. Die Gründe sind vielfältig und werfen Fragen zur Standortattraktivität auf.
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Bis zu 400 Millionäre könnten bis Jahresende Deutschland verlassen haben.Foto: iStock/Robert Buchel
Von 3. Juli 2025

Laut dem aktuellen „Henley Private Wealth Migration Report 2025“ verlassen in diesem Jahr weltweit voraussichtlich 142.000 Millionäre ihr Heimatland – so viele wie nie zuvor. Vor allem in Europa schlägt dieser Trend mittlerweile tiefe wirtschaftliche und gesellschaftliche Kerben: Klassische Wohlstandszentren wie Großbritannien, Frankreich und Deutschland verlieren reihenweise vermögende Bürger. Gleichzeitig steigen neue Standorte wie die Vereinigten Arabischen Emirate, die USA oder Südeuropa zu attraktiven Zielen für die globale Oberschicht auf.

Großbritannien an der Spitze der Abwanderung

Am stärksten betroffen ist Großbritannien, das zum ersten Mal weltweit den höchsten Nettoverlust an High Net Worth Individuals (HNWIs) verzeichnet: 16.500 Millionäre werden das Land 2025 voraussichtlich verlassen – ein historischer Negativrekord. Zum Vergleich: Aus China, das seit zehn Jahren regelmäßig an der Spitze der Auswanderungsstatistik stand, werden „nur“ 7.800 vermögende, migrierende Personen erwartet.

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Der Exodus aus Großbritannien wird im Report hauptsächlich auf eine Mischung aus wirtschaftspolitischer Unsicherheit und verschärften Steuerregelungen zurückgeführt. Die britische Regierung hat mit der Abschaffung des sogenannten Non-Dom-Status und der Einführung schärferer Steuerregeln ein jahrzehntelang attraktives Steuermodell für wohlhabende Ausländer beendet. Ab April 2025 können neu zugezogene Ausländer ihr Auslandseinkommen nur noch für vier Jahre steuerfrei beziehen; danach werden sie wie alle anderen britischen Steuerzahler auf ihr weltweites Einkommen und Vermögen besteuert. Auch die Erbschaftsteuer auf weltweites Vermögen kann dann bis zu 40 Prozent betragen.

Zusätzlich wurden im Haushalt vom Oktober 2024 höhere Kapitalertrags- und Erbschaftssteuern beschlossen, was die steuerliche Belastung für Reiche weiter erhöht.

Laut Prof. Trevor Williams, Vorsitzender und Mitbegründer von FXGuard und ehemaliger Chefökonom bei Lloyds Bank Commercial Banking, habe die britische Wirtschaft in den vergangenen zehn Jahren nur sehr schwach abgeschnitten und sei unter den zehn reichsten Ländern in der Welt, den sogenannten W10-Ländern, das einzige Land, das in diesem Zeitraum Rückgänge von Millionären zu verzeichnen hatte. „Seit 2014 ist die Zahl der in Großbritannien ansässigen Millionäre um – 9 Prozent gesunken, verglichen mit dem weltweiten Durchschnittswachstum der W10 von +40 Prozent. Im gleichen Zeitraum verzeichneten die USA einen Anstieg der Millionäre um 78 Prozent – das schnellste Vermögenswachstum unter den W10.“

Auch Deutschland verliert – zum ersten Mal

Inzwischen sind aber auch andere Länder von der sogenannten Investitionsmigration betroffen. Erstmals in der Geschichte des Henley-Reports gehört auch Deutschland zu den Nettoverlierern von Millionären. Für 2025 wird ein Minus von 400 vermögenden Privatpersonen prognostiziert – ein Verlust, der einem geschätzten Kapitalabfluss von 2 Milliarden Euro entspricht. Das ist besonders brisant, da Deutschland bis 2024 über Jahre hinweg konstant Millionäre hinzugewonnen hatte.

Dr. Jürg Steffen, Chief Executive Officer bei Henley & Partners, schreibt dazu:

„In Deutschland zeigen sich besorgniserregende Trends: Die Anfragen nach alternativen Aufenthalts- und Staatsbürgerschaftsoptionen stiegen zwischen 2023 und 2024 um 114 %. Dies deutet auf ein wachsendes Interesse der wohlhabenden Bevölkerung des Landes an Mobilitätsoptionen hin.“

Die Lage in anderen europäischen Ländern ist ähnlich besorgniserregend: Frankreich soll in diesem Jahr rund 800 Millionäre verlieren, Spanien 500. Auch kleinere Staaten wie Norwegen (–150), Irland (–100) und Schweden (–50) stehen auf der Liste der Nettoverlierer. Damit gerät ein ganzer Kontinent ins Wanken, der einst als sicherer und attraktiver Standort für internationale Vermögende galt.

Die Gewinner: Vereinigte Arabische Emirate, USA und Südeuropa

Auf der anderen Seite des Trends stehen die Länder, die von dieser globalen Vermögensverschiebung profitieren. Besonders herausragend sind die Vereinigten Arabischen Emirate, die 2025 mit einem Nettozuzug von 9.800 Millionären weltweit auf Platz Eins landen. Die USA folgen mit 7.500 neuen reichen Zuwanderern.

„Es spiegelt die zunehmende Wahrnehmung der Wohlhabenden wider, dass anderswo größere Chancen, Freiheit und Stabilität liegen. Die langfristigen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und Investitionsattraktivität Europas und Großbritanniens sind erheblich“, wird Steffen in einer Pressemitteilung zitiert. 2025 markiere daher einen Wendepunkt. Erstmals seit einem Jahrzehnt, so Steffen weiter, führt ein europäisches Land mit Großbritannien die Abwanderung von Millionären weltweit an.

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Es gibt aber auch europäische Länder, die Zugänge zu verzeichnen haben. Hauptnutznießer ist die Schweiz, die in diesem Jahr einen Nettozuwachs von über 3.000 migrierenden Millionären verzeichnen wird, während für Italien, Portugal und Griechenland ebenfalls Rekordzuflüsse von jeweils über 3.600, 1.400 und 1.200 prognostiziert werden.

Bemerkenswert ist, dass sich Südeuropa offensichtlich als neuer Hotspot für Wohlhabende etabliert. Neben steuerlichen Vorteilen, so heißt es im Report, punkten Länder wie Italien, Portugal und Griechenland mit angenehmem Klima, hoher Lebensqualität und aktiven Programmen zur Investitionsmigration. Städte wie Mailand, Lissabon oder die Athener Riviera ziehen zunehmend Reiche aus Großbritannien, Afrika und dem Nahen Osten an.

Auch Monaco bleibt ein beliebter Anziehungspunkt für Millionäre, insbesondere aus Großbritannien, Afrika und den Golfstaaten. Das kleine Land Montenegro, das von 2014 bis 2024 ein Wachstum von 124 Prozent bei ansässigen Millionären verzeichnete, gewinnt ebenso rasant an Attraktivität.

Bangkok wird Zentrum für wohlhabende Asiaten

Im asiatisch-pazifischen Raum ist das Bild gemischt: Während Südkorea nach politischer und wirtschaftlicher Instabilität mit einem starken Nettoverlust von 2.400 Millionären rechnet, wachsen die Zuzüge nach Japan (+600) und Hongkong (+800). In Thailand (+450) boomt speziell die Hauptstadt Bangkok als aufstrebendes Zentrum für wohlhabende Chinesen, Vietnamesen und Südkoreaner.

Auch in Zentralamerika und der Karibik wächst die Attraktivität für vermögende Migranten. Costa Rica (+350), Panama (+300), die Kaimaninseln (+200) und Bermuda (+50) profitieren von Lebensqualität und steuerlicher Attraktivität. In Afrika sind es vor allem Marokko, Mauritius und die Seychellen, die 2025 jeweils rund 100 neue High Net Worth Individuals (HNWIs) anziehen.

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Ein weiteres Muster zeigt sich laut dem Report: Länder mit wachsender Technologiebranche wie Taiwan, Indien oder China verzeichnen trotz einzelner politischer Unsicherheiten starke Zuwächse an heimischen Vermögenden. Die Städte Shenzhen, Hangzhou und Bangalore entwickeln sich zu neuen Hotspots für Hightech-Unternehmer.

Knallharte wirtschaftliche Folgen

Laut dem „World Wealth Report 2024“ des französischen Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen Capgemini erwirtschafteten im Jahr 2023 die weltweit rund 22,8 Millionen HNWIs zusammen ein Vermögen von über 86 Billionen US-Dollar. Die Abwanderung von Millionären dürfte daher auch weitreichende wirtschaftliche Folgen für Herkunftsländer haben – und zwar über den bloßen Kapitalverlust hinaus. High Net Worth Individuals (HNWIs), wie sie in der Fachwelt genannt werden,  tragen überproportional zur Wirtschaftsleistung bei: Sie gründen Unternehmen, schaffen Arbeitsplätze, investieren in Immobilien, Start-ups und Finanzmärkte.



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