Zwischen Filter und Vielfalt: Wohin steuern Deutschlands Medien?

Die deutsche Medienbranche ringt um ihre Relevanz. Zwischen Qualitätsanspruch und ökonomischem Druck stehen Medienmacher im Wettrennen mit Big Tech um Sichtbarkeit und Reichweite.
Titelbild
Einer der prominenten Redner beim Auftakt des dreitägigen Events: Kulturstaatsminister Dr. Wolfram Weimer.Foto: Medien.Bayern GmbH
Von 25. Oktober 2025

Wie kommen wir künftig an Informationen? Wer entscheidet, was wir wissen? In Zeiten von ungebremster Informationsflut und algorithmisch gefilterten Wirklichkeiten, von Fake News, Polarisierung und einem Wandel der Mediennutzung, steht die deutsche Medienbranche vor einem historischen Umbruch.

Vom 22. bis 24. Oktober diskutierten Medienmacher, Politiker und Fachleute bei den Medientagen München über die Zukunft des Journalismus. Das diesjährige Motto – „WTFuture?“ – sorgte von Anfang an für Gesprächsstoff und spiegelte dabei die tiefe Unsicherheit der Branche wider.

Wie viel Regulierung darf es sein?

Im Mittelpunkt der zahlreichen Panels und Beiträge standen drängende Fragen zur Nutzung und Regulierung Künstlicher Intelligenz.

Gleich zum Auftakt erklärte Kulturstaatsminister Wolfram Weimer, es werde derzeit an einem Modell für eine Abgabe großer digitaler Plattformen gearbeitet, deren Erlöse „zweckgebunden dem Medien- und Kreativsektor zugutekommen sollen“.

Die entsprechenden Eckpunkte seien in Arbeit. Parallel treibt der Bund Gespräche über eine „freiwillige Selbstverpflichtung“ der großen Streaminganbieter und Sender voran.

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Der Ruf nach Regulierung hat seine Gründe: Die Mediennutzung verlagert sich zunehmend auf globale Plattformen. Anbieter wie Google, Meta oder OpenAI profitieren bislang von der Arbeit und Kreativität der Journalisten – ohne selbst zu deren Finanzierung beizutragen.

Hinzu kommt ein weiteres Problem: Suchmaschinen liefern bei vielen Anfragen inzwischen automatisch KI-generierte Zusammenfassungen. Medienhäuser rechnen folglich mit Reichweitenverlusten, da weniger Nutzer auf die Originalartikel klicken.

In der Medienwelt gilt: „Sichtbarkeit ist Macht. Reichweite ist Währung“, erklärte Thorsten Schmiege, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) und Gastgeber der Medientage.

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Weimer für mehr „Ordnung“, Söder für mehr Wettbewerb

Wolfram Weimer plädierte deshalb für mehr „Ordnung im digitalen Informationsraum“. Ohne klare Regeln „verlieren wir nicht nur Märkte, sondern auch die Voraussetzungen einer liberalen Demokratie“, so der Kulturstaatsminister.

Anders sieht es Bayerns Ministerpräsident Markus Söder: Statt alles kleinteilig zu regulieren, sollte Deutschland darauf setzen, selbst wettbewerbsfähiger zu werden. Wer langsamer läuft, sollte nicht verlangen, dass die Schnelleren warten – er müsse selbst schneller werden, so Söders Ansatz.

Während hierzulande also noch weiter über Regularien debattiert wird, schreitet anderswo der digitale Wandel mit rasantem Tempo voran.

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„V“ wie Vertrauen

Doch die KI-Frage bildet nicht die einzige Baustelle in der deutschen Medienlandschaft. Debattiert wurde bei der dreitätigen Konferenz auch über zwei „V-Wörter“: Vertrauen und Verantwortung.

Ein Blick auf das aktuelle Edelman Trust Barometer, das Medienvertrauen weltweit untersucht, zeigt: Während in 17 von 28 Ländern das Vertrauen in Medien zunimmt, geht es in fünf Ländern zurück – darunter auch Deutschland. Der Vergleich über die Jahre verdeutlicht den Trend: 2021 vertrauten noch 52 Prozent der Befragten in Deutschland den Medien, vier Jahre später sind es noch 44 Prozent.

BLM-Chef Thorsten Schmiege sieht den Vertrauensverlust in den klassischen Medien unter anderem darin begründet, dass immer mehr Menschen sich von ihnen „nicht mehr repräsentiert und verstanden fühlen“. Dies hat Folgen.

„Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der zur Ausgewogenheit verpflichtet ist, gerät auch juristisch immer mehr unter Druck“, erklärte Schmiege weiter.

Der jüngste Rechtsstreit um den Rundfunkbeitrag legt offen, wie angeschlagen das Vertrauen in das System geworden ist. Das Bundesverwaltungsgericht Leipzig entschied kürzlich, dass Gerichte prüfen dürfen, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk tatsächlich seinem Programmauftrag zur Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit genügt — als Voraussetzung dafür, dass der Rundfunkbeitrag verfassungsgemäß bleibt.

Desinformationen – was wir wissen und was nicht

Die Vertrauenskrise hat allerdings noch einen weiteren Treiber: Desinformationen. Der Begriff sei in aller Munde, doch „wissen wir tatsächlich wenig darüber“, sagte Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Jeanette Hofmann vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB).

Sie versteht Desinformation als „ein Spektrum“. Im öffentlichen Diskurs geht es oft nicht um klare Fakten – vielmehr werden Meinungen, Interpretationen und Perspektiven ausgetauscht. Dadurch lasse sich schwer trennen, was gezielte Täuschung und was bloße Verzerrung der eigenen Sicht sei.

Eine spanische Studie, die Hofmann zitierte, fand heraus: Menschen neigen dazu, Falschinformationen aus dem eigenen politischen Lager schlechter zu erkennen. So seien etwa konservative Personen besser darin, progressive Desinformation zu durchschauen – und umgekehrt.

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Auf der Suche nach Bestätigung

Dieses Verhaltensmuster beschreibt die Wissenschaft als „Confirmation Bias“ (Bestätigungsfehler), erklärte Hofmann weiter. Menschen schenken Informationen Glauben, die ihre eigenen Überzeugungen bestätigen, und blenden Gegenteiliges aus.

Für Hofmann liegt die Lösung nicht im individuellen Faktencheck, sondern im gesellschaftlichen Kontext. Medientraining könne helfen, sagte sie, doch viel entscheidender seien die Robustheit, die Qualität und die Vielfalt der Medienlandschaft. Eine vielfältige Presse und sachliche politische Debatten seien die beste Versicherung gegen Desinformation.

Kalkofe: Medienzensur kein neues Phänomen

Unterdessen erinnerte Oliver Kalkofe an ein weiteres „V-Wort“. „Alle Medien haben eine Verantwortung den Menschen und dem Publikum gegenüber“, mahnte der Satiriker und Medienkritiker und holte zu einem Rundumschlag aus.

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Er betonte, dass Medien nicht nur Informationen liefern, sondern auch Wahrnehmung prägen – und das gelte nicht nur für Nachrichten, sondern auch für Unterhaltung. Besonders die Flut an Reality-Formaten kritisierte er scharf. Sie würden ein verzerrtes Menschenbild vermitteln.

Mit Blick auf aktuelle Debatten über Meinungsfreiheit erinnerte Kalkofe daran, dass Zensur und Ausgrenzung keine neuen Phänomene seien. Schon in den 1980er-Jahren seien Künstler „aus politischen Gründen“ aus Programmen entfernt worden. Heute aber geschehe das „meistens aus Angst vor möglicher Kritik oder digitalem Shitstorm“.

Sein Appell an die Medienmacher: „Sorgen wir dafür, dass wir nicht am Ende eine Zukunft erschaffen, vor der wir selbst früher immer gewarnt haben.“



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