Zwischen Zoom und Flugticket: Kreative Wege für moderne Großeltern

Sinkende Geburtenraten, berufliche Mobilität und räumliche Trennung verändern die traditionelle Großelternrolle. Heute haben viele Großeltern nur ein oder zwei Enkel, und Haushalte mit mehreren Generationen unter einem Dach sind selten geworden. Die räumliche Distanz stellt Familien vor neue emotionale und praktische Herausforderungen. Wie diesen begegnet werden kann – lesen Sie hier!
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Foto iStock Milan Zivkovic
Von 22. September 2025

In Kürze:

  • Traditionelle Rolle der Großeltern: Großeltern begleiten Enkel im Alltag, vermitteln familiäre Werte und profitieren selbst emotional von der Bindung. Früher war Nähe oft selbstverständlich.

  • Herausforderungen durch Distanz: Räumliche Trennung erschweren die klassische Großelternrolle und reduziert die Möglichkeiten der spontanen Begegnungen.

  •  Studie:  Virtuelle Kommunikation und transnationale Besuche ermöglichen Großeltern, auch über Entfernungen hinweg Bindung und Fürsorge zu leben.

 

Traditionell nehmen Großeltern in Familien eine zentrale Rolle ein. Sie fungieren nicht nur als liebevolle Bezugspersonen, sondern helfen aktiv im Alltag: Sie begleiten Enkel zur Schule oder Kita, unterstützen bei Hausaufgaben und vermitteln kulturelle sowie familiäre Werte. Ihre Lebenserfahrung ermöglicht es ihnen, Kindern Orientierung zu geben, während Eltern oft beruflich eingebunden sind. Nicht selten unterstützen sie ihre Enkelkinder auch finanziell.

Im Zusammensein mit den Großeltern erfahren Kinder vieles über das Leben einer anderen Generation. Ihre Erzählungen können authentischer Geschichtsunterricht sein, oft sind es die Großeltern, die die Familiengeschichte(n) weitergeben. Gleichzeitig profitieren Großeltern emotional von der Bindung zu den Enkelkindern, was ihre Lebensqualität steigert. In dieser klassischen Struktur war Nähe selbstverständlich – Großeltern wohnten oft im gleichen Haus oder in unmittelbarer Nachbarschaft.

Kaum noch mehrere Generationen unter einem Dach

Die Familienstrukturen und das familiäre Zusammenleben haben sich jedoch deutlich verändert. Die Geburtenrate ist seit den 1960er-Jahren kontinuierlich gesunken. Lag sie damals bei etwa 3,3 Kindern pro Frau, betrug sie 2023 nur noch 1,35 Kindern pro Frau. Parallel steigt die Lebenserwartung. Immer mehr Menschen erreichen ein Alter, in dem sie Großeltern werden, wodurch die Zahl der Großeltern in der Bevölkerung zunimmt.

Diese Veränderungen haben direkte Auswirkungen auf die Familienbeziehungen: Pro Großelternteil gibt es heute im Durchschnitt weniger Enkelkinder – meist ein bis zwei. Im Jahr 2020 hatte fast die Hälfte der Menschen im Alter von 46 bis 90 Jahren Menschen in Deutschland Enkelkinder.

Gleichzeitig wohnen heute Großeltern und Enkel oft räumlich getrennt. Diese Tendenz hat sich seit Langem abgezeichnet. Die Zahl der Haushalte mit drei oder mehr Generationen ist in Deutschland allein zwischen 1995 und 2015 um über 40 Prozent zurückgegangen. Während 1976 noch in gut 3 Prozent aller Haushalte mindestens drei Generationen unter einem Dach lebten, ist das bis 2022 zur großen Ausnahme geworden: Ihr Anteil liegt unter 1 Prozent.

Internationale Perspektive: südafrikanische Studie

Räumliche Trennung verändert die Dynamik zwischen Großeltern und Enkeln. Die Nähe und Verfügbarkeit der Großeltern beeinflussen dabei maßgeblich die emotionale Bindung und das Vertrauen der Kinder. Gerade wenn junge Familien in andere Länder migrieren und ein regelmäßiges Treffen nur mit großem Aufwand möglich ist, wirkt sich dies deutlich auf die Bindung zwischen Großeltern und Enkelkindern aus.

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Wie Familien in dieser Situation die räumliche Trennung erleben, wurde in Südafrika untersucht. Eine aktuelle Studie (2025) beleuchtet, wie Eltern und Großeltern den Wegzug ihrer erwachsenen Kinder wahrnehmen – insbesondere in Bezug auf Kontakte zu ihren Enkeln und die damit verbundenen Herausforderungen der räumlichen Distanz. Dr. Sulette Ferreira von der Universität Johannesburg, die umfassende Forschungen über die emotionalen Auswirkungen von Migration betreibt, bezieht sich hier auf die steigende Auswanderungsrate Südafrikas, speziell unter jungen Familien. Über eine Million Südafrikaner leben heute im Ausland.

Dies habe systemische, generationsübergreifende Auswirkungen, schreibt Sozialarbeiterin und Kriminologin Ferreira über ihre Studie über die Auswirkungen auf getrennte Familien: Auswanderung, also räumliche Abwesenheit, unterbreche den gewohnten Rhythmus der praktischen Großelternschaft. Nähe, spontane Besuche und alltägliche Unterstützung werden durch Bildschirme, Zeitzonen und Distanz ersetzt.

Großeltern erlebten dadurch Verlustgefühle, da ihre Rolle, die auf physischer Präsenz beruhte, schwindet. Fehlende Nähe erschwert zudem Bindungen, vor allem in den frühen Lebensjahren von Enkelkindern. Dennoch entwickeln Großeltern kreative Wege, um präsent zu bleiben – etwa durch virtuelle Geschichtenstunden, Carepakete oder transnationale Besuche, so die Forscherin. Laut den Befragungsergebnissen schwächt Entfernung Bindungen hingegen nicht zwangsläufig, sie verlangt aber eine neue Definition von Großelternschaft – geprägt von Kreativität, Flexibilität und natürlich großelterliche Liebe.

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Zwei wichtige Strategien für die Enkelbindung

Die Beteiligten an der qualitativen Studie sind Eltern bzw. Großeltern, deren erwachsene Kinder ausgewandert sind. Die Distanz hat, so die Ergebnisse, zu einer Neuverhandlung traditioneller Rollen geführt. Großeltern, die nicht regelmäßig physisch präsent sind, entwickeln neue Wege, Bindung und Fürsorge auszudrücken, etwa durch Briefe, Anrufe oder geplante Besuche. Nähe muss demnach nicht ausschließlich physisch sein, sondern kann auch emotional und kommunikativ hergestellt werden.

Laut der Forscherin haben sich zwei wichtige Strategien herauskristallisiert, die das Getrenntsein erträglicher machte und zum Aufbau einer Bindung führten: virtuelle Kommunikation und transnationale Besuche.

Omas und Opas im digitalen Modus

Alle Interviewten nutzten intensiv Technologie bei wöchentlichen Zoom-Geschichtenstunden oder Vorlese-Sessions, aber auch regelmäßige „Carepakete“ mit Briefen, Rezepten oder selbst gemachten Bastelarbeiten.

Auch wenn persönliche Besuche durch eine Mischung aus finanzielle, logistische oder auch zwischenmenschliche Hindernisse eingeschränkt sind, bleiben viele Großeltern aktiv involviert. Einige Großeltern werden zu dem, was die US-Soziologen Judith Treas und Shampa Mazumdar als „Seniors on the move“ bezeichnen: Sie werden mobiler, strukturieren ihr Leben um Flüge, Visumverlängerungen und die saisonale Enkelbetreuung herum.

Kurz: Eine Realität, Beziehungen über Grenzen hinweg zu pflegen, zwingt Großeltern dazu, ihre Rolle neu zu definieren, da sie durch den fehlenden regelmäßigen Kontakt ihre Rolle als aktive Betreuer beraubt sind.

Praktische Tipps für die Verbindung über Entfernungen

Trotz Distanz gibt es zahlreiche Wege, die Beziehung zwischen Großeltern und Enkeln zu pflegen:

Digitale Kommunikation intensiv nutzen: Videoanrufe, Sprachnachrichten oder digitale Lesestunden halten die Bindung lebendig.
Gemeinsame Projekte schaffen: Online-Spiele, Koch- oder Bastelprojekte, auch über digitale Kanäle, fördern Interaktion.
Besuche bewusst planen: Regelmäßige Treffen, auch wenn selten, stärken emotionale Nähe nachhaltig.
Traditionen bewahren: Gemeinsame Rituale, handgeschriebene Briefe oder Familiengeschichten vermitteln Kontinuität und familiäre Bindung.

„Rent-a-Oma“ bei abwesender Großmutter

Enkel profitieren in besonderer Weise vom regelmäßigen Kontakt mit  Großeltern, da diese den Kindern vertraut und doch ein wenig anders als die Eltern sind. Gemäß der sogenannten „Brückenhypothese“ aus der Entwicklungspsychologie lernen die Kinder durch die Interaktion mit anderen, die bisher erworbenen Fähigkeiten nicht nur auf die primäre Bezugsperson anzuwenden. Großeltern bilden sozusagen eine Brücke vom Elternhaus in die erweiterte soziale Umwelt.

Als Antwort auf räumliche Distanz und aufgebrochene Familienstrukturen haben sich neue Modelle entwickelt – von denen alle der betroffenen Seiten profitieren können. Besonders in Städten, wo die Großeltern oft weit entfernt leben, gewinnen oft ehrenamtliche Programme wie „Rent-a-Oma“ an Bedeutung. Hierbei werden ältere Menschen als „Leih-Großmütter“ für Familien verfügbar, die Unterstützung benötigen – sei es beim Kinderbringen, bei Hausaufgaben oder als emotionale Bezugsperson. Dieses Prinzip ermöglicht nicht nur praktische Hilfe, sondern auch zwischenmenschliche Nähe, wenn eigene Großeltern nicht im Alltag verfügbar sind. 



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