Buster Keaton und die Melancholie der Komik

Vor 130 Jahren wurde der Schauspieler und Regisseur Buster Keaton geboren. In seinen Filmen verschmelzen Melancholie und Komik zu zeitlosen Kunstwerken, die berühren.
Titelbild
Standbild aus der Filmkomödie „Go West“ aus dem Jahr 1925.Foto: Buster Keaton Productions, gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=125181898
Von 21. November 2025

Aus Fotografien, Standbildern und Filmen blicken uns Keatons Augen aus einer längst vergangenen Epoche entgegen. Und doch haben sie nichts von ihrer faszinierenden Unmittelbarkeit verloren. Melancholisch, verletzlich, staunend und ohne Arg blicken sie in die Welt. Wenn ihr Blick dem Blick des Betrachters begegnet, überbrückt er stumm und kraftvoll Raum und Zeit.

Dem stoischen Gesichtsausdruck Buster Keatons sind auch heute noch Bildbände, Filmdokumentationen und Texte gewidmet. Im frühen 20. Jahrhundert verhalf er dem Schauspieler und Regisseur – zusammen mit faszinierender Körperbeherrschung und genialem Einfallsreichtum – zu Weltruhm.

Eindrucksvolle Filmgestalt mit rätselhaftem Blick

Doch Buster Keaton gelang noch weit mehr: Er gehört zu den wenigen Berühmtheiten der Stummfilmzeit, deren Blick, Gesicht und Gestalt sich geradezu ikonisch ins kollektive Gedächtnis eingeprägt haben.

Liegt der Grund für diese anhaltende Faszination darin, dass Keaton es vermochte, Gefühle und Wesen des modernen Menschen in filmisch-poetische Augenblicke zu bannen? So etwa die beharrliche Sehnsucht des gebeutelten Individuums, trotz aller Widrigkeiten des Lebens die Hoffnung auf Glück und Erfüllung nicht aufzugeben.

Die Unerschütterlichkeit von Keatons Filmfiguren in „Der Kameramann“ oder „Der General“, um nur zwei seiner Filme zu nennen, ist jedenfalls legendär.

Meist ohne die Gefahr der Lage ganz zu erfassen, durchstehen Keatons Helden geradezu traumwandlerisch Missgeschicke und halsbrecherische Abenteuer. Mit dieser Mischung aus liebenswerter Arglosigkeit, unverbesserlichem Optimismus und feiner Schwermut erobern sie die Herzen der Zuschauer. Und: ihr Lachen.

Buster Keaton Aug in Aug mit einer Kanone in „The General“. Foto: Buster Keaton Productions, gemeinfrei

Ein Lachen, das sich aus Situationen speist, in denen sich Staunen, aberwitzige Gefahren und freudige Erleichterung abwechseln.

Kurz: Ein feiner komödiantischer Balanceakt, der die Zuschauer in vergnügliche Wechselbäder der Gefühle stürzt, sie aber nie zu banaler Schadenfreude verführt.

Zufälle und Fügungen

Wie aber wurde Buster Keaton zur ikonischen Filmgestalt, die schon Generationen amüsierte und mit der sie trotz ihrer melancholischen Ausstrahlung ein Gefühl von unbeugsamem Optimismus verbinden?

In siebter Familiengeneration auf den Rufnamen Joseph getauft, wird Keaton am 4. Oktober 1895 in Kansas als Sohn eines jungen Ehepaars geboren, das seinen Lebensunterhalt auf Varietébühnen verdient. Joe und Myra Keaton vermarkten medizinische Produkte mit Darbietungen im Stil des sogenannten Vaudeville-Kabaretts, das frühe Formen von Slapstick mit Musikdarbietungen verbindet.

Während die jungen Eltern auf humorvolle Weise Produkte präsentieren, bleibt der kleine Joseph in der Künstlergarderobe unbeaufsichtigt sich selbst überlassen. Kaum beginnt er zu laufen, häufen sich kleine und große, harmlose und weniger harmlose Unfälle.

Zwar kann er sich bei Stürzen geradezu katzenartig abfedern, was ihm den Spitznamen „Buster“, auf Deutsch etwa „erstaunlicher Könner“, einbringt, Joe und Myra Keaton beschließen aber dennoch, das gerade dreijährige, aufgeweckte Bürschchen sicherheitshalber nun mit auf die Bühne zu nehmen. Mit überraschenden Folgen.

Außergewöhnliche Beobachtungsgabe und Talent

Der Kleine ist begeistert und beginnt sofort, alles nachzuahmen, was er beobachtet. Besonders die Auftritte des Vaters haben es ihm angetan und er kopiert diesen mit großem, kindlich ernstem Eifer. Selbst das spontane Gelächter des Publikums bringt ihn nicht aus der Ruhe – zum weiteren Amüsement der Zuschauer.

Den unerwarteten komödiantischen Erfolg ihres Sohnes greifen die Eltern jetzt auf und kostümieren ihn als kleines Ebenbild des Vaters. Aus der Not ist eine Tugend geworden. Ihr neues Programm „The Three Keatons“ ist geboren. Waren die Darbietungen der Eltern bisher nur durchschnittlich erfolgreich, führt das Zusammenspiel mit dem Sohn jetzt zu wahren Begeisterungsstürmen.

„The Three Keatons“: Der sechsjährige Buster Keaton mit seinen Eltern Myra und Joe Keaton während einer Varietéaufführung. Foto: unbekannter Fotograf, gemeinfrei

„Der größte Knaller des Programms waren Joe, Myra und der kleine Buster Keaton. Selten wurde ein solch herzliches Gelächter in einem Theater gehört, wie das, welches die Aktivitäten von Buster hervorrief, der ein außergewöhnlich kluges Kerlchen ist. Alle seine Worte und Aktionen versetzen das ganze Haus in größte Belustigung“, schreibt der „New York Dramatic Mirror“ am 30. Januar 1904. „Buster macht nicht den Eindruck, etwas einstudiert zu haben; seine Arbeit ist so spontan und genau, dass sie klar beweist, wie weit sich seine Darstellung aus der Masse […] hervorhebt […].“

Der Junge ist inzwischen acht Jahre alt und zu einer Berühmtheit des Varietétheaters geworden. Sein Spitzname Buster wird ihn sein Leben lang begleiten. Und auch die unvergleichliche Unerschütterlichkeit seines Bühnencharakters nimmt bereits in seiner frühen Kindheit ihren Anfang.

Bei ihren Auftritten deutet der Vater die Nachahmung des Sohnes – zum Schein – als freche Respektlosigkeit. In gespielter Wut schleudert er seinen Sohn deshalb immer wieder vollkommen unvermittelt kreuz und quer über die Bühne. Zum Schrecken des überraschten Publikums, das nur Augenblicke später erleichtert erlebt, dass der kleine Junge unverletzt und wohlgemut aufsteht und das Imitieren des Vaters gänzlich unverdrossen von Neuem aufnimmt.

Ende und Beginn einer Erfolgsgeschichte

Dieses vollkommen ungewöhnliche Verhalten begeistert die Zuschauer, ebenso wie es staatliche Stellen auf den Plan ruft. Während ihrer Tourneen durch Nordamerika wird vor allem Joe Keaton immer wieder der Kindesmisshandlung bezichtigt, kurzzeitig sogar verhaftet. Jedoch gelingt es Buster jedes Mal zu beweisen, dass ihm die gespielte väterliche Wut durch artistisches Geschick und Übung nicht einmal blaue Flecken beschert hat.

Jahrelang präsentieren die drei Keatons ihr Programm in immer neuen gewagten Variationen und verdienen sich in der Presse den skurrilen Titel der „raubeinigsten Bühnenperformance der Geschichte“. Dieser eigentümlichen Erfolgsgeschichte macht erst der zunehmende Alkoholismus des Vaters ein Ende. Nun werden dessen Bühnenaktionen für den Sohn tatsächlich unberechenbar und gefährlich.

Mit 21 Jahren setzt sich Buster nach New York ab. Seine Bekanntheit öffnet ihm viele Türen und seine eigenständige Karriere nimmt nun Fahrt auf. Für sie ist er durch das jahrelange Training im Varieté bestens gerüstet. Der Zeitpunkt könnte nicht besser gewählt sein, denn die Kunstform des Stummfilms strebt ihrer Hochzeit entgegen und scheint auf Buster Keaton nur gewartet zu haben.

Nach dem Eintritt der Vereinigten Staaten in den Ersten Weltkrieg im Jahr 1917 und einer kurzen Unterbrechung durch einen Militäreinsatz in Frankreich entwickelte sich Keatons künstlerische Laufbahn rasend schnell weiter.

Rasante Karriere

Zuerst als Nebendarsteller bei einer Filmproduktion des beliebten Stummfilmkomikers Roscoe „Fatty“ Arbuckle übernimmt Keaton schon bald leitende Regiearbeiten für dessen Kurzfilme. 1920 schließlich ist Keaton erstmals Hauptdarsteller eines abendfüllenden Stummfilms und wird vom einflussreichen Filmmagnaten Joseph M. Schenck gefördert. Unter dem Banner „Buster Keaton Productions“ entsteht jetzt Film um Film.

Buster-Keaton-Werbekarte für „The Neighbors“ von 1920. Foto: Metro Pictures, gemeinfrei

Keaton wird zum Star, der als Darsteller, Regisseur, Autor und kreativer Pointen- und Stunterfinder wesentlichen Einfluss auf Ästhetik und Inhalt seiner eigenen Filme nimmt. Zeigt er als Nebendarsteller in den frühen Produktionen Arbuckles noch ab und zu ein Lachen, arbeitet er nun immer mehr die unverwechselbaren Züge seines rätselhaft unergründlichen Gesichtsausdrucks heraus. Sogar auf privaten Fotos ist höchstens ein feines Lächeln zu erahnen.

Porträt von Buster Keaton and Natalie Talmadge mit ihrem ersten Son, Joseph Keaton. Foto: Chicago Daily News, Inc., photographer, gemeinfrei

Inzwischen hat er die Stummfilmschauspielerin Natalie Talmadge geheiratet und ist Vater zweier Söhne geworden. Das Glück scheint perfekt, doch es währt nicht lange.

Schwere Rückschläge und weiser Blick zurück

Ein ungünstiger Vertrag mit der mächtigen Filmgesellschaft MGM beraubt Keaton seiner künstlerischen Freiheit. Gleichzeitig neigt sich Anfang der 30er-Jahre die große Zeit des Stummfilms dem Ende entgegen. Obwohl Keaton die verheerenden Folgen der Trunksucht durch seinen Vater am eigenen Leib erlebt hat, flüchtet er vor den immer größer werdenden Problemen inzwischen selbst in den Alkohol.

Seine Ehe wird 1932 geschieden und auch eine weitere zerbricht nach nur wenigen Monaten. Fünf Jahre lang kämpft er gegen die fast unbezwingbar scheinende Sucht. Erst 1940 heiratet er – vom Alkohol befreit – ein letztes Mal und führt mit seiner dritten Frau Eleanor eine glückliche Ehe bis zu seinem Lebensende im Jahr 1966.

Buster und Eleanor Keaton im Jahr 1965. Foto: Philadelphia Inquirer press photo, gemeinfrei

In diesem letzten Lebensabschnitt spielt er in Fernsehproduktionen und taucht als stummes Zitat seiner selbst immer wieder in Kinofilmen auf. Als geheimnisvoll stoische Ikone des Films, die sich in dessen Geschichte einen ganz besonderen Platz erarbeitet hat.

Ohne Schwermut oder Bedauern blickt er in seinen späten Jahren auf Höhen und Tiefen seiner Biografie zurück:

„Ich glaube, ich hatte das glücklichste und frohste aller möglichen Leben. Vielleicht, weil ich niemals so viel erwartet habe, wie ich erhielt […] und als die Rückschläge kamen, fühlte sich das nie überraschend an. Ich habe ja schon immer gewusst, wie das Leben ist – voll von Fausthieben für alle, die es verdienen, und auch für die, die es nicht verdienen.“



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion