Das Schloß Boncourt – von Adalbert von Chamisso

Aus der Reihe Epoch Times Poesie
Titelbild
Foto: Maurizio Fabbroni/iStock
Von 13. November 2025

Das Schloß Boncourt

Ich träum‘ als Kind mich zurücke

Und schüttle mein greises Haupt;
Wie sucht ihr mich heim, ihr Bilder,
Die lang‘ ich vergessen geglaubt?

Hoch ragt aus schatt’gen Gehegen
Ein schimmerndes Schloß hervor,
Ich kenne die Türme, die Zinnen,
Die steinerne Brücke, das Thor.

Es schauen vom Wappenschilde
Die Löwen so traulich mich an,
Ich grüße die alten Bekannten
Und eile den Burghof hinan.

Dort liegt die Sphinx am Brunnen
Dort grünt der Feigenbaum,
Dort, hinter diesen Fenstern,
Verträumt‘ ich den ersten Traum.

Ich tret‘ in die Burgkapelle
Und suche des Ahnherrn Grab
Dort ist’s, dort hängt vom Pfeiler
Das alte Gewaffen herab.

Noch lesen umflort die Augen
Die Züge der Inschrift nicht,
Wie hell durch die bunten Scheiben
Das Licht darüber auch bricht.

So stehst du, o Schloß meiner Väter,
Mir treu und fest in dem Sinn
Und bist von der Erde verschwunden,
Der Pflug geht über dich hin.

Sei fruchtbar, o teurer Boden,
Ich segne dich mild und gerührt
Und segn‘ ihn zwiefach, wer immer
Den Pflug nun über dich führt.

Ich aber will auf mich raffen,
Mein Saitenspiel in der Hand,
Die Weiten der Erde durchschweifen
Und singen von Land zu Land.

 

Adalbert von Chamisso (1781–1838)



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