Das Wunder der Auferstehung

Weder der genaue Ort noch das Geburtsjahr des Künstlers sind belegt. Nur bruchstückhaft sind wenige seiner Lebensstationen nachvollziehbar. Selbst der wirkliche, zu Lebzeiten gebräuchliche Name des Malers ist nicht mit Sicherheit bekannt.
Um das Jahr 1480 erblickt er vermutlich in einem Dorf bei Würzburg das Licht der Welt und wird wahrscheinlich auf den Namen Mathis Gothart oder Nithart getauft. Mit dem 17. Jahrhundert etabliert sich für den Künstler jedoch der Name „Matthias Grünewald“.
Als Grund wird eine versehentliche Vermischung zweier Künstlerlebensläufe der deutschen Frührenaissance vermutet. Dieses Versehen unterläuft mit großer Wahrscheinlichkeit Joachim von Sandrart, dem verdienstvollen Kunsthistoriker und Maler des Barock, bei frühen Nachforschungen und Studien.

Joachim von Sandrart (1606 – 1688), Miniatur 6 cm x 4,3 cm von unbekanntem Künstler, Schwedisches Nationalmuseum. Foto: gemeinfrei
Ihm, dem Verfasser der ersten deutschen Kunstgeschichte, ist die erste, noch rudimentäre Werkaufstellung Gotharts alias Grünewalds zu verdanken, die wiederum zur Wiederentdeckung seines eindrucksvollen, im Barock fast vergessenen Oeuvres führt.
Rätselhaftes Künstlerleben
Der Maler der Frührenaissance, dem heute fast 30 Werke zugeschrieben werden, ist nach wie vor Gegenstand kunsthistorischer Forschung und Mutmaßungen. Der tatsächliche Lebenslauf von „Mathis dem Maler“, dem der Komponist Paul Hindemith 1938 die gleichnamige Oper aus imaginierten biografischen Szenen gewidmet hat, wird für die Nachwelt wahrscheinlich immer im Ungewissen bleiben.

Brustbild eines aufwärts blickenden Mannes mit Federkiel, 20.8 x 15 cm,
Kreide auf Papier, möglicherweise ein Selbstporträt von Mathis Gothart alias Matthias Grünewald (geboren um 1480, gestorben um 1528). Foto: gemeinfrei
Wie viele seiner Zeitgenossen signiert er selten und tritt meist völlig hinter seine Werke zurück. Sein Schaffen aus ausschließlich religiösen Bildtafeln beeindruckt vielleicht gerade deshalb umso mehr und bewegt seit Jahrhunderten seine Betrachter.
Unvergleichliches Hauptwerk
Der Isenheimer Altar ist das größte und bedeutendste Werk des Künstlers. Von 1512 bis 1516 schuf er ihn für die Klosterkirche des Antoniterkloster im oberelsässischen Isenheim.
Auf insgesamt elf, sowohl feststehenden als auch drehbaren Altarflügeln, stellt Grünewald mit großem Glaubenswissen und Einfühlungsvermögen zentrale Ereignisse der Heilsgeschichte dar.
Mit ihrer bildhaften Vergegenwärtigung biblischen Geschehens begleiteten sie jahrhundertelang die Hochfeste des Kirchenjahres und ihre Liturgie.
Seit mehr als 170 Jahren ist der Isenheimer Altar nun das bedeutendste Exponat des Museums Unterlinden im elsässischen Colmar. In der ehemaligen Kapelle eines einstigen Dominikanerklosters, das während der Französischen Revolution aufgelöst wurde, hat er 1852 seine Heimat gefunden.
Dass der Altar unzählige Ortswechsel, die Wirren der Revolution und Kriegszeiten fast unbeschadet überstanden hat, gleicht einem Wunder.
Seine liturgische Funktion und Aufgabe hat Grünewalds Werk im Museum jedoch verloren. Ungebrochen bleibt dagegen seine Ausstrahlung, die sich in ganz besonderer Weise zur österlichen Zeit entfaltet.
Umwälzende Osterereignisse
Tief erschütternd ist die Darstellung des Kreuzestodes Jesu Christi in all seiner unaussprechlichen Qual, Dunkelheit, Verzweiflung und Trauer. Umso strahlender leuchtet die Auferstehung des Messias, der am Morgen des dritten Tages aus der Dunkelheit des Grabes steigt und die Macht des Todes endgültig besiegt.

Die Auferstehung, gemalt von Mathis Gothart alias Matthias Grünewald zwischen 1512 und 1516, 269 cm x 141 cm, Öl auf Holztafel. Foto: gemeinfrei
Sein Triumph ist unermesslich. Leid, Verzweiflung und Tod sind zu Licht und Glorie verwandelt.
Christus selbst ist die Quelle dieses Lichts. Von ihm geht in Grünewalds Gemälde eine leuchtende Aura aus, die ihn umgibt.
Das Haupt Jesu ist das strahlende Zentrum dieses geradezu kosmischen Ereignisses, das inmitten der funkelnden Sterne des Weltalls als Sonne der Gerechtigkeit aufscheint.
Alles ist durch dieses Wunder verändert. Jesu Wundmale schimmern wie Edelsteine, der Körper Christi ist verklärt und erhebt sich über alle Naturgesetze.
Naturgesetze aus den Angeln gehoben
Durch den Sohn Gottes, der in göttlicher Dreieinheit alle Macht über die Natur und ihre Erscheinungen innehat, ist die Schwerkraft aufgehoben.
Die Befreiung von der Erdenschwere des Grabes, die Verklärung und strahlende Majestät Jesu werden durch einen großen groben Felsen umso stärker betont, der im Hintergrund auf Gestein lagert. Er deutet auf das biblische Felsengrab hin und scheint das Tafelbild in eine himmlische und irdische Sphäre zu trennen.
Mühelos, unendlich frei und mächtig triumphiert Christus über die Dunkelheit der Erde und jede weltliche Macht. Ein prachtvoll schwebendes Tuch, das sich aus dem steinernen Sarkophag hinauf zu Christus erhebt und ihn wolkenähnlich umhüllt, strahlt in den irisierenden Farben seiner Aura.
Geharnischte Wachen sind kraftlos zu Boden gestürzt. Ihre Rüstungen und Waffen sind nutzlos. Nichts vermögen sie dem übernatürlichen Geschehen entgegenzusetzen.
Abwenden oder Erkennen
Während drei Soldaten sich geblendet vom Licht abwenden, verharrt ein Vierter kniend, gebeugt, aber zugewandt.
Hat er erkannt, welche Gnade ihm in diesem Moment zuteil wird? Steht er für den Teil der Menschheit, der die Gottheit Jesu erkennt und anerkennt? Beugt er in Ehrfurcht vor seinem König, Herrn und Gott die Knie?
Ein Fuß des schwebenden Auferstandenen weist auf ihn, der andere auf die sich abwendenden Soldaten im Vordergrund. Der Blick Jesu jedoch richtet sich in diesem Moment des einzigartigen, alles verändernden überirdischen Geschehens direkt auf sein Gegenüber, auf uns.
Es ist ein Blick, der Zeit und Raum überbrückt, Erde und Himmel verbindet und uns im Hier und Jetzt begegnet.

Das Unterlinden Museum in Colmar war bis zur Französischen Revolution ein Dominikanerinnenkloster. Seit 1852 beherbergt es insbesondere Kunstschätze der Gotik und Renaissance. Foto: © Jörgens.mi, CC BY-SA 3.0
Museum Unterlinden
Place Unterlinden
F- 68000 Colmar
ganzjährig geöffnet
täglich außer Dienstag
von 9 Uhr bis 18 Uhr
geschlossen am 01.01., 01.05., 01.11. und 25.12.
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