„Der Talisman“ der Zufriedenheit – nach einem Märchen von Hans Christian Andersen

In dieser Geschichte aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stellt sich heraus, dass ein lange Zeit gesuchter Talisman näher war als vermutet.
Titelbild
„Glückliche Liebende,“ circa 1760 bis 1765, von Jean-Honoré Fragonard. Öl auf Leinwand, 90,2 cm x 121,3 cm.Foto: gemeinfrei
Von 18. Mai 2025

Egal, ob „Däumelinchen“, „Des Kaisers neue Kleider“ oder „Die kleine Meerjungfrau“, die Werke des berühmten dänischen Schriftstellers Hans Christian Andersen sind weltweit bekannt. Rund 160 Märchen entsprangen seiner Feder. Weitgehend unbekannt im deutschsprachigen Raum ist jedoch die Geschichte „Der Talisman“.

In dieser Erzählung für Kinder und Erwachsene zeigt der Däne, dass wahre Zufriedenheit viel einfacher ist, als man denkt:

Ein Prinz und eine Prinzessin hatten sich vermählt. Überglücklich über ihre Hochzeit geht das Paar in die Flitterwochen, doch ein Gedanke macht sich breit: Was passiert, wenn sie das Glück verlässt?

Um dies zu vermeiden, begibt sich das angehende Königspaar auf die Suche nach einem Talisman, der sie vor allem Unglück, das ihre Ehe gefährden könnte, bewahren soll. Als sie von einem Weisen draußen im Wald hören, machen sie sich auf den Weg und berichten ihm von ihrem Herzenswunsch.

Der Weise gibt ihnen den Rat: „Reist durch alle Länder der Welt, und wo immer ihr ein vollkommen glücklich verheiratetes Paar trefft, bittet es um ein kleines Stück Leinenstoff, den es am Körper trägt, und wenn ihr es erhalten habt, müsst ihr es immer bei euch tragen. Das ist ein sicheres Wundermittel!“

Wie ihnen geheißen, zieht das jungvermählte Paar hinaus in die Welt. Unterwegs hören sie von einem Ritter und seiner Frau, die angeblich das glücklichste Eheleben führen. Doch war es tatsächlich so, wie man munkelte? Sie gingen zum Schloss des Ritters und fragten nach.

„Ja natürlich“, lautete die Antwort, „bis auf eine Ausnahme“. Dem Ritter und seiner Frau war es nicht vergönnt, Kinder zu bekommen. So war ihr Glück doch nicht vollkommen, stellt das Prinzenpaar fest und zieht ohne Talisman weiter.

Kurze Zeit später kommen sie in ein Land, wo sie von einem ehrlichen Bürger hören. Wenn man den Leuten Glauben schenkt, soll er mit seiner Frau das Glück gepachtet haben. Doch waren sie wirklich glücklich?

„Ja, das bin ich“, antwortete der Mann auf die Frage des Prinzen. „Meine Frau und ich leben in vollkommener Harmonie – wenn wir nur nicht so viele Kinder hätten, denn sie bereiten uns Kummer und Sorgen!“

Auch hier ist das Glück also begrenzt. Wieder ziehen der Prinz und die Prinzessin ganz ohne Leinentuch weiter. Und egal, wohin sie kommen, nirgends ist ein vollkommen glückliches Paar zu finden.

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Als sie eines Tages durch Felder und Wiesen reiten, bemerken sie einen Hirten, der in der Nähe des Weges fröhlich auf seiner Flöte spielt. Just in diesem Augenblick kommt eine Frau mit zwei Kindern daher; eines auf dem Arm, den anderen kleinen Jungen an der Hand. Der Hirte erblickt und grüßt sie herzlich. Dann wendet er sich dem kleinen Kind zu, das er ihr vom Arm nimmt, herzt und küsst. Auch der Hund des Hirten springt hinzu und leckte dem Buben die winzige Hand.

Die Frau richtet derweil das mitgebrachte Essen an. Dann sagt sie: „Vater, komm und iss.“ Der Mann setzt sich. Doch anstatt etwas zu essen, gibt er dem kleinen Jungen den ersten Happen, den zweiten teilt er zwischen dem Jungen und dem Hund.

Das Prinzenpaar, das alles beobachtet hat, tritt näher an die Familie heran. „Ihr müsst ein wirklich glücklich verheiratetes Paar sein“, sagen sie.

„Ja, das sind wir“, entgegnet der Hirte. „Gott sei gepriesen. Kein Prinz und keine Prinzessin könnten glücklicher sein als wir.“

Überglücklich, endlich ein vollkommen glückliches Paar gefunden zu haben, bitten sie den Hirten und seine Frau um ein kleines Stück Leinenstoff, den sie am Leibe trugen. „Gott weiß, dass wir euch nicht nur ein kleines Stück, sondern das ganze Hemd oder Untergewand geben würden“, antwortet der Hirte, „wenn wir es nur hätten“. Tatsächlich besäßen sie jedoch nicht einmal einen Lumpen.

So geht das Prinzenpaar erneut leer aus. Entmutigt kehren sie zu dem Weisen zurück und erzählen von ihrem Misserfolg. Sie werfen ihm sogar vor, dass er ihnen einen schlechten Rat gegeben habe.

Doch der Weise spricht lächelnd: „War eure Reise wirklich umsonst? Kehret ihr nicht mit einem Reichtum an Wissen zurück?“

„Ich habe die Erkenntnis gewonnen, dass Zufriedenheit ein seltenes Geschenk auf dieser Erde ist“, antwortet der Prinz. Während seine Gemahlin äußert: „Und ich habe gelernt, dass man, um zufrieden zu sein, nichts weiter tun muss, als einfach zufrieden zu sein.“

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Daraufhin nimmt der Prinz die Prinzessin bei der Hand. Innig treffen sich ihre Blicke. Da segnet der Weise das Paar und sagt: „Ihr habt den wahren Talisman in euren Herzen gefunden! Bewahrt ihn sorgsam auf, und der böse Geist der Unzufriedenheit wird bis in alle Ewigkeit keine Macht über euch haben!“

Mit anderen Worten: Egal, was die Welt verspricht, die wahre Zufriedenheit kann jeder nur in sich selbst finden. Wer sich dafür entscheidet, einfach zufrieden zu sein, dem wird dieses Glück zuteil.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „A Talisman of Contentment: Hans Christian Andersen’s Fairy Tale ,The Talisman‘“. (redaktionelle Bearbeitung sua)



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