Die stille Größe Jane Austens: So gestaltete sich ihr Alltag

Trotz ständiger Unterbrechungen hielt Austen unbeirrt an ihrem Schreiben fest – und schuf so Meisterwerke.
Titelbild
Austen schrieb an einem bescheidenen Schreibtisch in der Nähe des Fensters.Foto: Biba Kayewich
Von 21. September 2025

Während manche Schriftsteller und Künstler ihre schöpferischen Ideen in ausgedehnten Räumen von Stille und Einsamkeit reifen lassen konnten, war anderen dieses Glück nicht vergönnt. Jane Austen (1775–1817) etwa lebte stets in einem Haus, in dem ein ständiges Kommen und Gehen herrschte. Sie musste darum kämpfen, längere ungestörte Zeitfenster zu finden, in denen sie ihre Erzählungen über die feine englische Gesellschaft weben konnte.

Im Gegensatz zu Künstlern wie Charles Dickens oder Ludwig van Beethoven, die ihren Tagesablauf fest strukturierten und sich auf strenge Routinen verließen, verlief Jane Austens Alltag weit unberechenbarer. Dennoch schuf sie ein umfangreiches literarisches Werk von höchster Qualität – ein Beweis dafür, dass künstlerisches Schaffen selbst in widrigen Umgebungen gedeihen kann. Schriftsteller finden mit allen Mitteln einen Weg zum Schreiben. Denn das, was in ihrem Inneren brennt, würde sich sonst förmlich wie ein Feuer durch ihre Brust fressen.

Austen stand früh auf, noch bevor ihre Mutter und ihre Schwester aufwachten. Sie begann ihren Tag damit, Klavier oder Pianoforte, wie es damals genannt wurde, zu spielen, Besorgungen zu machen, Briefe zu schreiben oder spazieren zu gehen. Ihre wichtigste Aufgabe im Haushalt war es, gegen 9 Uhr morgens das Frühstück für die Familie zuzubereiten. Danach arbeitete sie im Wohnzimmer an ihren Schriften. Wegen des Lichts setzte sie sich dabei nahe an ein Fenster, während ihre Mutter und ihre Schwester nähten. Vor seinem Tod hatte ihr Vater ihr einen sehr kleinen Schreibtisch geschenkt, der über eine Schreibfläche sowie Stauraum für Tinte und andere Schreibutensilien verfügte.

Warum all die Geheimniskrämerei?

Manchen Berichten zufolge soll Jane Austen ihre Zettel rasch beiseitegeschoben haben, sobald Besuch eintraf, und das kam häufig vor. In seinem Buch „Daily Rituals: How Artists Work“ („Musenküsse: Die täglichen Rituale berühmter Künstler“) zitiert Mason Currey die Erinnerungen von Austens Neffen: „Sie war allen möglichen zufälligen Unterbrechungen ausgesetzt. Sie achtete sorgfältig darauf, dass ihre Tätigkeit weder von Bediensteten noch von Besuchern oder von irgendjemandem außerhalb des engsten Familienkreises bemerkt wurde.

Sie schrieb auf kleinen Zetteln, die sich leicht beiseitelegen oder mit einem Löschblatt bedecken ließen. Zwischen der Eingangstür und den Wirtschaftsräumen befand sich eine Schwingtür, die beim Öffnen knarrte; doch sie wollte diesen kleinen Missstand nicht beheben lassen, weil sie so merkte, wenn jemand kam.“

Austen schrieb an einem bescheidenen Schreibtisch in der Nähe des Fensters. Foto: Biba Kayewich

Austens Geheimhaltung ihrer schriftstellerischen Tätigkeit erstreckte sich sogar auf die Veröffentlichung ihrer Romane: Sie erschienen allesamt anonym. Und erst nach Austens Tod wurde ihr Name mit ihren Werken in Verbindung gebracht. Zu Lebzeiten wurden die Werke einer anonymen „Dame“ zugeschrieben.

„Von einer Dame“

Warum all diese Geheimniskrämerei? Zwar wissen wir es nicht mit Sicherheit, doch es lassen sich einige Gründe vermuten. Erstens schätzte Austen vermutlich ihre Privatsphäre. Zweitens war es damals nicht ungewöhnlich, unter einem Pseudonym zu veröffentlichen. Dies hatte sich damals bereits als literarische Konvention etabliert. Für Schriftstellerinnen galt dies im Besonderen, da das Schreiben von vielen als unpassende Tätigkeit für eine Dame betrachtet wurde.

Greg Buzwell schrieb auf der Website der British Library: „Im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert […] entstanden unschöne Parallelen zur Prostitution hinsichtlich der Vorstellung, dass Frauen Romane schrieben, die dann an jeden verkauft wurden, der bereit war, dafür zu bezahlen. […] Mitte des 18. Jahrhunderts war der Vermerk ‚Von einer Dame‘ auf Titelseiten weitverbreitet.

Dies wies nicht nur auf das Geschlecht der Autorin hin, sondern auch darauf, dass das Buch aus einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht stammte und somit für anständige Frauen zum Lesen geeignet war.“

So saß Jane Austen, „eine Dame“, an ihrem kleinen Schreibtisch und entwarf umfangreiche Erzählungen. Sie erforschte und artikulierte die Widersprüche der menschlichen Natur mit scharfem Blick. Sie schrieb auf kleine Papierzettel mit einer Feder und Eisengallustinte, einer Mischung aus Tanninen, Eisensulfat, Gummi arabicum und Wasser. Zunächst fertigte Austen einen ersten Entwurf des Romans an, strich Formulierungen und Sätze durch und überarbeitete sie. Danach überarbeitete sie das gesamte Manuskript vollständig.

„Freie indirekte Rede“

Sie experimentierte mit der literarischen Technik der „freien indirekten Rede“, bei der die Stimme des Erzählers mit den Stimmen und Gedanken der Figuren verschmilzt, sodass sie kaum noch zu unterscheiden sind. Sie gehörte zu den ersten Autorinnen, die diese Technik in großem Umfang in ihren Werken einsetzten.

Austen beendete ihre Schreibarbeit gegen 15 oder 16 Uhr, wenn die Familie die Hauptmahlzeit des Tages einnahm. Sie erwähnt in ihren Briefen häufig das Essen und scheint eine Vorliebe für Süßigkeiten gehabt zu haben. Nach dem Abendessen folgten Gespräche, Tee und Spiele. Am Abend las die Familie gemeinsam aus Romanen vor, manchmal auch aus Austens eigenen Manuskripten. Das Feedback ihrer Mutter und ihrer Schwester spielte eine wichtige Rolle in Austens Schreibprozess.

Mit dem für sie typischen Humor schrieb Austen einmal in einem Brief: „Ich glaube, ich kann mich mit aller erdenklichen Eitelkeit rühmen, die ungebildetste und uninformierteste Frau zu sein, die es jemals gewagt hat, Autorin zu werden.“ Dem würden wir wohl nur schwer zustimmen.

Welche Defizite sie auch in der formalen Bildung gehabt haben mag – und es ist zu bezweifeln, dass diese nach heutigen Maßstäben nennenswert war –, so war sie eine hervorragende Beobachterin der menschlichen Natur. Niemand könnte mit solcher Scharfsinnigkeit über die Torheiten und die Standhaftigkeit, den Hochmut und das Heldentum der Menschen schreiben, ohne in dieser Schule bewandert zu sein.

 

Dieser Artikel erschien im Original auf The Epoch Times USA unter dem Titel The Quiet Genius of Jane Austen: What Her Daily Routine Looked Like. (deutsche Bearbeitung von ee)



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