Filmfest Locarno: Deutsche Produktion ist Top-Favorit

Das Herzstück des 78. Filmfestivals Locarno ist vom deutschen Kino geprägt: Der ausschließlich von deutschen Produzenten realisierte Spielfilm „Sehnsucht in Sangerhausen“ eröffnete den internationalen Wettbewerb. Autor und Regisseur Julian Radlmaier („Blutsauger“) erzählt auf suggestive Weise von der Suche junger Frauen nach ihrer Identität.
In der hintergründigen Erzählung verschmelzen persönliche Geschichten zu einem facettenreichen Gesellschaftsbild. Dafür gab es großen Beifall auf dem neben Berlin, Cannes und Venedig wichtigsten europäischen Filmfestival.
Insgesamt 18 Filme aus aller Welt sind derzeit im Rennen um den begehrten Hauptpreis, den Goldenen Leoparden – und „Sehnsucht in Sangerhausen“ ist ein Top-Favorit.
Neben dem mit stilistischer Originalität und inhaltlichem Gewicht überzeugenden Episodenfilm von Julian Radlmaier bewerben sich vier mit deutscher Beteiligung entstandene internationale Koproduktionen:
- das Roadmovie „Dry Leaf“ des georgischen Regisseurs Alexandre Koberidze
- die Familientragödie „Donkey Days“ der Niederländerin Rosanne Pel
- die Lovestory „White Snail“ des österreichisch-deutschen Regie-Duos Elsa Kremser und Levin Peter
- der Dokumentarfilm „With Hasan in Gaza“ vom palästinensischen Filmemacher Kamal Aljafari.
Mit-Favorit „White Snail“: Realität ohne Raum für Träume
Nachhaltigen Eindruck auf dem Festival hat bislang auch „White Snail“ hinterlassen. Im Mittelpunkt steht die Belarussin Masha. Sie träumt von einer Karriere als Model. Doch die Realität hat keinen Raum für ihre Träume. Selbst die Liebe führt nicht in den siebenten Himmel.
Die oft surreal anmutende Story weitet sich zu einer intensiven Studie über soziale Grenzen und damit Klassenschranken. Die so sensible wie pointierte Erkundung des Lebens ist bisher neben „Sehnsucht in Sangerhausen“ für viele der Top-Favorit auf die Auszeichnung mit dem Goldenen Leoparden.

Wer bekommt ihn? Der Goldene Leopard ist der Hauptpreis des Internationalen Filmfestivals in Locarno. Foto: Jean-Christophe Bott/Keystone/dpa
„With Hasan in Gaza“: Ein Alltag, den es so nicht mehr gibt
Im Gespräch ist daneben die Dokumentation „With Hasan in Gaza“ vom palästinensischen Filmemacher Kamal Aljafari. Er zeigt mit alten Videos Szenen des Lebens in Gaza im Jahr 2001.
Noch steht die Hälfte der Wettbewerbsfilme aus. Es lässt sich derzeit nicht voraussagen, welche Filme am Ende Preise gewinnen. Bisher jedoch haben deutsche Filmschaffende große Chancen. Das auch auf den begehrten Publikumspreis.
Er wird an einen der Filme vergeben, die in abendlichen Open-Air-Aufführungen für bis zu 9.000 Zuschauern auf der Piazza Grande von Locarno, dem malerischen Marktplatz, außerhalb aller Wettbewerbe gezeigt werden. Hier punktete bisher vor allem die US-amerikanisch-deutsche Koproduktion „The Dead of Winter“.
Ehrenpreis für Emma Thompson
In dem zwischen schwarzem Humor, blutiger Action und Herz-Schmerz balancierenden Thriller spielt Weltstar Emma Thompson („Harry Potter“, „Meine Stunden mit Leo“) eine schlagkräftige Witwe. Sie beweist handfest, dass Frauen auch noch jenseits der 60 mit scharfem Verstand und vollem Körpereinsatz Berge versetzen können.

Die britische Schauspielerin Emma Thompson bei ihrer Preisverleihung – einige der glanzvollsten Minuten in der langen Geschichte des Festivals. Foto: Jean-Christophe Bott/KEYSTONE/dpa
Anlässlich der Uraufführung des Films erhielt Emma Thompson einen Ehrenpreis des Festivals auf der Piazza Grande und wurde von Tausenden Filmfans gefeiert.
Damit schenkte die zweifache britische Oscar-Preisträgerin dem Filmfestival Locarno einige der glanzvollsten Minuten in der nun fast acht Jahrzehnte dauernden Geschichte des Festivals. Am Samstagabend ging außerdem der Goldene Leopard für das Lebenswerk an den Action-Schauspieler Jackie Chan.
Ein Erfolg des Kinos „Made in Germany“
Selbst wenn alle Hoffnungen platzen und zum Festivalabschluss keine Ehrung Richtung Deutschland geht, ist die 78. Ausgabe des Filmfestivals am schweizer Ufer des Lago Maggiore schon jetzt ein Erfolg des Kinos „Made in Germany“.
Denn sage und schreibe 22 von 222 Filmen, also zehn Prozent des gesamten Festivalangebots in den verschiedenen Wettbewerben und Sektionen, wurden von deutschen Filmschaffenden mindestens mitrealisiert.
Eine zahlenmäßig so starke Präsenz einer Nation auf einem derart bedeutenden Filmfestival ist bereits eine Auszeichnung. Vergeben werden die Preise am Abend des 16. August während einer Gala auf der Piazza Grande von Locarno. (dpa/red)
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