„Klosterfrau-Melissengeist“: Ein altbewährtes Hausmittel

Seit Generationen steht er in vielen Abertausenden Hausapotheken. Der „Klosterfrau-Melissengeist“. Allseits bekannt ist sein Markenzeichen – das Symbol der drei Klosterfrauen, die durch einen gotischen Spitzbogen blicken. Ebenso charakteristisch ist das nostalgische Etikett der Glasflasche. Beliebt und bewährt ist jedoch vor allem die Essenz, die sich in ihrem Inneren befindet.

Die charakteristische Glasflasche des Klosterfrau-Melissengeistes. Das königlich preußische Wappen befindet sich noch heute auf ihrem nostalgischen Etikett. Foto: Sabine Weigert
Auch heute noch wird die stolze Anzahl von 13 Heilpflanzen nach althergebrachtem Rezept zur klaren Flüssigkeit des Melissengeistes destilliert. Allen voran die Blätter der Melissa officinalis, auch Zitronenmelisse genannt. Mit deren wohlriechenden Extrakten vereinen sich jedoch auch Auszüge aus Alant-, Galgant- und Ingwerwurzelstock, Enzian- und Angelikawurzel, Gewürznelken, Schwarzen Pfefferfrüchten, Muskat- und Kardamomsamen, Pomeranzenschalen, Zimtrinde und Zimtblüten zu einem einzigartigen Destillat.
Vielseitige Anwendung
Sowohl innerlich als auch äußerlich kann die Heilpflanzentinktur angewandt werden und verspricht Linderung von vielerlei unangenehmen Beschwerden. Leichte Erkältungen, innere Unruhe, Wetterfühligkeit, Schlafstörungen oder Magen-Darm-Beschwerden werden durch die Einnahme kleiner Dosierungen behandelt. Äußerliche Einreibungen sollen hingegen bei Muskelkater und -verspannungen helfen.
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Und: Der fast 200 Jahre lange Erfolg des Klosterfrau-Melissengeistes zeigt, dass die Hoffnung auf Linderung gesundheitlicher Beeinträchtigungen tatsächlich erfüllt zu werden scheint.
Hätte das Mittel, auf das so viele bis heute vertrauen, ohne die Ideen und den Unternehmergeist der Klosterfrau Maria Clementine Martin jemals solch große Bekanntheit erlangt?
Bewegter Lebensweg in bewegten Zeiten
Hinter der 50-jährigen Klosterfrau liegt eine bewegte Odyssee, als sie im Jahr 1825 nach Köln zieht, um dort einen kranken und hochbetagten Domvikar zu pflegen. 33 Jahre zuvor, im Jahr 1792, war Wilhelmine Martin im Alter von 17 Jahren in den Orden der Annuntiatinnen eingetreten und erhält dort den Ordensnamen Maria Clementine.
Im Kloster von Coesfeld, im westlichen Münsterland, verbringt die junge Frau elf Jahre ihres Lebens und widmet sich zusammen mit ihren Mitschwestern dem kontemplativen Gebet und karitativen Aufgaben.
Mit der Säkularisation müssen die Nonnen im Jahr 1803 ihr Kloster jedoch verlassen. Unterschlupf gewährt ihnen das Franziskanerinnenkloster Glane in Gronau, das von den Umwälzungen der Französischen Revolution und Säkularisierung bisher verschont geblieben ist.
1811 ändert sich dies aber dramatisch. Napoleon Bonaparte, seit 1806 sogenannter Protektor des Rheinischen Bundes, ordnet die Auflösung sämtlicher religiöser Orden an. Wie ihre Mitschwestern wird auch Maria Clementine ein weiteres Mal heimatlos. Und auch wirtschaftlich verlieren die Klosterschwestern ihre Lebensgrundlage. Viele versuchen nun auf andere Weise ihren Lebensunterhalt zu verdienen und ihrer christlichen Berufung treu zu bleiben. Maria Clementine entscheidet sich für die Arbeit in der Krankenpflege.
Belegt ist, dass sie nach Napoleons Niederlage bei der blutigen Schlacht von Waterloo vom 18. Juni 1815 in preußischen Lazaretten verwundete Soldaten pflegte. Für ihren aufopferungsvollen Dienst wird sie deshalb vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. mit einer jährlichen Leibrente von 160 Talern auf Lebenszeit geehrt.
Neuanfang mit „Eau de Cologne“
In Münster, wo sie von 1821 bis 1825 lebt und arbeitet, werden gegen Maria Clementine hingegen Anschuldigungen wegen angeblicher Quacksalberei erhoben. Zu ihrer Verteidigung führt sie jedoch ins Feld, dass sie nichts anderes tue, als heilkundliches Wissen anzuwenden, das sie während ihres Klosterlebens erlernt habe.
Vielleicht sind es die amtlichen Ermittlungen, deren Ergebnisse nie öffentlich werden, die zum Entschluss der Klosterschwester führen, Münster zu verlassen. In Köln, der Herkunftsstadt des „Eau de Cologne“, findet sie jedenfalls ein weit freundlicheres Umfeld für ihre Arbeit vor.

Rathausturm Köln – Maria Clementine Martin
By © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons), CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=33394336
Neben der Pflege des erkrankten Domherrn widmet sie sich hier dem Destillieren eines selbst kreierten „Kölnisch Wasser“, das sie erstmals am 6. November 1825 mit einem Inserat in der Kölnischen Zeitung folgendermaßen bewirbt:
„Ein sich selbst empfehlend ächtes Kölnisch Wasser“ sei, so ist in der unscheinbaren Annonce zu lesen, für „sechs Silbergroschen und drei Pfennige“ im Hause des Domvikars „auf der Litsch Nummero 1“ zu erwerben.
Unternehmergeist und Erfolg
So wenig spektakulär diese Anzeige, so beflügelnd scheint ihr Erfolg gewesen zu sein. Schon am 23. Mai 1826 gründet Maria Clementine ihre Firma „Maria Clementine Martin Klosterfrau“ und erweitert deren Produktpalette um weitere Destillate.

Patentzeichnung eines Destillierapparates aus dem frühen 19. Jahrhundert, Public Domain
So fragt sie schon 1828 bei der königlichen Medizinal Behörde um „Prüfung und Bescheinigung der Qualität“ ihres – später berühmten – Melissendestillats an. Vergebens, denn das Amt ist von Besonderheit und Bedeutung des Heilpflanzenauszugs ganz und gar nicht überzeugt.
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Für Maria Clementine Martin ist dies aber kein Grund, das Bewerben ihres Melissengeistes aufzugeben. Sie wendet sich nun schriftlich an ihren Gönner, König Friedrich Wilhelm III. und bittet ihn um das Privileg, das königlich preußische Wappen auf die Etiketten ihrer Erzeugnisse drucken zu dürfen – mit Erfolg.
Das königliche Siegel schafft von nun an besonderes Vertrauen in die Qualität der Klosterfrauprodukte. Noch wichtiger ist aber, dass die Erwartungen der Käufer allem Anschein nach nicht enttäuscht werden.
Zwar darf der Klosterfrau-Melissengeist jahrelang nur als kosmetisches Mittel und nicht als Arznei bezeichnet werden, dies schmälert seine Beliebtheit jedoch nicht.
Harter Konkurrenzkampf
Und immer wieder erweist sich Maria Clementine Martin als geschickte, ideenreiche Geschäftsfrau. Allerdings nicht nur im positiven Sinne. So kämpft sie jahrelang – auch mit juristischen Mitteln – gegen ihre einzige Konkurrenz in Köln an.
So vehement führt sie diesen Kampf, dass der Neffe der alleinstehenden Melissengeistfabrikantin Therese Sturm, die ihr Rezept von einem Karmelitermönch geerbt hatte, in Briefen an den Kölner Magistrat Martins christliche Gesinnung bezweifelt.
Im Jahr 1843 schließlich stirbt Maria Clementine Martin und wird unter großer Anteilnahme der Kölner Bevölkerung zu Grabe getragen. Ihr Unternehmen vermacht sie testamentarisch ihrem Mitarbeiter Peter Gustav Schaeben „im Vertrauen, dass derselbe die […] bewiesene fromme Gesinnung sein Leben hindurch treu bewahren werde“.
Weltweit agierender Konzern
Nach einer bewegten Firmengeschichte firmiert das Unternehmen inzwischen als „Klosterfrau Healthcare Group“. Das Hauptprodukt des weltweit agierenden Konzerns bleibt auch heute noch das berühmte Destillat aus Zitronenmelisse und weiteren zwölf wohltuenden Kräutern.
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