In der Tradition der päpstlichen Leos

Als Kardinal Robert Francis Prevost am 8. Mai 2025 zum Papst gewählt wurde, wählte er den päpstlichen Namen Leo XIV. In der langen Reihe der Leos an der Spitze des Papsttums ist Papst Leo X. der berühmteste – zumindest was die Kunstgeschichte betrifft.
Papst Leo X. ist die zentrale Figur in einem der größten Porträts des Renaissancekünstlers Raffael: dem Bildnis von Leo X. mit den Kardinälen Luigi de’ Rossi und Giulio de’ Medici. Auch ist er in den berühmten Freskenzimmern des Künstlers im Apostolischen Palast zu sehen, die heute Teil der Vatikanischen Museen sind.

Ein Detail des Porträts von Leo X. mit den Kardinälen Luigi de’ Rossi und Giulio de’ Medici, 1518, von Raffael. Öl auf Tafel. Uffizien-Galerie, Florenz. Foto: gemeinfrei
Das Papsttum von Leo X.
Giovanni di Lorenzo de’ Medici, geboren 1475, entstammte der mächtigen florentinischen Bankiersfamilie Medici und wuchs in einem Umfeld auf, das die Künste ebenso schätzte wie die Macht. Sein Vater, Lorenzo il Magnifico – „der Prächtige“ –, zählte zu den bedeutendsten Mäzenen der Renaissance: Er förderte Künstler wie Botticelli, Leonardo da Vinci und den jungen Michelangelo. Früh bestimmte er den Weg seines Sohnes: Bereits mit 13 Jahren wurde Giovanni zum Kardinal erhoben. 1513, im Alter von nur 37 Jahren, bestieg er als Leo X. den päpstlichen Thron.
Leo X. widmete sein Pontifikat vor allem der kulturellen Blüte Roms – ein kostspieliges Unterfangen. Unter seiner Ägide wurden Künstler wie Raffael gefördert, Literaten geehrt, die Vatikanische Bibliothek erweitert und der Neubau von Sankt Peter vorangetrieben. Doch der Glanz hatte seinen Preis: Bereits zwei Jahre nach Amtsantritt war der päpstliche Haushalt erschöpft.
Um die leeren Kassen zu füllen, griff Leo X. auf eine umstrittene Praxis zurück: den Verkauf von Ablassbriefen. Wer zahlte, sollte von seinen Sünden freigesprochen werden – eine Maßnahme, die vor allem in Deutschland Empörung hervorrief.
Der Augustinermönch Martin Luther reagierte mit seinen 95 Thesen und leitete damit die Reformation ein. Heute urteilen Historiker über Leo X., dass er die Sprengkraft des Protests unterschätzte und Luthers Anliegen nicht ernst nahm. Erst 1521, wenige Monate vor seinem Tod, exkommunizierte er den Reformator – und verlieh zugleich Heinrich VIII. den Titel „Fidei Defensor“ („Verteidiger des Glaubens“).
Was mit einem Thesenanschlag begann, wurde zum Umbruch in ganz Europa: Luthers Lehre verbreitete sich rasch, der Protestantismus gewann an Boden. Auch in England kam es zum Bruch mit Rom – diesmal angeführt vom König selbst. Als Papst Clemens VII., einst Giulio de’ Medici, Heinrich VIII. die Annullierung seiner Ehe verweigerte, gründete dieser kurzerhand die anglikanische Kirche. Die Einheit der Christenheit war dahin.
Der Malerfürst
Raffael (1483–1520) galt zu seiner Zeit als „Malerfürst“ oder „Il divino“ (der Göttliche). Auf Wunsch von Papst Leo X. wurde er mit einem Begräbnis im römischen Pantheon geehrt – eine Auszeichnung, die selbst für die Größen seiner Zeit außergewöhnlich war.

Selbstbildnis, zwischen 1504 und 1506, von Raffael. Tempera auf Holztafel; 46,8 cm x 32,7 cm. Palatina-Galerie, Palazzo Pitti, Florenz. Foto: gemeinfrei
Geboren wurde er in Urbino, einem bedeutenden Zentrum der italienischen Frührenaissance, wo er früh mit den Werken von Piero della Francesca, Andrea Mantegna und Paolo Uccello in Berührung kam. Sein Vater, der als Hofmaler tätig war, unterrichtete ihn zunächst selbst. Nach dessen Tod trat Raffael in die Werkstatt des angesehenen Malers Perugino ein – ein Lehrer, den der junge Künstler bald überflügelte.
Trotz seines frühen Todes mit nur 37 Jahren hinterließ Raffael ein Werk, das Generationen europäischer Künstler tief beeinflusste.
Um 1500 war Raffael ein unabhängiger Künstler. Seine Karriere führte ihn durch ganz Mittelitalien, wobei seine Zeit in Florenz die bedeutendste war. Dort befasste er sich mit den Werken von Leonardo und Michelangelo, die zur älteren Generation der Künstler der Hochrenaissance gehörten. Die von ihm in Florenz geschaffenen Gemälde der Madonna mit Kind werden für ihre harmonische Vollkommenheit gerühmt. In dieser Zeit wurde er auch zu einem bedeutenden Porträtisten.
Im Jahr 1508 wurde Raffael nach Rom berufen, um im Dienst von Papst Julius II., dem energischen Vorgänger Leos X., zu arbeiten. Fortan blieb er der Ewigen Stadt treu – und durchlebte dort die wohl fruchtbarste Schaffensphase seines kurzen Lebens. In diesen Jahren entstand unter anderem das berühmte Porträt Julius’ II.. Zugleich entwickelte sich Raffaels Werkstatt zu einem Zentrum künstlerischer Innovation: Neben Gemälden widmete er sich zunehmend der Gestaltung von Wandteppichen und der Historienmalerei. Letztere fand ihren Höhepunkt in den sogenannten Raffaelzimmern – vier prächtig mit Fresken ausgeschmückte Säle im zweiten Stock des päpstlichen Palastes, die bis heute zu den Glanzlichtern der Hochrenaissance zählen.
Leo X. zwischen Geschichte und Macht
Obwohl das monumentale Freskenprojekt noch unter Julius II. begonnen wurde, erlebte es seine Vollendung erst unter dessen Nachfolger Leo X. Im Saal des Heliodors, einem der bedeutendsten Räume der Raffaelzimmer, befindet sich das Fresko „Die Begegnung Leos des Großen mit Attila“ – das letzte Werk, das in diesem Saal fertiggestellt wurde, und zugleich ein deutliches Zeugnis päpstlicher Selbstinszenierung zur Zeit Leos X.

„Begegnung Leos des Großen mit Attila“, 1514, von Raffael. Fresko; 5,0 m x 7,5 m. Stanza di Eliodoro (Saal des Heliodors), Raffaelzimmer, Apostolischer Palast, Vatikanstadt. Foto: gemeinfrei
Das Bild greift eine Szene aus dem Jahr 452 auf: Der Legende nach soll Papst Leo I. Attila, den gefürchteten König der Hunnen, durch das plötzliche Erscheinen der Apostel Petrus und Paulus davon überzeugt haben, von einem Angriff auf Rom abzusehen. In Raffaels Darstellung ist Leo X. sowohl in der Figur des Papstes als auch in der eines ihn begleitenden Kardinals zu erkennen – ein doppeltes Porträt, das die historische Größe seines Namensvetters auf das eigene Pontifikat überträgt.
Auch im sogenannten „Saal des Borgobrandes“, der zur Zeit Leos X. als päpstlicher Speisesaal diente, offenbart sich die kunstvolle Verbindung von Geschichte und Gegenwart. In jeder der dargestellten Episoden trägt der jeweilige Papst die Gesichtszüge Leos X. – ein deutlicher Hinweis auf dessen Wunsch, sich in einer ehrwürdigen Traditionslinie zu verorten.
Die Fresken erzählen von bedeutenden Momenten aus dem Leben früherer Päpste, etwa von der „Krönung Karls des Großen“ durch Leo III. oder von Taten Leos IV. Ein Großteil der Arbeiten wurde zwar von Raffaels Werkstatt ausgeführt, doch die geistige Regie führte der Künstler selbst – und der Papst, der sich zwischen den Zeilen als legitimer Erbe historischer Größe inszenieren ließ.
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Raffaels päpstliches Porträt
Doch zurück zu jenem berühmten Gemälde, das uns Papst Leo X. mit den Kardinälen Luigi de’ Rossi und Giulio de’ Medici zeigt: Raffael malte das Werk in Öl auf Holz. Es befindet sich heute im Besitz der Florentiner Uffizien, die angeben, dass das Gemälde um oder im Jahr 1518 fertiggestellt wurde. In dieser Zeit wurde es von Rom nach Florenz transportiert.
Es sollte – symbolisch wie diplomatisch – die Hochzeit von Leos Neffen, Lorenzo de’ Medici, Herzog von Urbino, mit Madeleine de la Tour d’Auvergne begleiten. Auch dies war eine Inszenierung der Familie: Beide Kardinäle an der Seite des Papstes waren Vettern – das Gemälde ist damit nicht nur ein Meisterwerk Raffaels, sondern auch ein Bild dynastischer Selbstvergewisserung.

(links) Ein Detail der Spiegelung des Raumes im Stuhlknauf und (rechts) eine Seite des illuminierten (im Sinne von illustrierten) Evangeliums des Johannes aus dem Porträt von Leo X. Foto: gemeinfrei
Leo X. dominiert die Komposition dieses Porträts. Seine gewaltige Gestalt ist in einer Dreiviertel-Pose sitzend dargestellt und überschattet die beiden hinter ihm stehenden Kardinäle. Der rote Farbton ihrer Gewänder findet sich in der Decke des Tisches im Vordergrund wieder, die die dunkelrote Mozzetta und die Kappe des Papstes umgibt. Die anderen Haupttöne sind Gold und Silber, die sich in den Möbeln und Gegenständen wiederfinden. Im Knauf der Stuhllehne spiegelt sich ein Fenster und erzeugt Räumlichkeit – eine technische Meisterleistung.
Die Intellektualität, der Glaube und die Gelehrsamkeit des Papstes werden durch das Buch auf dem Tisch symbolisiert. Es handelt sich um ein prachtvoll illustriertes Bibelmanuskript, geöffnet auf der ersten Seite des Johannesevangeliums.
Fachleute konnten das Werk als eines der berühmten Manuskripte des neapolitanischen Buchmalers Cristoforo Orimina aus der Mitte des 14. Jahrhunderts identifizieren. Vermutlich wurde es im Auftrag von Königin Johanna I. von Neapel, Jerusalem und Sizilien gefertigt.

Zum Vergleich: Folio 4 recto von „Die Erschaffung von Tag und Nacht“, 1350–1360, aus der „Hamilton-Bibel“. Kupferstich. Jorg P. Anders; Kupferstichkabinett (Museum für Druckgraphik), Staatliche Museen zu Berlin. Foto: gemeinfrei
Der Kodex, der als eines der bedeutendsten Werke seiner Art in der Welt gilt, gelangte in die umfangreiche Sammlung des schottischen Alexander Hamilton, 10. Herzog von Hamilton (1767–1852) und wird als „Hamilton-Bibel“ bezeichnet. Sein Nachfahre verkaufte sie 1882 zusammen mit anderen Schätzen an das Berliner Kupferstichkabinett.
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Die Wiederentdeckung von Raffaels Meisterwerk Leo X.
Im Herbst 2017 begann eine mehr als zweijährige Restaurierung des Porträts von Leo X., weil die Uffizien eine kritische Entdeckung gemacht hatten: An einigen Stellen hatten sich die originalen Farbschichten abgehoben und zeigten Grate, die von früheren Restaurierungsversuchen gestaucht und zersplittert waren.
Bei der jüngsten Restaurierung kamen moderne Techniken des 21. Jahrhunderts zum Einsatz, darunter Röntgen-, Reflektografie- und mikroskopische Untersuchungen. Diese detaillierten Analysen lieferten wertvolle Einblicke in die Entstehung des Gemäldes: Der Künstler arbeitete mit zwei unterschiedlichen Formen von Unterzeichnungen, die auf Skizzen der Dargestellten basierten.
Mithilfe von Kartons übertrug er die Zeichnungen auf die Tafel. Außerdem zeigte sich, dass Raffael die Figur des Papstes frei überarbeitete und dass das Werk vollständig aus seiner eigenen Hand stammt. Damit wurde endgültig widerlegt, dass spätere Hände die Kardinäle hinzugefügt hätten, wie frühere Forschungen vermutet hatten.
Im Rahmen dieses Projekts wurde auch die spezifische Farbpalette des Künstlers für dieses Gemälde wiederhergestellt, sodass die Farben und die sorgfältigen Details des Gemäldes vom Betrachter wieder so gesehen und geschätzt werden können, wie es der Maler beabsichtigt hatte.
Die Uffizien schreiben, dass das Werk „es uns ermöglicht hat, das Gefühl für den Raum und die architektonische Umgebung wiederzuentdecken, die zuvor fast völlig flach erschien“. Außerdem wurde der hölzerne Unterbau des Werks restauriert.
So wie die päpstliche Linie der Leos aktuell eine Fortsetzung fand, wurde diesem Gemälde die Chance gegeben, für zukünftige Generationen erhalten zu bleiben.
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „Raphael’s Portraits of Pope Leo X“. (redaktionelle Bearbeitung sza)
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