„Märchen sind Erzählungen, die Lösungen von Problemen schildern“

Beim allerersten Telefonat mit Helmut Wittmann erzählt er, dass es in österreichischen Tälern die gleichen Märchen gibt wie in der Türkei und in Kurdistan. Für Wittmann kein Wunder, denn überall auf der Welt haben Menschen die gleichen elementaren Grundbedürfnisse, wahrscheinlich auch die gleichen Ängste und die gleichen Hoffnungen. Die Wunder liegen eher in den Märchen selbst, die nicht weniger als konzentriertes Leben sind.
Bei einer Bergwanderung, dort wo er zu Hause ist, sprachen wir mit Märchenerzähler Helmut Wittmann: über das Erzählen von Geschichten sowie das Streben nach einem freien, erfüllten Leben, das ja meist Inhalt der guten Mär ist.
Seit 1987 erzählt Wittmann Märchen. Professionell betreibt er dies seit 1990. 38 Jahre, in denen sich viel Erfahrung angesammelt hat, 38 Jahre, in denen er und seine Frau fünf Kinder großzogen und Großeltern wurden. 38 Jahre pralles Leben.
Was können uns Märchen heute noch erzählen?
Märchen sind zeitlos, denn sie verwenden Archetypen. Dadurch ist die Geschichte gegenwärtig. Ich bin kein nostalgischer Fanatiker, der irgendeine alte Zeit wieder heraufbeschwören will.
Eigentlich geht es mit dem Märchen darum, die Fülle an Erfahrungswerten von Generationen von Menschen in der Gegenwart zu nutzen. Denn wenn man sich die gegenwärtigen Krisen anschaut, dann denkt man sich immer wieder: Um Himmels willen, wird denn gar nichts gelernt aus der Geschichte?
Darüber haben schon viele gejammert und geklagt. Ich bin der Letzte, der in den Chor einstimmen will. Für mich als Märchenerzähler ist es ein ganz wichtiger Auftrag, Geschichten zu erzählen, die den Leuten helfen, Klarheit in ihr eigenes Leben zu bringen, nämlich erstens die eigenen Ziele klar zu formulieren und – was auch immer wieder passiert – das eigene Licht nicht unter den Scheffel zu stellen.
Denn gerade das ist meistens die Situation der Märchenheldin und des Märchenhelden: Sie ziehen los und wachsen in der Geschichte über sich selbst hinaus. Das, glaube ich, gilt für eine jede und für einen jeden von uns. Wenn man es ganz pathetisch sagen will: Wir alle sind im Grunde menschliche Wunder.
Es geht darum, mit den Geschichten das Wunder in sich selbst zu entdecken. Wenn man das entdeckt, dann, glaube ich, ist man auf einem guten Weg zu einem glücklichen Leben. Und da können die Geschichten sehr viel beitragen.
Was bedeutet für Sie persönlich – in Ihrer eigenen Biografie – das Märchenerzählen?
In meiner eigenen Biografie ist das Märchenerzählen gefühlt das, wozu ich hier auf der Welt bin, schlicht und ergreifend.
Letzte Woche habe ich an Schulen erzählt und viele Leute reden darüber, dass bei Kindern die Aufmerksamkeitsspanne schon so gering ist.
Da sitzen Sechsjährige und hören eine Geschichte, die 20 bis 25 Minuten dauert, und sind mit Begeisterung dabei. Das ist eine Form der Seelennahrung, die sie offenbar sonst kaum bekommen und die sie richtig mit Freuden aufsaugen.
Wenn mir Sechsjährige hinterher die Hand geben und sich für die wunderbaren Geschichten bedanken, hat es gepasst. Das ist das Entscheidende.
Hier haben wir an diesem strahlenden Sommertag bereits einige Höhenmeter erklommen. Die ersten Schweißperlen rinnen. „Gut so!“, meint Wittmann.
Sie erwähnten in einem anderen Interview eine Lehrerin, die meinte: Wenn es immer heiße, man dürfe die Kinder nicht überfordern, sei das so, als wenn man beim Fußballtraining nicht schwitzen dürfe.
Ja, ich denke, es ist wie so oft im Leben alles eine Frage von Maß und Ziel. Nein, es hat wenig Sinn und es wäre furchtbar, Kinder permanent zu überfordern. Auf der anderen Seite sollte man natürlich nicht nur Kindern, auch Erwachsenen die Gelegenheit geben, über sich hinauszuwachsen.
Da muss man niemanden furchtbar traktieren. Aber wenn man die Komfortzone nie verlässt, wie soll sich dann das Leben entwickeln?
Wie sind Ihre Erfahrungen damit, dass die Kinder oder auch die Erwachsenen diese Symbolsprache der Archetypen für sich entschlüsseln können?
Das ist das Faszinierende beim Erzählen. Wenn man als Erzählerin oder Erzähler einen Zugang zu der Geschichte hat, dann bekommen ihn auch die Zuhörerinnen und Zuhörer. Das überträgt sich meines Erachtens nonverbal. Das ist in Worten und rational eigentlich kaum zu erklären, denn das Wesentliche an Märchen geht über das vordergründige Denken hinaus.
Das Leben bei uns in der Gegenwart spielt sich sehr oberflächlich ab. Die ganzen politischen Geschichten und so weiter, das ist alles eigentlich nur an der Oberfläche vom See. Und das Märchen liegt mit dem, was es zu sagen hat – mit seiner, wenn man so will, Weisheit, mit seinem Wissen –, sehr viel tiefer.
Es gibt diesen wunderbaren orientalischen Spruch: Wenn du Sicherheit suchst, die findest du am Ufer. Wenn es aber Schätze sind, die du finden willst, die liegen tief drunten im Wasser verborgen.

Freudig entdeckt Wittmann den Almrausch: „Beim Einkauf haben Sie mich gefragt, ob hier die Alpenrosen noch blühen.“ Foto: Helmut Wittmann
Manche sind der Meinung, dass Märchen spätestens seit ihrer Verschriftlichung ihrer Mystik beraubt und zu moralisierend sind. Sehen Sie das auch so, dass durch die Verschriftlichung etwas verloren gegangen ist?
Die Wirklichkeit ist so, wie man sie sieht. Wenn du das so siehst, dann ist es so für dich, so wie es für mich anders ist.
Natürlich hatten gerade die Brüder Grimm manchmal das Gefühl, sie müssten noch einen moralischen Schubs mitgeben, damit die Dummen auch verstehen, worum es geht. Nur ich sage es bewusst ein bisschen provokant: Wenn ich einen moralischen Schubs gebe, dann bin eigentlich ich der Dumme, denn dann habe ich nicht das Vertrauen, dass die Leute die Geschichte in ihrer Tiefe erfassen.
Auch nach Grimm hat es Leute gegeben, die glaubten, sie müssen den Märchen – wie eine Fertigsoße über einen guten Schweinsbraten – einen „zusätzlichen Sinn“ geben.
Meistens leidet die Geschichte darunter nach dem Motto: Man merkt die Absicht und ist verstimmt, weil man irgendwie geistig bevormundet wird.
Es war ziemlich am Anfang meines Erzählerdaseins, das werde ich nie vergessen. Da war ich in einer Schule eingeladen, die Kinder waren 14/15 Jahre alt. Die Lehrer sagten zu mir: „Obacht! Die sind wirklich schwierig, das wird nicht einfach.“
Es war so grandios und die Kinder sind mit großen Augen dagesessen. Ich muss dazusagen, ich bemühe mich immer, zuerst einmal eine Beziehung aufzubauen. Denn wenn ein Bach wo hinrinnen will, funktioniert das nicht, wenn am Weg ein Loch in der Erde ist. Da rinnt das Wasser ins Loch.
Sie waren also ganz dabei. Hinten saßen die Lehrerinnen und Lehrer. Einer zuckte und blinzelte immer mit den Augen und ich habe überlegt: Was hat er? Dann sagt er vor den Kindern zu mir: „Sollten wir jetzt nicht mit den Kindern darüber sprechen, was uns diese Geschichten zu sagen und zu bedeuten haben?“ Und ich dachte mir: Alle haben verstanden, worum es geht, nur einer nicht.
Unter uns die steil herabfallenden Berghänge, über uns wolkenloser blauer Himmel. Die Raben krächzen.

Auf dem Schneiderberg im Toten Gebirge. Foto: Helmut Wittmann
Wenn man die Geschichte innig erzählt, wird sie in gewissem Sinn jenseits vom Verstand aufgenommen. Man muss das Vertrauen haben, dass die Geschichte wirklich rüberkommt.
Es gibt Geschichten – ich kann nicht sagen, warum –, die begeistern mich einfach. Aber ich kann das nicht rational begründen. Und das ist das Erlebnis.
Wenn du miteinander ein Lied singst, zu dritt, zu viert, und es ist einfach ein unglaubliches Erlebnis, dann fragst du auch nicht: „Sag mal, was war jetzt der Grund für das Erlebnis? Warum sind wir glücklich? Haben wir alle so genau gesungen, so richtig gesungen, ist das Lied so schön, ist der Text so erbaulich?“ Das fragt sich kein Mensch.
Und wenn ich ein Gläschen Wein trinke und der schmeckt mir, dann schmeckt er mir. Und wenn er mir graust, dann graust er mir. Aber das Entscheidende ist doch, dass ich das genieße, mit vollen Zügen wahrnehme. Das hat also mit Wahrnehmung zu tun, aber natürlich auch mit Intuition, ob ich bereit bin, jenseits der Erfahrungen, jenseits vom Verstand zuzulassen.
Gestern habe ich zum Einstieg eine Lügengeschichte erzählt, eine vollkommen sinnlose, vollkommen verrückte. Kinder wie Erwachsene fahren total auf diese Geschichten ab, weil die den Verstand mal so richtig auf die Seite stellen.
Unser Verstand ist extrem wichtig, damit wir unser alltägliches Leben auf eine gute Art und Weise bestreiten können. Aber furchtbar ist, wenn der Verstand sich anmaßt, das Maß aller Dinge zu sein im Leben. Und dies passiert meines Erachtens gegenwärtig sehr stark, dass das ganze Leben rein verstandesmäßig bestimmt und ausgerichtet wird. Doch du denkst: Da gibt es noch viel mehr.
Ich sage, der Wissensstand ist bei uns zumindest gegenwärtig die Wissenschaft des Verstandes. Von all dem, was wir da wahrnehmen in dieser Welt, kann der Verstand – ich sage es mal bewusst übertrieben – 10 Prozent wahrnehmen. Es ist sicher viel weniger, aber sagen wir 10 Prozent. Das heißt, du nimmst 10 Prozent von dem, was auf dich einwirkt, wahr und leitest davon ab, wie die Welt funktioniert.
Märchen und gerade Lügengeschichten zeigen uns das Denken jenseits vom Verstand und eigentlich in gewissem Sinn den Zauber im Leben.
Ich glaube, das Wichtige ist, einen Zugang zu diesem Zauber im Leben zu finden. Er ist rational oft nicht begründbar, aber er wirkt, so wie Paracelsus sagte: „Wer heilt, hat recht.“ Und da geht es nicht ums Rechthaben, sondern darum, ob du ein glückliches Leben hast oder nicht. Und wenn du in einem Haus wohnst, das rein verstandesmäßig perfekt gebaut ist, dann ist es fast immer so, dass sich die Leute darin nicht wohlfühlen. Denn es gibt auch ein Herz und nicht nur den Verstand.
Inzwischen haben wir uns hinter einer Jägerhütte an einem Hang zur Jause niedergelassen – mit fantastischem Blick auf das Tote Gebirge, genauer gesagt das Rotgeschirr, so benannt nach seinem Abendrotglühen.

Blick auf das Rotgeschirr. Foto: Uwe Harreck
Dank Ihnen sind das Märchen und das Märchenerzählen zum Kulturerbe der UNESCO geworden. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, das überhaupt einzureichen?
Wie so oft im Leben spielt da vieles zusammen.
Ich hatte erfahren, dass Österreich eine Liste des immateriellen Kulturerbes zusammenstellen will und eigentlich muss, weil sich Österreich bei der UNESCO vertraglich dazu verpflichtet hatte.
Für mich war vollkommen klar, dass die Märchen und das Märchenerzählen mit dem, was an Inhalten vermittelt wird, für Menschen unglaublich hilfreich und kostbar sind, also ein immaterieller Schatz und damit Kulturerbe.
Ich habe mich aber gefragt: Soll ich diese bürokratischen Mühen wirklich auf mich nehmen und einen Antrag stellen? Denn für mich ist sowieso klar, dass es immaterielles Kulturerbe ist. Und wenn ich erzähle oder wenn jemand anderer erzählt, spielt es keine Rolle, ob das jetzt immaterielles Kulturerbe ist oder nicht. Wichtig ist, was mit den Geschichten und in diesem Moment vermittelt wird.
Ein sehr guter Freund von mir, durch den ich eigentlich auch Märchenerzähler geworden bin, hat gesagt: „Das musst du machen. Es geht ja nicht nur um dich.“
Es gibt auch viele andere Leute, die Märchen erzählen. Und wenn das Märchenerzählen als immaterielles Kulturerbe anerkannt ist, dann tun sich die wesentlich leichter, denn das hebt auch ihren Stellenwert.
Ich muss sagen, das Entgegenkommen der österreichischen UNESCO-Kommission war auch grandios und für die anderen Erzählerinnen und Erzähler war es auch ein guter Rückenwind, da es groß in den Nachrichten war. Ich habe dann überlegt: Was machen wir aus dem Ganzen? Denn es war viel Arbeit und natürlich mit überhaupt keiner finanziellen Zuwendung verbunden, aber doch eine Freude und Ehre.
Als ich morgens nach dem Baden aus dem Bach stieg, kam mir die Idee, im Sommer hier in Grünau ein UNESCO-Fest des Erzählens zu machen.
Auf einem ganz versteckt gelegenen Bauernhof, der einer Sage nach von einem Zauberer erbaut wurde, saßen dann 200 Leute auf Stroh, hörten den Erzählerinnen und Erzählern zu und Maria Walcher von der UNESCO-Kommission überreichte jeder Erzählerin und jedem Erzähler nach der jeweiligen Geschichte die Urkunde der UNESCO.
Warum ist es Ihnen wichtig, für alle Altersgruppen zu erzählen?
Als Märchenerzähler bist du schnell in der Kinderecke. Und ich erzähle sehr gern für Kinder. Denn das sind elementare mentale Säulen, die da gesetzt werden und die ihnen im Leben sehr viel Halt, aber auch Inspiration geben können. Das ist das eine.
Das andere ist, es passiert so viel Wahnsinn in der Welt und den richten im Allgemeinen Erwachsene an. Da ist es gut, wenn man für Erwachsene erzählt.
Zum Beispiel erzähle ich immer wieder für Unternehmen. So sprach mich ein Freund an, der ein Maschinenbauunternehmen hat, ob ich bei seiner Vertriebstagung erzählen würde. Sie verkaufen Fabrikanlagen, die auf der ganzen Welt aufgestellt werden. Er sagte: „Weißt du, verkauft wird über die Emotion, denn es geht nicht nur um die nackten Zahlen. Die sind natürlich auch wichtig. Aber es geht um mehr. Es geht darum, was wirklich zählt im Leben, und das will ich auch in unseren Gesprächen mit den Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten, drinhaben.“
Erwachsene können im Leben ja ungeheuer viel bewirken. Doch es gibt Leute, die glauben, sie können nichts bewirken, und das Märchen erzählt ihnen, was sie alles bewirken können.
Dann gibt es die, die viel bewirken und mitunter vollkommen den Sinn verloren haben, weil es eine Eigendynamik entwickelt hat. Sie rennen im Hamsterrad und wissen gar nicht mehr, warum. Da ist das Märchen ganz wichtig, um die Stopptaste zu drücken und zu sagen: Du, überlege mal: Wofür machst du das überhaupt? Was ist der Sinn des Ganzen? Passt das noch mit dem, was du machst, zusammen? Oder ist der Sinn schon lange verloren gegangen?
Diese Verantwortung zu übernehmen, ist nicht immer angenehm.
Niemand kann aus seiner oder ihrer Verantwortung genommen werden, denn man kann sich nicht drücken und sagen: „Ich bin so klein, ich bin so arm, ich kann nichts.“ Du kannst.
Man muss Verantwortung übernehmen, erst mal für sich selbst, und das, was man macht, ernst nehmen, wirklich ernst, und im Idealfall auch [Verantwortung] für sein Umfeld.
Es gibt oft genug Leute, die jammern, wie furchtbar alles ist. Und dann fragt man sich: Was tust du, damit es besser wird, damit es anders wird?
Ich bin natürlich auch nicht der große Weise, der weiß, wie es gehen soll. Aber die Märchen liefern uns kleine Stücke an Weisheit für das persönliche Leben.
Wenn man das wieder ins Lot bringt, fügt sich auch das Ganze schon langsam. Und das ist das Entscheidende. Denn es gibt keinen Menschen, der die Weisheit und die Gescheitheit mit Löffeln gefressen hat.
Der eine sieht das so, der andere so. Was dem einen gescheit und weise vorkommt, ist für den anderen dumm und dämlich. Aber in der Summe, wenn alle wirklich überlegen, was ich zu einem glücklichen Leben beitragen kann, wird diese Mischung meines Erachtens zu einem glücklichen Leben führen.

Helmut Wittmann mit seiner Frau Ursula am 23. Mai 1987, am Tag ihrer Hochzeit, in den Armen eines persischen Märchenerzählers unter dem Baum „Mitten in der Welt“ bei Kremsmünster, Oberösterreich – nicht ahnend, dass dies ein Initialmoment ihrer beider Zukunft werden sollte. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Helmut Wittmann
Gibt es bestimmte Quellen, wo Sie die Märchen finden?
Die Quellen sind komplett unterschiedlich. Alte Sammlungen natürlich. Bei mir liegt der Schwerpunkt auf überlieferten Geschichten, in denen die Lebensweisheit von Generationen von Menschen steckt.
War etwas nicht stimmig oder dumm, wurde das bald weggelassen. Die Generationen waren wie ein Filter für das, was wirklich Bestand hat, und für das, was wirklich Sinn ergibt. Deshalb sind die überlieferten Geschichten für mich wesentlich.
Gerade wenn man Geschichten öfter erzählt, spürt man sehr schnell, was der Kern der Geschichte und was eine Schlacke ist. Das kann, wie wir zuerst gesprochen haben, eine moralische Schlacke sein, wie irgendein Volkskundler gedacht hat. Das kann aber auch eine kulturelle Schlacke sein. Das spürt man sehr schnell, wenn man die Geschichte wirken lässt.
Das heißt, Kunstmärchen sind eher nicht in Ihrem Repertoire?
Schon auch, aber natürlich ist es so, dass Kunstmärchen von jemandem geschrieben wurden. Das kann ein sehr inspirierter Mensch gewesen sein oder das kann jemand sein, der einfach eine romantische Ader hatte.
Ich habe zum Beispiel einmal Michael Ende kennengelernt und ihn gefragt, wie er zu der „Unendlichen Geschichte“ gekommen ist, weil ich die Geschichte unglaublich finde. Er sagte, die sei ihm so in den Sinn gekommen und sein Vater war Anthroposoph. Man kann sich vorstellen, dass er ein sehr gutes Nest vorgefunden hat, in dem das alles gewachsen ist.
Also, es gibt unglaublich inspirierte Kunstmärchen. Und es gibt welche, bei denen du denkst: Na ja, das ist so Liebe, Sonne, Eierkuchen – inhaltlich eine sehr dünne Suppe.
Haben Sie sich schon Gedanken gemacht, wie Sie diesen ganzen Schatz an Geschichten weitergeben und wer die einmal weitererzählen wird?
Gott sei Dank gibt es von mir die Bücher. Das war und ist mir sehr wichtig – eine Vielzahl an Büchern, in denen sehr viel Wesentliches drinsteht.
„Wo der Glücksvogel singt“ – mit den Märchen zu den verschiedenen Lebensphasen. Dann für mich das eigentlich wichtigste Buch „Das Geschenk der zwölf Monate“ – mit Bräuchen, Rezepten und Märchen rund ums Jahr.
Dann „Das große österreichische Märchenbuch – Von Drachenfrau und Zauberbaum“ mit vielen Quellenhinweisen, über die man weitere Märchen findet. „Das große österreichische Sagenbuch“, bei dem auch die Quellenhinweise ganz wichtig sind. Und hier regional „Die Salzburger-Sagen“, „Die Oberösterreichischen-Sagen“, das „Donausteig-Sagen-Buch“ und jetzt das „Sagenhafte Wandern im Salzkammergut“ sowie die Sagen und Besonderheiten über „Das Tote Gebirge“. Da ist schon sehr viel Material aufbereitet.
Wenn ich mich einmal aufmache in die andere Welt, sofern es eine andere Welt gibt, schauen wir mal, dann denke ich, gibt es genug, an das Leute nach mir anknüpfen können.
Und gerade in den letzten Jahren gibt es sehr viel Zusammenarbeit mit anderen Erzählerinnen und Erzählern und es ist nicht so, dass, wenn ich nicht mehr bin, in Sachen Märchen eine Welt zusammenbricht. Ganz und gar nicht.
Ist ein Charakteristikum von Märchen, dass es gut ausgeht?
Ja, Märchen sind meines Erachtens Erzählungen, die die Lösung von Problemen schildern. Und darum gehen sie überwiegend gut aus. Nicht alle, aber sehr viele. Die meisten, weil das Problem im Zug der Geschichte gelöst wird.
Sagen – und da ist der Unterschied – erzählen, wie Probleme entstanden sind und warum eine Burg, die früher eine wunderbare Burg war, plötzlich eine Ruine ist. Warum ein Berg plötzlich so aussieht, wie er jetzt aussieht. Das kann einen tragischen Grund haben, was meistens bei Sagen der Fall ist, aber es kann auch ein erfreuliches Ereignis sein.
Verlieren die Erwachsenen nicht schnell die Aufmerksamkeit durch die Wiederholungen, in denen dreimal das Gleiche passiert?
Wenn du zu einem Konzert von den Rolling Stones gehst, willst du „Satisfaction“ hören. Und wenn jemand eine Geschichte gut erzählt, gibt es keinen Grund, eine Geschichte nicht noch einmal zu hören.
Bei den Wiederholungen im Märchen ist es auch immer eine Frage, wie man die erzählt. Natürlich kann man sie langatmig erzählen oder man kann sie voller Dynamik erzählen und sagen: Ja, natürlich, wieder ist er hineingetappt. Du nimmst die Leute mit und die wissen: Ja, genau so ist es im Leben. Man macht immer und immer wieder dreimal den gleichen Fehler. Aber beim vierten Mal hat man es endlich kapiert.
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Bevor wir uns an den Abstieg machen, passieren befreundete Nachbarn von Helmut Wittmann den Weg. Gemeinsam huldigen wir mit unseren Stimmen der Majestät der Berge.
Das Computerprogramm verschriftlicht die Jodler folgendermaßen:
Oh ja. Die Hoya. Die Frederic, Die Heidi, Die Heuer, Die Heuer, die Heuer, die Heuer. Die Rede, heuer die Heuer die Frederic.
Und den zweiten:
Voller Thierry. Thierry. Thierry. Holger. Etüde. Rüdiger, hol dir die Der Rüde allerdings.
Vielen Dank, Helmut Wittmann, für das Gespräch am Berg.
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