Ist Stichschutzkleidung besser als nichts? Polizeigewerkschafter rät ab, Hersteller kontert

Zum Schutz vor Messerattacken oder Pistolenkugeln sind mittlerweile professionell gepanzerte Westen, Pullover oder Jacken für jedermann erhältlich. Der Polizeigewerkschafter Rainer Wendt hält nicht viel von dieser Art Funktionskleidung. „Messerinzidenz“-Erfinder Andreas Ziegler und ein befreundeter Schweizer Hersteller sehen das anders.
Titelbild
Das Symbolbild zeigt einen jungen Mann mit einem Springmesser. Ob zivile Schutzkleidung Verletzungsrisiken bei Messerangriffen minimieren können, ist umstritten.Foto: iStock
Von 13. September 2025

In Kürze:

  • Zum Schutz vor Messerattacken: Vielfältiges Angebot für stichhemmende Oberbekleidung entstanden
  • „Schutzwaffen“ aller Art bei Versammlungen in Deutschland grundsätzlich nicht erlaubt
  • Polizeigewerkschafter Rainer Wendt rät von „Stichschutzhemden“ im Alltag ab
  • Schweizer Anbieter: Absoluter Schutz nicht möglich, durchaus aber Gewinn „wertvoller Zeit“

Dass der Messerstecher von Solingen gerade erst zu einer lebenslangen Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt wurde, macht seine Opfer nicht wieder lebendig. Doch wie kann man sich vor einer solchen Gewalttat in der Öffentlichkeit schützen? In der Bundesrepublik Deutschland ist für Privatpersonen immerhin längst nicht alles erlaubt, was der Gefahrenabwehr dienen könnte.

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Ein Ausweg könnte in spezieller Funktionskleidung liegen. Inzwischen bietet insbesondere der Onlinemarkt für jedermann Oberbekleidungstextilien an, die Metallklingen oder sogar kleinkalibrigen Geschossen standhalten sollen.

Schon eine kurze Onlinerecherche führt zu allerlei stichhemmenden oder stichsicheren Handschuhen, Nackenschutztextilien, T-Shirts, Sweatshirts oder gepanzerten Westen. Unternehmen wie Cest Armor, Security-Discount oder Armadillo Tex halten mehr oder weniger breite Paletten solcher Produkte feil. Die Preise liegen je nach Art und Anbieter meist im unteren oder mittleren dreistelligen Euro-Bereich. Manches gibt es auch billiger.

Schweizer Hersteller und „Messerinzidenz.de“-Erfinder: Gemeinsam für mehr Schutz unterwegs

Die Website des Schweizer Herstellers Lowther Swiss Armour, der hauptsächlich mit seinem für Kinder geeigneten Kapuzenpullover („Protector Pro Hoodie“) zu je 185 Franken sein Geld verdient, ermuntert die potenzielle Kundschaft mit der Einbindung einer Deutschlandkarte über die tagesaktuelle „Messerinzidenz“ zum Kauf. Per Mausklick gelangt man bei jeder Ortsmarkierung auf Pressemitteilungen der Polizei, die mehr über den jeweiligen Stichwaffenvorfall verraten. Die tägliche Durchschnittszahl solcher Delikte in Deutschland lag statistisch zuletzt bei 79.

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Der Frankfurter „Messerinzidenz“-Erfinder Andreas Ziegler stellte im Gespräch mit Epoch Times klar, dass er finanziell in keiner Weise von seinem Kontakt zu Pascal Lowther profitiere, dem Mann hinter Lowther Swiss Armour. Er sei zwar mit Lowther befreundet, eine direkte Geschäftsbeziehung oder eine Gewinnbeteiligung existierten aber nicht.

Als er den Schutzkleidungsentwickler nach Publikation seiner eigenen Website kennengelernt habe, sei beiderseits die Idee gereift, sich gegenseitig zu unterstützen. Immerhin biete der Spezialtextilanbieter „etwas Handfestes“ zum Schutz der Menschen, während er selbst nur Daten bereitstellen könne, so Ziegler. Lowther und er selbst seien sich bewusst, höchstens gesellschaftliche Symptome bekämpfen zu können, „aber nicht die Ursache“.

Sogenannte „Schutzwaffen“ bei Demonstrationen nicht erlaubt

Juristisch ganz unproblematisch ist die Nutzung stichhemmender Kleidungsstücke in Deutschland übrigens nicht. Laut „Forum-Recht-Online.de“ können nämlich auch sie als „Schutzwaffen“, „passive Bewaffnung“ oder „passive Waffen“ eingeordnet werden – ähnlich wie auch Sportprotektoren für Knie, Ellbogen oder Zähne sowie Schutzbrillen, Atemschutz- oder Gasmasken und Motorrad-, Fahrrad- oder Industriehelme.

Derartige Ausrüstungsgegenstände, sofern als „Schutzwaffen“ gewertet, sind gemäß Paragraf 17a des Versammlungsgesetzes (VersG) zumindest im Umfeld von Aufzügen oder Versammlungen unter freiem Himmel verboten, wenn sie „den Umständen nach dazu bestimmt sind, Vollstreckungsmaßnahmen eines Trägers von Hoheitsbefugnissen abzuwehren“. Wer sie beispielsweise auf dem Weg zu einer Demonstration oder auf einer Kundgebung trotzdem bei sich trägt, riskiert nach Paragraf 27 (2) VersG ein Jahr Gefängnis oder eine Geldstrafe.

Ausnahmen vom Schutzwaffenmitführverbot bei Versammlungen bestehen laut Paragraf 17 VersG aber immerhin „für Gottesdienste unter freiem Himmel, kirchliche Prozessionen, Bittgänge und Wallfahrten, gewöhnliche Leichenbegängnisse, Züge von Hochzeitsgesellschaften und hergebrachte Volksfeste“.

DPolG-Chef Wendt rät ab

Rainer Wendt, der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), hält generell nicht viel von dem Ansatz, Schutz von Kleidungsstücken zu erwarten. Im Interview mit Epoch Times bezeichnete er „Stichschutzhemden“ als den „allergrößten Blödsinn“: „Da sind ja Leute mit Messern unterwegs, die ganz gezielt die Halsschlagader treffen wollen, und da kann man sich nur schwer schützen.“

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Sich mit einem Pfeffer- oder Farbspray zu bewaffnen, um einen Angreifer zu vertreiben oder zu markieren, hält Wendt ebenfalls für wenig aussichtsreich, weil die Gefahr bestehe, die Spraydose im entscheidenden Moment nicht zu finden. „Man findet auch nicht den Sicherungshebel, wenn man gerade angegriffen wird“, befürchtet Wendt. Er empfahl ein frühzeitiges Gefahrenbewusstsein: Man solle sich besser schon vor einem Discobesuch Gedanken darüber machen, wie und mit wem man wieder nach Hause komme.

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Andreas Ziegler: Schutzkleidung besser als nichts

„Messerinzidenz“-Macher Andreas Ziegler kann die Sichtweise Wendts speziell für Stichschutzkleidung nicht ganz nachvollziehen. „Wir reden da ja über Privatpersonen, nicht über Profis“, gab Ziegler am Telefon zu bedenken. Man müsse sich fragen, ob jemand lieber in Schutzkleidung oder im T-Shirt dastehe, wenn sich ein Aggressor etwa mit einem Schraubenzieher oder einem Cuttermesser nähere.

Bei den Hoodies, wie sie Lowther Swiss Armour verkauft, böten wenigstens der Kragen und die Kapuze etwas Schutz im Halsbereich. „Mir ist schon klar, dass es sich um Produkte handelt, auf die man eigentlich gerne verzichten würde“, räumte Ziegler ein. Aber:

„Wenn durch so ein Kleidungsstück auch nur ein Leben gerettet wird, hat sich der ganze Aufwand schon gelohnt.“

Swiss-Armour-CEO: Absoluter Schutz unmöglich, Zeitgewinn schon

Ergänzend äußerte sich Swiss-Armour-CEO Pascal Lowther auf schriftliche Nachfrage der Epoch Times: Kein Kleidungsstück der Welt könne einen absoluten Schutz bieten, auch ein Hoodie aus seiner Produktion nicht: „Vor allem sensible Körperregionen wie der Hals bleiben verwundbar.“

Seine Hoodies seien allerdings auch nicht als „Freifahrtschein“ gedacht, um „unbedacht durch die Welt zu gehen“. Vielmehr könne er „die ersten Angriffe wirksam abmildern oder abwehren, sodass im Ernstfall wertvolle Zeit gewonnen wird“. Im Übrigen seien seine Textilien nicht „als Hilfsmittel für Versammlungskontexte“ gedacht, sondern „als Alltagskleidung mit Schutzfunktion für Kinder, Eltern und Privatpersonen“.

Die Hoodies aus seinem Hause und weitere Prototypen seien „bereits in mehreren Ländern von Spezialeinheiten, von Polizeibehörden in den USA bis nach Frankreich, erfolgreich getestet“ worden. „Wir [haben] durchweg sehr positives Feedback erhalten“, so Lowther. Derzeit würden eine Hose und eine Jacke von Polizeikräften im Einsatz geprüft, deren Marktstart für das kommende Jahr geplant sei.

Keine offizielle Statistik vorhanden

Über den geschäftlichen Erfolg seiner Idee wollte Lowther nichts verraten: „Aus Gründen der Diskretion und Vertraulichkeit geben wir keine Angaben zu Umsatz, Verkaufszahlen oder zu den Personen, die unsere Schutzkleidung bereits tragen“. Sein Team und er arbeiteten zudem „nicht aus Profitstreben, sondern aus Überzeugung und Verantwortung“. “

Auch der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie e. V., dessen Unterverband „German Fashion“ und der Verein Südwesttextil konnten auf Anfrage der Epoch Times keine Angaben zu aktuellen Verkaufszahlen, Umsätzen oder Trends machen. Nach Angaben einer Sprecherin des Gesamtverbands erfasst auch das Statistische Bundesamt bisher keine Zahlen über Textilien der „persönlichen Schutzausrüstung“ (PSA). Der Deutsche Textilreinigungs-Verband e. V. (DTV) ließ einen Fragenkatalog bis zur Veröffentlichung dieses Artikels unbeantwortet.

Auch das Bundesinnenministerium (BMI) blieb Antworten auf Fragen der Redaktion bislang schuldig. Wir wollten unter anderem wissen, was das BMI über Stichschutzkleidung zur Gefahrenabwehr denkt, wie man sich in einer unmittelbaren Bedrohungssituation verhalten sollte und was das BMI derzeit unternimmt, um den öffentlichen Raum sicherer zu machen.

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Was bleibt sonst noch zur Gefahrenabwehr?

Für Abwehrsprays, Schreckschuss- oder Luftdruckwaffen und für gewöhnliche Haushaltsmesser sieht das deutsche Waffengesetz (WaffG) stellenweise strenge Regeln vor. Bevor man sie erwirbt oder im Freien mitführt, sollte man etwaige Hinweisschilder für Messerverbotszonen beachten und sich mit den einschlägigen Paragrafen befassen. Ein Abwehrspray sollte beispielsweise ein PTB-Kennzeichen tragen, Schreckschusswaffen erfordern einen Kleinen Waffenschein. Selbstjustiz ist verboten, Notwehr gemäß Paragraf 32 des Strafgesetzbuches aber nicht.

Eine Zusammenfassung der Rechtslage bietet beispielsweise das Portal „Bussgeldkatalog.net“.



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