Jetzt soll man wie eine Konditorei riechen

Vor ein paar Tagen war ich in einer Parfümerie, um ein Geschenk für meine Frau zu kaufen. Bei meinem letzten Besuch zur Weihnachtszeit im vergangenen Jahr hatte ich mit Verwunderung festgestellt, dass es sich bei der überwältigenden Mehrheit der Kunden um junge Männer handelte. Ich nahm an, dass sie aus demselben Grund wie ich dort waren – um ein Weihnachtsgeschenk für ihre Liebste zu kaufen.
Doch bei meinem jüngsten Besuch war die Schar junger Männer noch größer. Wie ich bemerkte, bewegten sie sich ausschließlich an den Theken mit Herrendüften hin und her. Offensichtlich hatte ich einen Modetrend verpasst: Männer sollen sich anscheinend intensiv mit Parfüm beschäftigen. Und nachdem, was ich neulich gelesen habe, sollten wir zu verschiedenen Tageszeiten sogar unterschiedlich duften.
Ich selbst habe mich immer mit dem kaum wahrnehmbaren Duft meiner Teerseifen begnügt. Wahrscheinlich entsteht bei Passanten das Gefühl, als würden sie an einer frisch asphaltierten Straße vorbeifahren. Ist das nicht genug?
Meine Vorliebe für Teerseife hängt wohl damit zusammen, dass ich nicht gerade zu den modernen Menschen gehöre.
Die Geburt der modernen Parfümindustrie
Der Geschichtsprofessor Alain Corbin weist in seinem Buch „Pesthauch und Blütenduft: Eine Geschichte des Geruchs“ – einer klassischen Geschichte über das Verhältnis der Menschheit zu Düften – darauf hin, dass die moderne Parfümindustrie im 18. Jahrhundert unter dem neureichen Bürgertum in Frankreich entstand. Diese wohlhabenden Schichten empfanden die in Parfüms verwendeten Düfte von Zibet, Ambra und Moschus als zu schwer, zu intensiv und geradezu abstoßend. Letzteres ist verständlich, da Ambra aus dem Verdauungstrakt von Pottwalen und Zibet aus einer Analdrüse der Zibetkatze gewonnen wurde. Die Neureichen sehnten sich nach leichten Düften.
[etd-related posts=“4325751,5099229″]
Ihre Gebete wurden erhört, als Blaise Laugier im Jahr 1770 eine Parfümerie in Paris eröffnete – und zwar in unmittelbarer Nähe zu einem Schlachthaus, einem Fischmarkt, einem Leichenhaus und einem überfüllten Gefängnis. Ein damaliger Zeitgenosse beschrieb die Gegend als „den stinkendsten Ort der Welt“. Man kann davon ausgehen, dass bei den Kunden der Wunsch nach leichtem Parfüm auf dem Weg zu Laugiers Laden weiter verstärkt wurde, wo vor allem Düfte aus der blühenden Provence angeboten wurden: Veilchen, Rosen, Jasmin, Zitrone und Orange.
Den neuen Parfüms wurden auch medizinische Eigenschaften zugeschrieben. Man glaubte, sie könnten vor ansteckenden Krankheiten schützen und die Verdauung fördern, wenn sie auf den Körper und die Kleidung aufgetragen wurden.
Vom Duft zur Steuer
Die Herstellung dieser Düfte war damals ein kostspieliger Prozess. Man ging davon aus, dass der Duft die Seele der Blume oder Frucht sei. Um dem Rechnung zu tragen, durfte etwa die Seele der Nachtkerze nur langsam und mit größter Vorsicht aus dem Organismus der Pflanze befreit werden.
Die Mystik um die Herstellung der Parfüms der neuen Zeit wurde durch die Entdeckungen des bedeutenden französischen Chemikers Antoine-Laurent de Lavoisier gelüftet. Der Wissenschaftler fegte die antiken Theorien über die „vier Elemente“ vom Tisch und entschlüsselte den Aufbau der verschiedenen chemischen Verbindungen. Mit diesem Wissen entwickelte er ein System zur Besteuerung von Waren, abhängig von ihrem Reinheitsgrad – von alkoholischen Getränken bis zu Parfüm.
Zu den Geschäften, die am stärksten von den neuen Steuern betroffen waren, gehörte auch Lavoisiers Parfümladen. Der bedeutende Chemiker hatte keinen leichten Stand, da er auch den Unmut anderer auf sich zog. Seine Position als Hauptzollpächter brachte ihm während der Französischen Revolution weitere Schwierigkeiten und eine Anklage ein. Der Prozess endete mit dem Todesurteil. Am 8. Mai 1794 wurde Lavoisier durch die Guillotine hingerichtet.
Im Gegensatz dazu überlebte das von ihm entwickelte Steuersystem in dem revolutionären Frankreich, da es dem Staat gute Einnahmen bescherte.
Napoleons Duftwahn und der Siegeszug der Gourmand-Düfte
Die Parfümindustrie wuchs trotz der Steuerbelastungen – vielleicht auch, weil Napoleon ein Trendsetter war. Der Kaiser verbrauchte 60 Flaschen Parfüm im Monat. Er verliere Energie und Kraft, wenn er nicht in solchen Mengen Düfte konsumiere, behauptete er. Napoleon mischte sogar Parfüm in seinen Wein.
Zu jener Zeit erlebte das Eau de Cologne seinen Durchbruch. Bereits im Jahr 1709 wurde es vom in Köln ansässigen Italiener Johann Maria Farina entwickelt. Aber erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde seine klare Note von Zitrone und Bergamotte richtungsweisend für den Duft. Das gilt auch für die seit den 1990er-Jahren immer stärker werdende Mode der „Gourmand-Düfte“. Karamell, Kaffee und Vanille sind hier die häufigsten Komponenten – man soll wie eine Konditorei duften.
Als ich hingegen in der Parfümerie den Duft für meine Frau ausgesucht hatte, schaute die Verkäuferin etwas erschrocken drein: Ich hatte ein Parfüm auf einer Basis von Moschus und Ambra verlangt, das bei manchem ein Naserümpfen hervorrufen würde. Die Dame machte sich alle Mühe, mich zu einem Parfüm zu überreden, das „dieses Jahr sehr beliebt“ sei. Doch nach einer Riechprobe lehnte ich höflich ab. Der Duft von Schokolade und Karamell war mir in die Nase gestiegen.
Glücklicherweise ist meine Frau wie ich ein vormoderner Mensch.
Dieser Artikel erschien im Original auf epochtimes.se unter dem Titel „Nu ska du dofta som ett konditori“. (deutsche Bearbeitung: sza)
Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion