Allergieauslöser Enzyme sichtbar machen – für mehr Sicherheit

Sie stecken in Waschmitteln, Kosmetika und Lebensmitteln – und können unsere Hautbarriere schwächen. Warum Enzyme mehr Aufmerksamkeit in Forschung, Politik und Verbraucherschutz brauchen und wie eine sinnvolle Regulierung zugunsten der Verbraucher aussehen könnte.
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Türöffner für Allergien: Enzyme im Alltag – unsichtbar, aktiv und unreguliert.Foto: Wavebreakmedia/iStock
Von 1. Juni 2025

Die Zahl allergischer Erkrankungen steigt seit Jahren kontinuierlich an. Während circa 30 Prozent der deutschen Bevölkerung inzwischen eine offizielle Allergiediagnose hat, geben weitaus mehr, nämlich mit 50 Prozent die Hälfte aller Befragten einer aktuellen Forsa-Umfrage für die AOK an, eine Allergie zu haben. 

Bekannte Auslöser wie Pollen, Tierhaare oder Hausstaubmilben sind in der öffentlichen Wahrnehmung und Medizin längst etabliert als Allergieauslöser. Jedoch bleibt ein Faktor weitgehend unbeachtet: Enzyme. Ihre Rolle als sogenannte „Barrierebrecher“ wird zwar zunehmend wissenschaftlich erforscht, politisch und regulatorisch jedoch kaum berücksichtigt.

Unsichtbar und undeklariert: Das Problem enzymhaltiger Produkte

Enzyme sind hochaktive Biokatalysatoren, die gezielt Proteine, Fette oder Kohlenhydrate spalten. Genau das macht sie so attraktiv für Industrie und Haushaltsprodukte – von Waschmitteln über Reinigungsmittel bis zu Lebensmitteln und Kosmetika. Doch viele dieser Anwendungen kommen mit Haut, Schleimhäuten oder Atemwegen in Kontakt. Rückstände auf Textilien können selbst in geringen Mengen die empfindliche Barriere der Haut oder Schleimhäute beeinträchtigen; ein Umstand, der in der Forschung inzwischen als Voraussetzung für die Sensibilisierung gegenüber Allergenen anerkannt ist.

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Trotz dieser Risiken besteht aktuell keine einheitliche oder verpflichtende Kennzeichnungspflicht für enzymatisch aktive Substanzen in verbrauchernahen Produkten. Der Pharmazeut Dr. Thomas Bohner, Forscher zum Thema Enzyme und Mitautor des Buches „Allergien. Die wahren Ursachen“, fordert daher: „Es braucht eine klare rechtliche Grundlage für die Deklaration enzymatischer Inhaltsstoffe – vergleichbar mit der Kennzeichnungspflicht allergener Duftstoffe. Der Verbraucher muss wissen, ob er mit aktiven Enzymen in Kontakt kommt.“

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Forschungslücken

Die wissenschaftliche Diskussion über die Rolle von Enzymen bei der Entstehung von Allergien ist nicht neu, wurde aber lange ignoriert. Bereits 1999 wies eine Studie nach, dass das Enzym „Der p 1“ aus dem Kot der Hausstaubmilbe gezielt die epithelialen Barrieren der Atemwege angreift. Trotz dieser Belege ist das Thema in der Regulierung bislang kaum angekommen. Ein Grund dafür liegt in der wirtschaftlichen Bedeutung enzymatischer Prozesse: Enzyme ermöglichen energieeffizientes Waschen, verlängern die Haltbarkeit, verbessern Konsistenzen oder senken Produktionskosten. Allerdings, so Bohner, der selbst mit Kalixan eine enzymfreie Produktlinie entwickelt hat, „kein Hersteller hat ein Interesse daran, enzymatische Inhaltsstoffe prominent zu deklarieren“.

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Was sich ändern muss – politisch, regulatorisch und gesellschaftlich

Man brauche laut dem promovierten Pharmazeuten konkrete Maßnahmen, um den Umgang mit enzymatisch aktiven Substanzen sicherer und transparenter zu gestalten. Die derzeitige Rechtslage im Hinblick auf die Kennzeichnungspflicht von Enzymen in Konsumprodukten hält Bohner für unzureichend. Eine verbindliche Deklarationspflicht bestehe faktisch nicht, dadurch ist es für den Verbraucher kaum nachvollziehbar, ob und in welcher Konzentration solche Enzyme beispielsweise in Lebensmitteln oder Kosmetika enthalten sind.

Dr. Bohner fordert deshalb drei konkrete regulatorische Maßnahmen:

Volle Deklarationspflicht für alle Enzyme in verbrauchernahen Produkten – analog zur Pflichtangabe allergener Duftstoffe oder Konservierungsmittel in Kosmetika. Dabei muss nicht nur der Enzymtyp, sondern auch seine biologische Aktivität angegeben werden.

Einführung einer produktspezifischen Warnkennzeichnung, wenn proteolytische Enzyme enthalten sind, die bekanntermaßen Haut- oder Schleimhautbarrieren beeinträchtigen können – vergleichbar mit der Warnung bei reizenden oder sensibilisierenden Substanzen im Arbeitsschutz.

Unabhängige toxikologische Bewertung enzymhaltiger Produkte durch öffentliche Stellen wie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), bevor diese in den Verkehr gebracht werden dürfen – insbesondere wenn sie bestimmungsgemäß in Kontakt mit der Haut oder Atemluft kommen.

Dr. Thomas Bohner. Foto: privat

Wissen schützt – Aufklärung als Prävention

Ein weiterer, oft unterschätzter Aspekt ist die Aufklärung. Viele Menschen wissen nicht, dass Enzyme eine biologische Aktivität behalten können, auch wenn sie auf Kleidung getrocknet sind oder in verarbeiteten Lebensmitteln nur in Spuren vorliegen. Die Vorstellung, dass „natürlich“ gleich „harmlos“ ist, verhindert ein realistisches Risikobewusstsein. Dabei wäre gerade hier eine gezielte Informationskampagne dringend notwendig – ähnlich wie bei Mikroplastik, Parabenen oder Duftstoffen.

Auch Ärzte, vornehmlich Dermatologen und Allergologen, sollten in ihrer Ausbildung stärker auf den Einfluss von Umweltfaktoren wie Enzymen vorbereitet werden, findet Bohner. „Viele meiner Kolleginnen und Kollegen sind seit Jahrzehnten in einem immunologischen Paradigma verankert, das sich stark auf IgE-Antikörper, Mastzellen und Entzündungsmediatoren konzentriert. Dieses Modell ist ohne Zweifel wertvoll für die Beschreibung der Symptome – es erklärt jedoch nicht zufriedenstellend, warum der Körper überhaupt auf ‚harmlose‘ Umweltstoffe allergisch reagiert.“ 

Hierfür sei ein barriereorientiertes Verständnis erforderlich, sagt Bohner, der Allergien primär als Barriere- und nicht als Immunerkrankung versteht.

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Unsichtbare Gefahren benötigen sichtbare Regeln

Laut Bohner sind Enzyme kein „Feindbild“, aber sie sind ein unterschätzter Risikofaktor für eine zunehmende Anzahl von Menschen mit Allergien, Haut- und Atemwegserkrankungen. Ihr Nutzen für Industrie und Technik ist unbestritten. Hinter den Enzymen steht inzwischen eine Milliardenindustrie, doch Sicherheit, Transparenz und gesundheitliche Verantwortung dürfen nicht der wirtschaftlichen Interessenlage untergeordnet werden.

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Die Politik ist gefordert, klare Regeln zu schaffen, die Industrie, ihre Verantwortung wahrzunehmen, und jeder Einzelne, sich bewusst mit dem auseinanderzusetzen, was täglich über Haut, Kleidung und Luft in den Körper gelangt.

Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.



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