Stichwahl in Polen: Der konservative Präsidentschaftskandidat Nawrocki siegt überraschend

In Polen gibt es eine Überraschung. Karol Nawrocki wird der nächste Präsident. Er ging als Unabhängiger für die konservative Partei Recht und Gerechtigkeit ins Rennen. Das Wahlergebnis gilt in Polen als „Rote Karte“ für Premierminister Tusk. Was bedeutet der Wahlausgang für Polen, für Deutschland und für Europa?
Titelbild
Karol Nawrock gewann die polnischen Präsidentschaftswahlen 2025. Er wird von der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) unterstützt.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 2. Juni 2025

Am 1. Juni gingen die Präsidentschaftswahlen in Polen in eine zweite Runde, nachdem im ersten Wahlgang am 18. Mai keiner der Kandidaten mehr als 50 Prozent der Stimmen erreicht hatte. Der bisherige Präsident Andrzej Duda durfte nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. Die Wahllokale waren von 7 bis 21 Uhr geöffnet.

In dem Kopf-an-Kopf-Rennen bei der Stichwahl steht das offizielle Ergebnis am Montag Morgen fest: Der Konservativer Karol Nawrocki hat die Wahl gewonnen. Nach der Auszählung aller Stimmen lag Nawrocki mit 50,89 Prozent knapp vor seinem Rivalen, dem Pro-Europäer Rafal Trzaskowski, der auf 49,11 Prozent der Stimmen kam, wie die polnische Wahlkommission am Montag verkündete. Die Wahl Nawrockis ist ein herber Rückschlag für die polnische Regierung um den EU-freundlichen Regierungschef Donald Tusk.

Polens Gesellschaft ist gespalten

Mit einem Wahlsieg des konservativen Nawrocki hatten weder die polnischen Medien noch politische Beobachter gerechnet. Denn der von der PiS unterstützte Kandidat galt bislang als weitgehend unbekannt in der Öffentlichkeit.

Rafał Trzaskowski von der Regierungspartei PO hingegen ist Bürgermeister von Warschau und galt als große Hoffnung für jene Wähler, die die Politik von Premierminister Donald Tusk unterstützen wollten. Ein Wahlsieg Trzaskowskis hätte der europafreundlichen Politik Tusks einen Schub geben können.

Nun aber hat eine knappe Mehrheit der Polen dem liberalen Regierungschef die Rote Karte gezeigt. Gleichzeitig wird am knappen Wahlergebnis sowie an der hohen Wahlbeteiligung von 77 Prozent deutlich, dass die polnische Gesellschaft in zwei extrem konträre politische Lager gespalten ist.

„Die Polarisierung nimmt zu“, sagte Natalia Hatalska, Präsidentin und Gründerin des polnischen „Infuture Institute“ gegenüber der polnischen Tageszeitung Rzeczpospolita. „Dies ist ein erschreckendes Phänomen, das uns nirgendwohin führt“, kritisiert Hatalska.

Die Macht des Präsidenten

Die Aufgaben des polnischen Präsidenten beschränken sich – anders als beim deutschen Bundespräsidenten – nicht nur auf die Repräsentation des Landes. Vielmehr kann der Präsident auch Einfluss auf die Außen- und Verteidigungspolitik ausüben. Im Verteidigungsfall übernimmt er sogar die Führung der Streitkräfte.

Im zivilen Politikalltag verfügt er über die entscheidende Macht, sein Veto gegen neue Gesetze einlegen zu können. Davon hat der bisherige PiS-nahe Präsident Duda reichlich Gebrauch gemacht und die liberale Politik des 2023 gewählten Ministerpräsidenten Donald Tusk beträchtlich ausgebremst.

Das Präsidenten-Veto kann nur mit einer Mehrheit von drei Fünfteln im Parlament gekippt werden. Über eine solche Mehrheit verfügt die aktuelle Regierung jedoch nicht.

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Bedeutung für Polen und Europa

Auf dem Spiel steht, ob Tusks Regierung nach 18 Monaten einer äußert schwierigen Zusammenarbeit mit dem bisherigen Präsidenten Duda in der Lage sein wird, ihre Wahlversprechen in Bezug auf Rechtsstaatlichkeit und soziale Fragen, wie etwa Recht auf Abtreibung und LGBTQ-Rechte, einzuhalten. Tusk steht zudem für eine dauerhafte Verständigung mit Deutschland.

Der Wahlsieg Nawrockis wird aller Voraussicht nach dem derzeitigen Stillstand verlängern und es für die Regierung nahezu unmöglich machen, vor den nächsten Parlamentswahlen im Jahr 2027 die angekündigten Reformen umzusetzen.

Deshalb könnte Tusk gezwungen sein, vorgezogene Neuwahlen auszuschreiben. Insofern können die Präsidentschaftswahlen auch als Referendum über Tusks bisherige Politik gewertet werden.

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Nawrocki ist neu in der Politik. Seit 2021 leitet er das „Institut für Nationales Gedenken“, ein staatliches Forschungsinstitut mit Befugnissen eines Staatsanwalts, das historische Verbrechen gegen Polen untersucht.

Davon sind insbesondere Russland und Deutschland betroffen. Nawrocki hat sich im Wahlkampf zu der PiS-Forderung bekannt, polnische Reparationsforderungen an Deutschland in Höhe von mehr als einer Billion Euro erneut zu thematisieren.

Unterstützung von Trump

Formal unabhängig, aber von der PiS unterstützt, gibt Nawrocki der konservativen Partei, die bis zur Wahl Tusks acht Jahre an der Macht war, einen neuen Schub. Aus dem Ausland erhielt Nawrocki zudem öffentliche Unterstützung vom US-Präsidenten Donald Trump sowie vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán.

Der Sieg von Nawrocki könnte auch Polens bisher unterstützende Haltung gegenüber der Ukraine verändern. Nawrocki sprach wiederholt über die „schwierige Geschichte zwischen den beiden Nationen“ und wandte sich gegen eine Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO. Die Ukraine muss nun befürchten, dass die bisherige Unterstützung aus Polen geringer werden könnte.

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Mit dem Ukraine-Krieg gewann Polen innerhalb der EU und der NATO an politischem Gewicht. Deshalb sprachen sich beide Kandidaten im Wahlkampf für eine drastische Erhöhung der Militärausgaben auf fünf Prozent des BIP aus. Und: Polens Armee ist inzwischen mit 206.000 Mann um rund 20.000 Soldaten größer als die Bundeswehr.

Am 6. August endet offiziell die Amtszeit Dudas. Die Amtsübernahme durch Nawrocki stellt für die kommenden fünf Jahre die Weichen dafür, wie sich Polen innerhalb der Bündnisse NATO und EU definiert und welchen Umgang es mit seinen Nachbarn pflegen möchte.

 

 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.



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